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Informationen zum Dokument  BGE 107 IV 47  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
2. Streitig ist, ob die Einmündung der Waggitalstrasse in di ...
3. a) Wenn nicht anders signalisiert, hat auf Strassenverzweigung ...
4. a) Die objektiven Gegebenheiten zeigen, dass es sich bei der E ...
5. Bei dieser Sachlage ist es kein Zufall, dass sich in kurzen Ab ...
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15. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. Februar 1981 i.S. Statthalteramt des Bezirkes Horgen gegen S. (Nichtigkeitsbeschwerde).
 
 
Regeste
 
Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV. Verzweigungen oder Einmündungen von Feldwegen usw.  
 
Sachverhalt
 
BGE 107 IV, 47 (48)A.- S. fuhr am 22. Juni 1979 mit seinem Personenwagen im Gemeindegebiet von Wädenswil auf der oberen Bergstrasse in Richtung Horgen und kollidierte mit dem von rechts aus der Waggitalstrasse kommenden B., der mit seinem Motorfahrrad die Bergstrasse überqueren und in Richtung Samstagern fahren wollte.
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B.- Das Statthalteramt des Bezirkes Horgen büsste S. wegen Übertretung von Art. 36 Abs. 2 SVG (Nichtgewähren des Rechtsvortritts) mit Fr. 150.-. S. verlangte gerichtliche Beurteilung. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Horgen sprach S. am 16. Mai 1980 frei. Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde des Statthalteramts wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 8. Dezember 1980 ab, im wesentlichen mit der Begründung, die Einmündung der Waggitalstrasse in die obere Bergstrasse sei keine Strassenverzweigung mit Vortrittsrecht im Sinne von Art. 36 Abs. 2 SVG, sondern eine Einmündung ohne Rechtsvortritt im Sinne von Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV.
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C.- Das Statthalteramt des Bezirkes Horgen führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den obergerichtlichen Beschluss aufzuheben und die Sache zur neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Aus den Erwägungen:
 
