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5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Januar 1981 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen S. (Nichtigkeitsbeschwerde). | |
Regeste |
Art. 33 StGB. Gezielte Schussabgabe auf einen flüchtigen Dieb. |
2. Angemessene Abwehr. Eine einfache Körperverletzung kann im Falle eines schwerwiegenden Angriffs auf das Eigentum gerechtfertigt sein. Zur Abwehr ist auch die Verwendung eines an sich gefährlichen Werkzeugs zulässig, wenn der Abwehrende dieses aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten verhältnismässig einsetzen kann (E. 3 und 4). | |
Sachverhalt | |
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Die Mappe enthielt Werte von insgesamt ca. Fr. 53'000.-, was dem Verdienst des S. während 1 1/2 bis 2 Jahren entsprach. Die Werte waren nicht versichert und nicht versicherbar.
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S. ist ein geübter Schütze. Ein später unter Mitwirkung der Polizei durchgeführtes Probeschiessen unter analogen Bedingungen ergab, dass von ca. 15 bei Dunkelheit auf 15-20 m abgegebenen Schüssen keiner auf Kniehöhe oder darüber einschlug.
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B.- Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte am 25. September 1979 S. wegen einfacher Körperverletzung, begangen in Überschreitung der Grenzen der Notwehr, zu zehn Tagen Haft mit bedingtem Vollzug. Auf seine Berufung hin sprach ihn das Appellationsgericht am 24. September 1980 frei.
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C.- Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt verlangt mit Nichtigkeitsbeschwerde, S. sei entsprechend dem Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt schuldig zu sprechen.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Die Parteien und die kantonalen Instanzen gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der Beschwerdegegner noch in einer Notwehrlage befand, als er auf den flüchtigen Dieb schoss. Ob diese rechtliche Würdigung des Sachverhalts zutrifft, ![]() | 6 |
Die kantonalen Gerichte berufen sich für ihre Auffassung auf STRATENWERTH (Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 2. Aufl., S. 136 N. 420), SCHÖNKE/SCHRÖDER (Strafgesetzbuch, Kommentar, 20. Aufl., § 32 N. 15) und BGE 102 IV 6, unter Ablehnung der gegenteiligen Meinung von DUBS (Notwehr, ZStR 89/1973 S. 344).
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Der Angriff auf das Eigentum eines andern ist in der Tat nicht notwendigerweise schon dann abgeschlossen, wenn der Täter die fremde Sache in Händen hat; dass der Diebstahl allenfalls in diesem Moment vollendet ist (was hier nicht geprüft werden muss), ist unerheblich. Der Angriff auf das Eigentum und seine Abwehr im Sinne von Art. 33 StGB dauern an, solange der Berechtigte und der Angreifer unmittelbar im Anschluss an die Tat um den Gewahrsam an der Sache streiten, sei es handgreiflich, sei es, dass der Berechtigte den Dieb sofort verfolgt und ihm die Beute wieder abzunehmen versucht. Wie es sich verhält, wenn das Opfer den Täter nicht unmittelbar im Anschluss an die Tat verfolgt (sei es, weil es diese nicht sogleich bemerkte, sei es, dass es aus irgendeinem Grunde an der sofortigen Verfolgung des Täters verhindert ist oder ihm diese vorerst zwecklos erscheint), sondern ihn mit dem Diebesgut erst später auf Nachforschungen hin oder zufällig antrifft, braucht hier nicht entschieden zu werden. Im vorliegenden Fall hat das Opfer sofort die Verfolgung des Täters zwecks Wiedererlangung des Diebesgutes aufgenommen. S. war dem Dieb auf den Fersen und hat ihn nicht aus den Augen verloren. Die Schussabgabe erfolgte kurz nachdem M. die Mappe an sich gerissen und die Männer eine Strecke von rund 110 m zurückgelegt hatten. S. sah von jeder weiteren Verfolgung ab, als M. die Mappe fallen liess. Die dem Beschwerdegegner zur Last gelegte Tat steht zu jener des M. in einem derart engen Zusammenhang, dass sie im Sinne von Art. 33 StGB als Abwehr gegen den unberechtigten Angriff zu qualifizieren ist. Es wäre lebensfremd, anzunehmen, das Opfer könne sich von dem Augenblick an nicht mehr auf Notwehr berufen, in dem der Angreifer die umkämpfte Sache in Händen und sich einige Meter vom Opfer entfernt hat.
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a) Nach der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung muss die Abwehr nach der Gesamtheit der Umstände als verhältnismässig erscheinen. Zu prüfen sind dabei namentlich die Schwere des Angriffs, die durch den Angriff und die Abwehr bedrohten Rechtsgüter, die Art des Abwehrmittels und dessen tatsächliche Verwendung (BGE 102 IV 68 E. 2a mit Verweisungen; SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. I, S. 147 f., NOLL, Die Rechtfertigungsgründe im Gesetz und in der Rechtsprechung, ZStR 80/1964 S. 160 ff., insbesondere S. 165, DUBS, a.a.O., S. 348 f.). Die Angemessenheit der Abwehr ist dabei aufgrund jener Situation zu beurteilen, in welcher sich der rechtswidrig Angegriffene im Zeitpunkt seiner Tat befand; es dürfen nicht nachträglich von den Behörden allzu subtile Überlegungen darüber angestellt werden, ob der Angegriffene sich nicht allenfalls auch mit anderen, weniger einschneidenden Massnahmen hätte begnügen können und sollen (DUBS, a.a.O., S. 347).
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b) Besondere Zurückhaltung ist geboten bei der Abwehr mit gefährlichen Werkzeugen, deren Verwendung stets die Gefahr schwerer oder gar tödlicher Verletzungen mit sich bringt (Messer, Beile, Schusswaffen, etc.). Angemessen ist die Abwehr, wenn der Angriff nicht mit andern weniger gefährlichen und zumutbaren Mitteln hätte abgewendet werden können, der Täter womöglich gewarnt worden ist und der Abwehrende vor Einsatz des gefährlichen Werkzeuges das Nötige zur Vermeidung einer übermässigen Schädigung vorgekehrt hat. Auch ist eine Abwägung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter unerlässlich. Doch muss deren Ergebnis für den Angegriffenen, der erfahrungsgemäss rasch handeln muss, mühelos erkennbar sein. In dieser Sicht ist die Abwehr, die zu dauernder Verstümmelung oder zum Tode führen kann, in der Regel unangemessen, wenn sich der rechtswidrige Angriff allein gegen Eigentum und Vermögen richtet.
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Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, wenn sie die Abwehr S. unter den gegebenen Umständen als angemessen wertete.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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