BGE 108 IV 41 | |||
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11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Mai 1982 i.S. K. und B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 70 und 273 StGB. |
2. Der "schwere Fall" i.S. von Art. 273 StGB ist ein bei der Feststellung der angedrohten Höchststrafe in Betracht fallendes Qualifikationsmerkmal, dessen Vorliegen in objektiver Weise unter Vernachlässigung aller den konkreten Fall berührender subjektiver Elemente zu prüfen ist (E. 2). |
3. Ein schwerer Fall des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes liegt vor, wenn der Verrat wirtschaftlicher Geheimnisse wegen ihrer grossen Bedeutung bzw. wegen ihres erheblichen industriellen Werts die nationale Sicherheit im wirtschaftlichen Bereich in bedeutendem Ausmass mitgefährdet (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 7. September 1981 entschied das Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft, dem Verfahren gegen K. und B. wegen des genannten Delikts zufolge Eintritts der Verjährung keine Folge zu geben. Zur Begründung wurde angeführt, der Regelstrafrahmen des Art. 273 StGB laute auf Gefängnis und es gelte daher die für Vergehen vorgesehene absolute Verjährungsfrist von siebeneinhalb Jahren
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Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft hob den erstinstanzlichen Entscheid am 16. Februar 1982 auf Appellation der Staatsanwaltschaft hin auf und wies die Sache zur Beurteilung an das Strafgericht zurück.
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C.- K. und B. führen in getrennten Eingaben Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Einstellung des Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft beantragt Abweisung der Beschwerden.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
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a) Nach Art. 70 StGB verjährt die Strafverfolgung in zehn Jahren, wenn die strafbare Tat mit Zuchthaus, und in fünf Jahren, wenn sie mit einer anderen Strafe "bedroht" ist. Das Bundesgericht hat diese Bestimmung in ständiger Rechtsprechung dahin verstanden, dass massgebend für die Dauer der Verjährungsfrist die Strafe ist, die das Gesetz auf die betreffende strafbare Handlung allgemein androht, und nicht die Strafe, die der Täter nach den Grundsätzen der Strafzumessung (Art. 63 ff. StGB) im Einzelfall verwirkt hat (BGE 104 IV 244 E. 1c, BGE 96 IV 32 E. 2, BGE 92 IV 123 u.a.m.). Diese abstrakte Betrachtungsweise findet sich im Gesetz in den Art. 9 und 101 bei der Unterscheidung zwischen Verbrechen, Vergehen und Übertretungen sowie in den Art. 68 und 350 StGB, wo für die Bestimmung der schwersten Tat ebenfalls auf das rein formale Merkmal der im Gesetz auf die Einzeltat angedrohten Höchststrafe abgestellt wird (BGE 93 IV 10, BGE 76 IV 264, BGE 71 IV 165, BGE 69 IV 37). Sie ist denn auch nicht nur dort anwendbar, wo für ein und denselben Tatbestand wahlweise zwei verschiedene Arten von Strafen angedroht werden, sondern auch in den Fällen, wo neben einem Grundtatbestand durch eigens umschriebene Qualifikationen gekennzeichnete Tatbestände mit besonderen Strafdrohungen vorgesehen sind, wie das beispielsweise bei Art. 137 Ziff. 2, 139 Ziff. 2, 140 Ziff. 2 u.a.m. zutrifft. Hier bestimmt die durch das gesetzliche Qualifikationselement bedingte Strafdrohung die Einreihung des Delikts in die Kategorie der Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen sowie die Dauer seiner Verjährung. Von dieser abstrakten Betrachtungsweise wollte übrigens das Bundesgericht weder in BGE 102 IV 203 E. 3 noch in dem in ZR 63/1964 Nr. 16 veröffentlichten Entscheid abgehen, hat es doch beiden Urteilen ausdrücklich den Grundsatz der abstrakten Beurteilung zugrunde gelegt.
