BGE 106 IV 405 | |||
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99. Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1980 i.S. Generaldirektion PTT gegen T. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
1. Art. 63 Abs. 2 PVG; Art. 2 Abs. 5, 90, 103 Abs. 2 SVG; Art. 1 Abs. 2 VRV; Art. 104 Abs. 4 SSV. Parkierungsbeschränkungen im Parkraum der Schanzenpost in Bern. |
2. Art. 101 Abs. 2 VStrR. |
Das Gericht darf über die Entschädigung auch im Grundsatz erst befinden, nachdem es der Verwaltung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (E. 6). | |
Sachverhalt | |
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2. Der im Tiefparterre der Schanzenpost befindliche Parkraum weist folgende Signale und Anschläge auf:
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- bei der Einfahrt in den Parkplatz rechts auf Augenhöhe das Hinweissignal 4.17 (Art. 48 Abs. 1 SSV; Parkieren gestattet) mit der Zusatztafel unten "Nur für Postkunden 15 Minuten";
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- im Innern des Parkraums ungefähr in dessen Mitte je links und rechts erhöht dasselbe Hinweissignal mit den Zusatztafeln oben "Nur für Postkunden" und unten "15 Minuten";
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- an insgesamt drei Stellen im Innern des Parkraums auf Augenhöhe den Anschlag
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"Verbot (gestützt auf Art. 63 Abs. 2 PVG)
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das Parkieren von Motor- und anderen Fahrzeugen irgendwelcher Art auf dem nur für Postkunden der Schanzenpost reservierten Areal über die maximal zulässige Parkzeit von 15 Minuten;
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die unbefugte Benützung der für das PTT-Personal reservierten Einstellhalle im 1. Untergeschoss;
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das Parkieren von privaten Fahrzeugen aller Art auf dem Areal der Postautostation auf der Plattform über den Geleisen;
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das Parkieren ausserhalb der markierten Parkfelder.
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Diese Verbote gelten Tag und Nacht, sowie an Sonn- und Feiertagen.
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Zuwiderhandelnde werden mit einer Busse von 20-100 Franken bestraft.
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Schadenersatzansprüche für Beschädigungen bleiben vorbehalten. Für Unfälle, welche aus Nichtbeachtung dieser Verbote entstehen, wird jede Haftung abgelehnt.
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3000 Bern, den 1. Februar 1976
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Namens des PTT-Betriebe
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Die Kreispostdirektion Bern
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Müller." - zwischen je zwei Parkplätzen links und rechts an den Längswänden des Parkraumes insgesamt vierzehnmal der rotumrandete, auf Augenhöhe angebrachte Anschlag
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"Parkieren nur für die Erledigung von Postgeschäften in der Schanzenpost
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gestattet; Parkzeit max. 15 Minuten. Dieses Verbot gilt Tag und Nacht
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sowie an Sonn- und Feiertagen. Kreispostdirektion Bern."
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B.- Am 25. Februar 1980 stellte die Kreispostdirektion T. einen Strafbescheid zu, in welchem sie ihn wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen Art. 63 Abs. 2 PVG (SR 783.0) mit Fr. 20.-- büsste.
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Da die Busse nicht bezahlt wurde, leitete die Verwaltung das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren ein. Die Kreispostdirektion Bern stellte T. am 19. März 1980 das Schlussprotokoll zu, und nachdem dessen Verteidiger die Aufhebung des Verfahrens beantragt hatte, erliess sie am 2. Mai 1980 eine im Schuld- und Strafpunkt dem früheren Strafbescheid gleiche Strafverfügung.
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T. erhob Einsprache und verlangte gerichtliche Beurteilung.
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Der Gerichtspräsident VIII von Bern sprach T. am 2. September 1980 von der Anschuldigung der Verletzung des PVG frei. Die Verfahrenskosten hatte der Staat zu tragen, und dem Angeschuldigten wurde eine Entschädigung zugesprochen, "wobei der Generaldirektion PTT eine Frist von 10 Tagen gemäss Art. 101 Abs. 2 VStrR" angesetzt wurde.
