BGE 107 IV 194 | |||
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55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Oktober 1981 i.S. H. gegen Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 40 SVG, Art. 29 VRV. |
2. Radarwarnungen mittels der Lichthupe sind unnötige Warnsignale und sind deshalb nicht erlaubt (Erw. 1c). | |
Aus den Erwägungen: | |
1. a) Die Vorinstanz stützte ihren Entscheid auf Art. 29 Abs. 3 VRV, wonach Lichtsignale am Tage nur zulässig sind, um ausserorts einem voranfahrenden Motorfahrzeugführer das Überholen anzukündigen. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Wortlaut dieser Bestimmung sei zu eng und werde durch Art. 40 SVG nicht gedeckt. Die Verordnungskompetenz des Bundesrats nach Art. 106 SVG erlaube diesem nicht, den Begriff der Sicherheit des Verkehrs so einzuschränken, dass er am Tage Lichtsignale nur unter einer einzigen Voraussetzung als zulässig bezeichne. Nach der herrschenden allgemeinen Praxis würden am Tage Lichtsignale im Interesse der Verkehrssicherheit auch zu andern Zwecken verwendet.
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b) Nach Art. 40 SVG hat der Fahrzeugführer, wo die Sicherheit des Verkehrs es erfordert, die übrigen Strassenbenützer zu warnen, unnötige oder übermässige Warnsignale und Rufzeichen mit der Warnvorrichtung jedoch zu unterlassen. Ein Warnsignal ist also immer nötig und erlaubt, "wo die Sicherheit des Verkehrs es erfordert".
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In Ausführung dieser Bestimmung erliess der Bundesrat Art. 29 Abs. 3 VRV, wonach am Tage Lichtsignale nur zulässig sind, um ausserorts einem voranfahrenden Fahrzeugführer das Überholen anzukündigen. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist, gemessen an Art. 40 SVG, tatsächlich zu eng. Die Beschränkung des Art. 29 Abs. 3 VRV ist, wie das Bundesgericht kürzlich in einem nicht publizierten Entscheid (vom 15. Januar 1981 i.S. T.) ausführte, auch nicht sinnvoll und wird im täglichen Strassenverkehr vernünftigerweise nicht in vollem Umfange eingehalten, was die Polizei weiss und duldet. So wird regelmässig ein Fahrer, der im Nebel ohne Licht oder mit Standlicht fährt, durch Entgegenkommende mit der Lichthupe darauf aufmerksam gemacht - im Interesse der beidseitigen und der allgemeinen Sicherheit. Wer aus nebligem Tal in sonnige Höhen oder aus einem Tunnel ins Freie fährt und vergisst, die Scheinwerfer auszuschalten, dem wird dies zur Vermeidung unnötiger Blendung Entgegenkommender durch die Lichthupe angezeigt. Im dichten Strassenverkehr lädt ein Vortrittsberechtigter durch Verlangsamung und Lichtzeichen einen bei einer Verzweigung wartenden Automobilisten ein, vor ihm sich einzufädeln ("Reissverschluss") oder durchzufahren. Wer bei Gegenverkehr zu einem Überholmanöver ansetzen will oder schon angesetzt hat, wird oft, wiederum im Interesse der Verkehrssicherheit, durch ein Blinkzeichen des Entgegenkommenden auf die Gefahrensituation hingewiesen. Ein Signal mit der Lichthupe ist gelegentlich auch die zweckmässigste Warnung für einen Fussgänger, der ausserhalb des Fussgängerstreifens unachtsam auf die Fahrbahn tritt. In allen diesen nicht abschliessend aufgezählten Fällen kann die Verkehrssicherheit die Abgabe eines Warnsignals im Sinne von Art. 40 SVG erfordern oder rechtfertigen und ein Signal mit der Lichthupe kann hier wirkungsvoller und/oder für die übrigen Verkehrsteilnehmer und Anwohner weniger belästigend sein als der Gebrauch des Horns. Die Beschränkung der Lichthupe bei Tag auf die Ankündigung eines Überholmanövers widerspricht daher Art. 40 SVG. Die Verwendung der Lichthupe als Warnsignal muss auch bei Tag in allen Fällen erlaubt sein, wo die Sicherheit des Verkehrs es erfordert.
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c) Anders verhält es sich jedoch, wenn die Lichthupe ohne vernünftigen Grund verwendet wird, etwa zur Begrüssung eines andern Fahrers oder um diesem sein Missfallen wegen eines Fahrfehlers zu bekunden.
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Die private Radarwarnung ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht strafbar, sofern sie mit erlaubten Mitteln erfolgt (BGE 103 IV 186 ff.). Zu prüfen ist, ob die Radarwarnung mittels der Lichthupe zulässig sei.
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Im erwähnten nicht publizierten Entscheid hat das Bundesgericht die Verwendung der Lichthupe zum Zwecke der Radarwarnung als Verstoss gegen Art. 29 VRV bezeichnet. Daran ist festzuhalten. Radarwarnungen dienen zwar dazu, andere Verkehrsteilnehmer zur Einhaltung der im Interesse der Verkehrssicherheit aufgestellten Geschwindigkeitsbegrenzung anzuhalten. Es ist indessen grundsätzlich nicht Sache der Privaten, sondern der Behörden, die Fahrzeugführer zu regelgemässer Fahrweise zu veranlassen. Private sind nicht Verkehrspolizisten und "Belehrungen" auf der Strasse sind unerwünscht und verpönt. Der private Motorfahrzeugführer hat nicht darüber zu befinden, ob ein anderer die Höchstgeschwindigkeit überschreite (BGE 104 IV 195 E. 4). Wer mit der Lichthupe entgegenkommende Fahrzeugführer vor der Radarkontrolle warnt, tut dies im übrigen meist wahllos gegenüber jedem Entgegenkommenden und ist in der Regel (abgesehen von ganz krassen Fällen) nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Entgegenkommende die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalte oder nicht. Lichtsignale gegenüber korrekt Fahrenden sind aber unnötig und können zu Verwirrung Anlass geben. Radarwarnungen mit der Lichthupe sind demnach unnötige Warnsignale im Sinne von Art. 40 SVG und Art. 29 Abs. 4 VRV und deshalb nicht erlaubt. Die Schuldigerklärung des Beschwerdeführers erfolgte deshalb zu Recht.
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