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9. Urteil des Kassationshofes vom 30. März 1982 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen X. und Y. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 251, 335 Ziff. 2 StGB. | |
Sachverhalt | |
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B.- Die Staatsanwaltschaft erhob gegen X. und Y. Anklage wegen fortgesetzten Steuerbetrugs und fortgesetzter Urkundenfälschung.
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Das Bezirksgericht Bremgarten sprach die beiden Angeklagten von der Anschuldigung der fortgesetzten Urkundenfälschung frei, sprach sie des fortgesetzten Steuerbetrugs im Sinne von Art. 138 des aargauischen Steuergesetzes schuldig und verurteilte sie zu einem Monat Gefängnis (mit bedingtem Strafvollzug) sowie zu einer Busse von je Fr. 2'000.--.
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Eine gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Obergericht mit Entscheid vom 10. Dezember 1981 abgewiesen.
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C.- Gegen das Urteil des Obergerichtes führt die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei wegen Verletzung des Art. 251 StGB aufzuheben und die Sache sei zur Bestrafung der Angeklagten auch wegen Urkundenfälschung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D.- Die beiden Beschwerdegegner beantragen die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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a) Gemäss ständiger, unangefochtener Rechtsprechung, werden Urkundendelikte, welche ausschliesslich einer Schädigung des Fiskus dienen (ungerechtfertigte Herabsetzung der Steuerschuld), vom Fiskalstrafrecht erfasst; Art. 251 StGB kommt nicht zur Anwendung, wenn der angestrebte unrechtmässige Vorteil ein Steuervorteil ist, Herstellung oder Gebrauch einer unwahren oder gefälschten Urkunde sich also ausschliesslich auf das Steuerveranlagungsverfahren zu beziehen (vgl. BGE 106 IV 39; BGE 103 IV 39; BGE 101 IV 57). Fiskalstrafrechtliche Urkundendelikte sind in diesem Sinne dem Anwendungsbereich von Art. 251 StGB entzogen und nach den Spezialnormen des Steuerrechts zu beurteilen. Art. 251 StGB kann auch subsidiär nicht herangezogen werden BGE 81 IV 166 ff.).
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b) Dieser Grundsatz der Anwendbarkeit fiskalstrafrechtlicher Spezialnormen auf steuerliche Urkundendelikte (unter Ausschluss von Art. 251 StGB) wurde durch die Abgrenzungsregel eingeschränkt: Massgebend dafür, ob ein rein fiskalrechtliches Urkundendelikt vorliege oder ob Art. 251 StGB zum Zuge komme, sei nicht die Absicht des Täters, sondern die objektive Beweisbestimmung der Urkunde. So heisst es etwa in BGE 101 IV 57, dort, wo "der Schrift von Gesetzes wegen oder ihrer Natur nach eine besondere Beweisbestimmung" zukomme, wie das bei der Buchhaltung der Fall sei, müsse auf diese objektive Bestimmung der Urkunde abgestellt werden, nicht auf das Motiv des Täters (vgl. auch BGE 103 IV 39 /40, 177; BGE 91 IV 191; BGE 84 IV 167).
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Aus dieser Argumentation ergibt sich für die Abgrenzung zwischen fiskalstrafrechtlichem Delikt und Art. 251 StGB die objektive Beweisbestimmung der in Frage stehenden Urkunde als Kriterium: Bei Schriftstücken, die nach ihrer Natur für das Steuerverfahren bestimmt sind (wie Lohnausweise vgl. BGE 81 IV 166 ff.), kommen nur die Normen des Fiskalstrafrechts zum Zug. Geht es um Dokumente, welche objektiv auch für andere als steuerliche Zwecke verwendbar sind (wie Buchhaltung, vgl. BGE 101 IV 57, BGE 91 IV 191, Grundstückkauf-Vertrag, vgl. BGE 84 IV 167), so hat nach dieser Konzeption die Beurteilung gemäss Art. 251 StGB zu erfolgen.