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C.- Die Generaldirektion PTT führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Gerichtspräsidenten sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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T. beantragt Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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3. Nach Art. 63 Abs. 2 PVG wird mit Busse bis zu Fr. 100.-- bestraft, wer auf Areal oder in Räumen oder Fahrzeugen, die dem Postbetrieb dienen, den mündlichen Anordnungen des Postpersonals oder amtlichen Anschlägen nicht Folge leistet. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend bemerkt, ist diese Bestimmung im Anhang zum VStrR erlassen worden. Sie enthält in der Tat keinen ausdrücklichen Vorbehalt zugunsten der ordentlichen Strassenverkehrsordnung. Aber ebensowenig weist sie ausdrücklich darauf hin, dass der öffentliche Motorfahrzeugverkehr auf Arealen und in Räumen der PTT durch mündliche Anordnungen des Postpersonals oder durch amtliche Anschläge unter Ausschluss der spezifischen Vorschriften des SVG und seiner Nebenerlasse geregelt werden wollte. Die parlamentarischen Beratungen ergeben keine für die Auslegung der Bestimmung nützlichen Hinweise. Einzig im Motivenbericht zum Vorentwurf der Expertenkommission des EJPD vom 10. Juli 1963 findet sich eine kurze Erläuterung, indem zu Art. 63 vermerkt wird: "Die Ordnungswidrigkeiten (bisher Art. 61) werden vermehrt tatbestandsmässig umschrieben" (S. 85). Dass damit wesentliche Neuerungen hätten eingeführt werden wollen, wurde mit keinem Wort gesagt. Zieht man aber den Art. 61 des PVG vom 2. Oktober 1924 (BS 7 S. 772) heran, so wird klar, dass der heutige Art. 63 Abs. 2 PVG aus Art. 61 Abs. 2 zweiter Satz ("wer in Postwagen oder in Postschalterräumen den dienstlichen Anordnungen des Postpersonals zuwiderhandelt") hervorgegangen ist, der seinem Wortlaut und Sinne nach zweifellos nicht den öffentlichen Motorfahrzeugverkehr betraf. Diesen berücksichtigt das Postverkehrsgesetz einzig im unverändert geltenden Art. 3 Abs. 3, wonach der Bundesrat für den Verkehr auf Bergstrassen allgemein verbindliche Fahrordnungsvorschriften erlassen kann, die für die Sicherheit der Fahrten der Post und der konzessionierten Unternehmungen notwendig sind. Gestützt auf Art. 3 Abs. 3 PVG wurde - ausdrücklich in Ergänzung des Art. 62 MFV (dem der heute geltende Art. 45 SVG entspricht) - der Bundesratsbeschluss vom 10. April 1953 über den Wagenverkehr auf Bergpoststrassen (SR 741.124) erlassen. Dessen Art. 6, wonach Widerhandlungen gegen den Bundesratsbeschluss nach Art. 61 Abs. 2 PVG zu ahnden sind, wurde durch Art. 90 SVG abgelöst (s. auch Art. 107 Abs. 3 SVG; s. die Fn. 1 zu Art. 6 des BRB), mit der Folge, dass die erwähnten Widerhandlungen nicht im Verwaltungsstrafverfahren, sondern im kantonalen Strafverfahren zu ahnden sind. Zudem enthalten auch Art. 38 Abs. 3 VRV sowie Art. 45 Abs. 2 und 111 Abs. 1 SSV Regeln betreffend die Bergpoststrassen. All dies weist darauf hin, dass der Gesetzgeber den den Postbetrieb berührenden Motorfahrzeugverkehr grundsätzlich der Ordnung des SVG und seiner Nebenerlasse hat unterstellen wollen. Hierfür sprechen überdies die im SVG und in der SSV enthaltenen besonderen Vorschriften über die Strassen und Grundstücke im Eigentum des Bundes:
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Nach Art. 2 Abs. 5 SVG bestimmen für Strassen im Eigentum des Bundes (worunter gemäss Art. 1 Abs. 1 VRV alle im Eigentum des Bundes stehenden, dem allgemeinen Verkehr offenstehenden Verkehrsflächen zu verstehen sind) die vom Bundesrat bezeichneten Bundesbehörden, ob und unter welchen Bedingungen der öffentliche Verkehr gestattet ist; sie stellen auch die erforderlichen Signale auf. In Ausführung dieser gesetzlichen Vorschrift wird in Art. 104 Abs. 4 SSV hervorgehoben, dass dem Bund die Signalisation auf seinen Strassen und Grundstücken Obliegt. Und weiter sieht Art. 111 Abs. 2 SSV vor, dass Verfügungen, durch die der öffentliche Verkehr auf Strassen und Grundstücken des Bundes beschränkt oder ausgeschlossen werden soll (Art. 2 Abs. 5 SVG), vom eidg. Departement, dem die mit der Verwaltung der Strasse und des Grundstückes betraute Amtsstelle oder Anstalt untersteht, getroffen werden. Die Generaldirektionen der SBB und der PTT-Betriebe werden ausdrücklich als für ihre Grundstücke zuständig erklärt. Sodann verlangt Art. 111 Abs. 3 SSV, dass solche Verfügungen im Bundesblatt unter Hinweis auf die Beschwerdemöglichkeit an den Bundesrat nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz zu veröffentlichen seien. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die genannten Art. 2 Abs. 5 SVG und 104 Abs. 4 SSV unter dem Begriff der Signalisation grundsätzlich die Kennzeichnung mit den Signalen der SSV meinen (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 SSV, welche letztere Bestimmung in Abs. 3 einzig einen Vorbehalt zugunsten des militärischen Strassenverkehrs enthält; siehe auch die zahlreichen publizierten Anwendungsverfügungen z.B. BBl 1971 I, 1 S. 133; 1971 I 2 S. 1294, 1980 II S. 263, 786).
