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30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Mai 1981 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 113 StGB; Totschlag; Entschuldbarkeit der heftigen Gemütsbewegung. | |
Sachverhalt | |
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Am 29. Januar 1979 - Frau R. war nach Lyss gekommen, um bei S. einige Kleider abzuholen - drehte sich das Gespräch einmal mehr um die gemeinsame Zukunft, um die grössere Wohnung, die wegen der Tochter X. gemietet werden sollte, und um gemeinsam zu verbringende Ferien. Während der Unterhaltung wurde Bier konsumiert. Gegen 22.00 Uhr begleitete S. seine Freundin zum ![]() | 2 |
B.- Am 18. April 1980 hat das Geschwornengericht des IV. Bezirks des Kantons Bern S. wegen Unzucht mit einer Schwachsinnigen (begangen am 2. September 1977) und wegen vorsätzlicher Tötung zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Gericht verfügte den Aufschub des Vollzugs der ausgesprochenen Strafe und die Einweisung des Verurteilten in eine geeignete Anstalt zur Behandlung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 44 StGB.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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aa) Das Geschwornengericht hat gestützt auf das psychiatrische Gutachten angenommen, S. habe sich im Verlaufe des Tatabends aus Enttäuschung über das Verhalten von Frau R. in eine derartige Wut hineingesteigert, dass er unter der Wirkung des Alkohols in einer heftigen Gemütsbewegung die Tötung beging. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in einem ausserordentlichen Affekt handelte. Die heftige Gemütsbewegung, in ![]() | 5 |
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (BGE 100 IV 151, BGE 82 IV 88), von der abzuweichen kein Anlass besteht, setzt der Begriff der Entschuldbarkeit voraus, dass die heftige Gemütsbewegung nicht nur psychologisch erklärbar, sondern bei objektiver Bewertung nach den sie auslösenden äussern Umständen gerechtfertigt ist; die Tötung muss dadurch bei ethischer Beurteilung in einem wesentlich mildern Licht erscheinen. Krankhafte Veranlagung des Täters vermag die Entschuldbarkeit einer an sich unverständlichen Reaktion nicht zu begründen. Abnorme Elemente in der Persönlichkeit des Täters sind bei der Bemessung der konkreten Tatschuld zu berücksichtigen, nicht bei der Beurteilung der Entschuldbarkeit, die nach allgemein ethischen Gesichtspunkten zu erfolgen hat (vgl. Binder, Der juristische und der psychiatrische Massstab bei der Beurteilung der Tötungsdelikte, ZStrR 67 S. 307 ff.). Eine heftige Gemütsbewegung ist nur dann im Sinne von Art. 113 StGB entschuldbar, wenn sie in Anbetracht der gesamten äussern Umstände menschlich verständlich erscheint, d.h. es muss angenommen werden können, auch ein anderer, an sich anständig Gesinnter wäre in der betreffenden Situation leicht in einen solchen Affekt geraten (Walder, ZStrR 81 S. 37/38). Dabei ist immer zu beachten, dass es bei der Anwendung von Art. 113 StGB nicht um die Entschuldbarkeit der Tat geht, sondern ausschliesslich um die Entschuldbarkeit der heftigen Gemütsbewegung (BGE 81 IV 155). Hat der Täter die Konfliktsituation, welche die Gemütsbewegung auslöste, selber verschuldet oder doch vorwiegend durch eigenes Verhalten schuldhaft herbeigeführt, so ist der Affekt nicht entschuldbar (Walder, a.a.O. S. 38).
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cc) Das Geschwornengericht hat im angefochtenen Entscheid unter Beachtung dieser Kriterien mit einlässlicher Begründung dargetan, dass der Beschwerdeführer nicht in einem nach der objektiven Sachlage verständlichen Affekt handelte, sondern dass die Tat nur aufgrund der teilweise krankhaften Persönlichkeitsentwicklung des Beschwerdeführers als Reaktion auf eine weitgehend von ihm selbst herbeigeführte Konfliktsituation erklärbar ist. Was in der Nacht vom 29./30. Januar 1979 zwischen S. und Frau R. vor sich ging, lässt sich nicht als eine Art Provokation des Täters durch sein Opfer deuten, welche die heftige Gemütsbewegung nach allgemeinen Massstäben menschlichen Verhaltens als entschuldbar erscheinen liesse, sondern es handelt sich um einen aus Veranlagung ![]() | 7 |
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