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Jenny kommt zum Schluss, dass die Frage, ob die Urkunden-Tatbestände des Strafgesetzbuches oder ausschliesslich die besonderen Steuerstrafbestimmungen des Fiskalstrafrechts anzuwenden seien, nicht auf der Basis der objektiven Beweisbestimmung der jeweiligen Urkunde gelöst werden sollte. Er weist mit Recht darauf hin, dass objektiv jede Urkunde auch ausserhalb des Steuerrechtsverhältnisses bedeutsam werden kann, selbst wenn sie in erster Linie zu Steuerzwecken erstellt wurde (so etwa der Lohnausweis bei Darlehensgesuchen oder Verhandlungen über einen Mietvertrag). Nach der Auffassung Jennys muss der vom Täter verfolgte Zweck dafür massgebend sein, ob das Fiskalstrafrecht zum Zuge kommt oder Art. 251 StGB.
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SCHULTZ hat bei der Erörterung der Rechtsprechung des Jahres 1980 (in ZBJV 118 1982 S. 28/29) die Einführung eines subjektiven Erfordernisses in BGE 106 IV 38 begrüsst, gleichzeitig aber unter Erwähnung der Abhandlung von Jenny auf die Problematik der bundesgerichtlichen Abgrenzung hingewiesen, welche zu einer neuen Schuldform - Wissensschuld als Wissen um die Möglichkeit der Verwendung der Urkunde für nicht-fiskalische Zwecke - führen könnte.
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a) Die bisherige Rechtsprechung war im Ergebnis bestrebt, den Bereich des Art. 251 StGB gegenüber analogen fiskalstrafrechtlichen ![]() | 16 |
b) Auch wenn diese Konkurrenzregel im Sinne von BGE 106 IV 39 durch ein subjektives Erfordernis (Wissen des Täters um die objektive Möglichkeit nicht-fiskalischer Verwendung) ergänzt wird, hält der Leitgedanke der bisherigen Praxis einer grundsätzlichen Überprüfung nicht stand.
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Hat der Bundesgesetzgeber nach Doktrin und Praxis unbestrittenermassen die Täuschung des Fiskus mittels unwahrer Urkunden (zur Erlangung eines unrechtmässigen Steuervorteils) vom gemeinrechtlichen Urkundenstrafrecht (Art. 251 StGB) ausgenommen und der Spezialgesetzgebung überlassen, dann besteht kein stichhaltiger Grund, zu Steuerzwecken begangene Urkundendelikte doch wieder dem Art. 251 StGB zu unterwerfen, sobald das in Frage stehende Dokument an sich objektiv auch zu Beweiszwecken im nicht-fiskalischen Bereich Verwendung finden könnte. Auch wenn der Täter diese objektive Verwendbarkeit der Urkunde zu andern als steuerlichen Zwecken erkennen musste, so liegt darin kein Grund, um ein fiskalisches Urkundendelikt wegen dieser objektiven Möglichkeit einer nicht-fiskalischen Verwendung der zu Steuerzwecken gefälschten Dokumente gemäss Art. 251 StGB zu ahnden (sei es ausschliesslich oder - wie dies im vorliegenden Fall beantragt wird - in Konkurrenz zum Steuerdelikt).
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Es erscheint folgerichtig, jede konkrete Handlung je nach dem Vorsatz des Täters als Fiskalstraftat oder gemeinrechtliches Urkundendelikt zu qualifizieren. Die objektive Möglichkeit, dass ein in concreto für steuerliche Zwecke verwendetes Dokument auch in nicht-fiskalischen Zusammenhängen als Beweismittel zu gebrauchen wäre, hebt den Charakter des (von Art. 251 StGB ausgenommenen) Fiskaldeliktes nicht auf und vermag eine grundlegend andere strafrechtliche Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Lässt sich hingegen nachweisen, dass der Täter mit seiner Fälschung oder Falschbeurkundung nicht nur einen steuerlichen Vorteil erstrebte, ![]() | 19 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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