2. Streitig ist, ob die Einmündung der Waggitalstrasse in die obere Bergstrasse als Strassenverzweigung mit Rechtsvortritt BGE 107 IV, 47 (49)im Sinne von Art. 36 Abs. 2 SVG oder als Einmündung ohne Rechtsvortritt gemäss Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV zu betrachten ist.
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Es liegt auf der Hand, dass solche Ausnahmen unfallträchtig sind. Im Interesse der Verkehrssicherheit müssen sie daher auf Fälle beschränkt werden, die auch ohne Signalisierung für die Beteiligten zweifelsfrei erkennbar sind, auch für Ortsunkundige und bei erschwerten Sichtverhältnissen. Im Zweifel ist stets für die normale Ordnung, nicht für die Ausnahme zu entscheiden. Zudem muss an Ort und Stelle für Klarheit gesorgt werden.
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b) Der Kassationshof hat objektive Kriterien darüber aufgestellt, wann solche Ausnahmesituationen vorliegen.
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In erster Linie handelt es sich um die in Art. 1 VRV ausdrücklich erwähnten Beispiele. Dazu gehören vor allem Ausfahrten, die nur einzelnen Gebäuden, Parkplätzen usw. dienen, unabhängig von ihrem Ausbau, also auch breite asphaltierte Verkehrsflächen und bei Längen um ca. 100 m (BGE 99 IV 222). Eine Ausnahmesituation liegt sodann bei eigentlichen Feldwegen vor, die schmal sind und keinen Belag aufweisen. Ist eine entsprechende Klassierung nicht eindeutig gegeben, so wird zusätzlich auf die Verkehrsbedeutung abgestellt. Strässchen, die nur bestimmten Personen offenstehen oder als Stichstrassen wenige Häuser bedienen, haben bei der Einmündung in stark befahrene Durchgangsstrassen eine so völlig untergeordnete Bedeutung, dass dort das normale Vortrittsrecht nicht gilt (vgl. BGE 91 IV 41, 146). Bei der Kreuzung zweier Nebenstrassen wird die eine nicht schon deklassiert, wenn sie weniger breit ist und geringeren Verkehr aufweist (vgl. BGE 106 IV 56). Der Kassationshof hat wiederholt den Ausschluss des normalen Vortrittsrechts abgelehnt, wenn ruhige Quartiersträsschen in stark frequentierte Stadtstrassen münden (BGE 96 IV 37).
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BGE 107 IV, 47 (50)Verschiedene dieser Kriterien sind für Ortsunkundige nicht erkennbar. Schuldhaft missachtet das Vortrittsrecht nur, wer sich nicht an die bei Annäherung an die Einmündung ersichtliche Situation hält. Im Zweifel muss er davon ausgehen, dem von rechts Kommenden stehe der Vortritt zu.
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Die Bergstrasse ist 5,7 m breit, die Waggitalstrasse auf ihrer ganzen Länge 4 m, mit trichterförmiger Einmündung. Beide Strassen sind asphaltiert, auch im Gebiet der Einmündung. Diese verläuft niveaugleich, also ohne sichtbaren Übergang durch eine Bordkante usw. Schon baulich besteht also zwar ein gewisser, aber kein entscheidender Unterschied.
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Die Bergstrasse ist verkehrsmässig bedeutungsvoller; sie ist auch entsprechend durch Randlinien, Reflexpfosten und Kurventafeln für ihre Benützer gekennzeichnet. Sie dient teilweise dem Durchgangsverkehr. Dennoch handelt es sich weder um eine eigentliche Durchgangsstrasse noch ist sie breit und durch eine mittlere Leitlinie aufgeteilt. Es ist eine gut frequentierte Landstrasse zweiter Ordnung.
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Die Waggitalstrasse weist erheblich weniger Verkehr auf und erschliesst vor allem die Weiler Waggital und Stocken. Entscheidend ist jedoch, dass es sich weder um eine Stich- oder Sackgasse handelt noch um eine nur in einer Richtung zu befahrende und nur wenige Häuser bedienende Strasse kurzer Distanz. Vielmehr ist es eine für jedermann offene in beiden Richtungen befahrbare Gemeindestrasse, die zwei andere Strassen verbindet und an der neben Wohn- und Bauernhäusern auch ein Schulhaus und ein Kindergarten liegen. Sie ist auf der ganzen Länge von 2 km asphaltiert und 4 m breit. Von einer einem Feldweg usw. vergleichbaren Strasse kann keine Rede sein.
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b) In subjektiver Beziehung ist dagegen gestützt auf die verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz festzuhalten, dass dem die Bergstrasse befahrenden Verkehrsteilnehmer bei der Annäherung an die Einmündung der Waggitalstrasse diese sich wie ein bedeutungsloses Feldsträsschen präsentiert (vgl. auch die Fotos). Dazu trägt bei, dass die Bepflanzung und BGE 107 IV, 47 (51)das anschliessende leichte Gefälle der Waggitalstrasse den Einblick auf diese behindern, sodass praktisch nur das vorderste Stück im Bereich der Kurvenleittafel sichtbar ist. Daher ist dem die Bergstrasse befahrenden Automobilisten keine schuldhafte Pflichtwidrigkeit vorzuwerfen, wenn er angesichts dieser Einmündung annimmt, es stehe ihm das Vortrittsrecht zu. Hat der Beschwerdegegner demgemäss nicht fahrlässig das Vortrittsrecht des aus der Waggitalstrasse einmündenden Fahrers missachtet, so wurde er von der Vorinstanz ohne Bundesrechtsverletzung freigesprochen.
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c) Das ändert jedoch nichts daran, dass an sich bei jener Einmündung das normale Vortrittsrecht gilt. Ein Ortskundiger müsste es gegen sich gelten lassen. Vor allem aber ist auch einem aus der Waggitalstrasse einmündenden Fahrer kein Vorwurf zu machen, wenn er dieses Vortrittsrecht für sich beansprucht. Er hat bereits ein erhebliches Stück (bis zu 2 km) auf einer 4 m breiten asphaltierten Strasse zurückgelegt und weiss darum, dass er sich nicht auf einem Feldweg befindet. Nichts deutet bei der Einmündung in die Bergstrasse darauf, dass sein Vortrittsrecht aufgehoben ist, weder ein Signal noch die örtliche Situation, wie sie sich ihm präsentiert: Er fährt auf einer ganz normalen Einmündung von einer asphaltierten Strasse in eine etwas breitere.
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