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Allerdings sieht Art. 112 SSV für das Bahngebiet vor, dass Verkehrsverbote aufgrund der Gesetzgebung über die Bahnpolizei durch die in dieser Verordnung vorgesehenen Signale angezeigt werden "können", was besagt, dass die spezifisch bahnpolizeiliche Kennzeichnung die Regel und die Verwendung der Signale der SSV, über die sich die Bahnunternehmung mit der Behörde verständigt, fakultativ ist. Aus Art. 112 SSV liesse sich für den hier zu beurteilenden Fall indessen selbst dann nichts ableiten, wenn man diese das "Bahngebiet" (Marginale) betreffende Bestimmung analog auf Postgebiet anwenden wollte. Denn diese Bestimmung gestattet nicht die Verwendung von Zeichen, die in der SSV nicht vorgesehen sind, sondern sie erlaubt umgekehrt die Verwendung von Signalen der SSV in Fällen, in welchen nach den einschlägigen Erlassen grundsätzlich andere Zeichen verwendet werden.
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Die Vorinstanz hat T. demnach zu Recht von der Anschuldigung der fahrlässigen Verletzung des Postverkehrsgesetzes freigesprochen. Die von der Generaldirektion PTT in der Nichtigkeitsbeschwerde dagegen erhobene Kritik ist unbegründet.
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Der Gerichtspräsident VIII von Bern hat sich in seinen Urteilserwägungen auch mit dieser Signalisation auseinandergesetzt und hält dafür, dass T. sich an sie gehalten habe, da er Postkunde war und seinen Wagen 14 Minuten im Parkraum der Schanzenpost parkiert hatte. Die Rechtslage wäre nach Auffassung der Vorinstanz anders, wenn die Zusatztafeln im Sinne der SSV bestimmen würden, dass höchstens 15 Minuten und nur zur Erledigung von Postgeschäften und ausschliesslich während der Erledigung dieser Postgeschäfte parkiert werden dürfe; das sei aber nicht der Fall.
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Der Gerichtspräsident hat jedoch richtigerweise darauf verzichtet, T. im Urteilsdispositiv, das allein in Rechtskraft erwächst, auch vom Vorwurf der Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 27 und 90 SVG, Art. 63 Abs. 3 SSV) freizusprechen. Darüber konnte im Verwaltungsstrafverfahren, in dessen Rahmen das angefochtene Urteil gefällt worden ist, nicht entschieden werden. Die Verfolgung von Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsgesetzgebung obliegt den Kantonen (Art. 103 Abs. 2 SVG); das Verfahren bestimmt sich - vorbehältlich des Ordnungsbussenverfahrens gemäss dem Bundesgesetz vom 24. Juni 1970 über Ordnungsbussen im Strassenverkehr (SR 741.03) - von Anfang an nach dem kantonalen Prozessrecht. Ein solches Verfahren wegen Widerhandlung gegen das SVG ist im vorliegenden Fall weder eingeleitet noch durchgeführt und abgeschlossen worden. Zudem könnte das Urteil des erstinstanzlichen Gerichts betreffend Widerhandlung gegen das SVG, auch wenn es nicht mit einem kantonalen Rechtsmittel wegen Verletzung eidgenössischen Rechts anfechtbar ist, nicht mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden (Art. 268 Ziff. 1 in fine BStP). Auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin und des Beschwerdegegners zu Sinn und Bedeutung der Zusatztafeln "Nur für Postkunden", "15 Minuten" kann daher nicht eingetreten werden.
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6. Die Vorinstanz hat schliesslich entschieden: "Dem Angeschuldigten wird eine Entschädigung ausgerichtet, wobei der Generaldirektion PTT eine Frist von 10 Tagen gemäss Art. 101 Abs. 2 VStrR angesetzt wird." Die Beschwerdeführerin ficht diesen Urteilsspruch zu Recht als bundesrechtswidrig an. Gemäss Art. 101 Abs. 2 VStrR hat das Gericht, bevor es eine Entschädigung festsetzt, der beteiligten Verwaltung Gelegenheit zu gehen, sich zum Anspruch und seiner Höhe zu äussern und Antrag zu stellen. Im angefochtenen Entscheid hat jedoch die Vorinstanz über die grundsätzliche Begründetheit des Anspruchs bereits erkannt, ohne dass die Generaldirektion PTT hiezu angehört worden wäre. Das war unzulässig, denn nach der angeführten Bestimmung hatte die Beschwerdeführerin ein Recht darauf, bereits zum Grundsatz der Anspruchsberechtigung Stellung zu beziehen. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt gutzuheissen und das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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