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b) Art. 273 Abs. 3 StGB bedroht die in den Abs. 1 und 2 umschriebenen Tatbestände mit "Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus". Danach sind leichte und mittlere Fälle mit Gefängnis und schwere mit Zuchthaus zu ahnden. Hieran anschliessend hat das Bundesgericht in einem in ZR 63/1964 Nr. 16 veröffentlichten Urteil festgestellt, die unterschiedliche Strafdrohung sei hier nicht mit einer Änderung der Tatbestände verknüpft, vielmehr blieben die Tatbestandsmerkmale in schweren wie in leichten Fällen dieselben; ob ein Fall schwer sei oder nicht, sei nicht eine Frage des Tatbestandes, sondern der Strafzumessung. Weiter folgerte es, abstrakt, d.h. wenn die im einzelnen Fall in Betracht kommenden Strafzumessungsgründe ausser acht gelassen würden, sei jeder wirtschaftliche Nachrichtendienst mit beiden vorgesehenen Strafarten und infolgedessen mit Zuchthaus als Höchststrafe bedroht. Zwischen Art. 273 und anderen Strafbestimmungen mit wahlweiser Androhung von Zuchthaus oder Gefängnis bestehe kein grundsätzlicher Unterschied. Auch bei den letzteren bedeute der erweiterte Strafrahmen, dass innerhalb des nämlichen Tatbestandes zwischen schweren und leichteren Fällen unterschieden werden müsse und dass je nachdem auf Zuchthaus oder auf Gefängnis zu erkennen sei. Dass in Art. 273 StGB ausdrücklich hervorgehoben werde, was in anderen Bestimmungen mit verschiedener Strafdrohung nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafzumessung als selbstverständlich gelte, könne auf Gründe psychologischer oder gesetzespolitischer Art zurückzuführen sein, heisse aber nicht notwendig, dass hier ausnahmsweise auf die zuzumessende statt auf die allgemein angedrohte Strafe abzustellen sei.
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c) SCHULTZ (Einführung in den AT des Strafrechts, 4. Aufl., I S. 247 f.), der im Ergebnis von diesem Entscheid abweicht, geht zwar ebenso wie das Bundesgericht davon aus, dass die Dauer der Verjährung sich nach der abstrakten Strafdrohung und - wo verschiedene Strafarten vorgesehen sind - nach der schwereren unter ihnen bestimmt, unabhängig davon, ob im konkreten Fall das Verhängen der schwereren Strafart in Frage steht. Auch liegt er in der Linie jenes Entscheides, soweit er fordert, dass nur im einzelnen Fall mögliche Strafschärfungen oder -milderungen ausser Betracht zu bleiben haben. Diesen setzt er aber - anders als das Bundesgericht es getan hat - Strafschärfungen gleich, welche "einzig für schwere Fälle vorgesehen sind, z.B. in Art. 273". Entsprechend will auch STRATENWERTH (Schweizer. Strafrecht, AT I S. 99) alle Abwandlungen des ordentlichen Strafrahmens, deren Voraussetzungen das Gesetz nicht im einzelnen abschliessend umschreibt, deren Anwendung also von der richterlichen Einschätzung der Schwere des konkreten Delikts abhängt, für die Festlegung der Dauer der Verjährung unberücksichtigt lassen. Das gilt nach seiner Meinung für die zahlreichen Bestimmungen, die "in schweren Fällen" (z.B. Art. 266 Ziff. 2, 266bis Abs. 2, 273) bzw. in "leichten Fällen" (z.B. Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1, 225) oder "in besonders leichten Fällen" (z.B. Art. 144 Abs. 2, 251 Ziff. 3) eine höhere Strafe androhen bzw. den Strafrahmen herabsetzen. Und ebenso wäre nach Auffassung des genannten Autors zu entscheiden, wo das Gesetz Beispiele schwerer Fälle nennt (z.B. Art. 272 Ziff. 2), sie aber nicht abschliessend aufzählt. demgegenüber vertreten LOGOZ (Kommentar, 2. Aufl., N. 2 zu Art. 70 S. 387 oben) und THORMANN/V. OVERBECK (Kommentar N. 3 zu Art. 70) die Auffassung, dass Schärfungs- und Milderungsgründe des besonderen Teils bei Feststellung des gesetzlichen Höchstmasses der angedrohten Strafe und damit der Dauer der Verjährung zu berücksichtigen seien.
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d) Die in ZR 63/1964 Nr. 16 vom Bundesgericht vertretene Meinung, wonach zwischen Art. 273 StGB und anderen Strafbestimmungen, die wahlweise Zuchthaus oder Gefängnis androhen, kein grundsätzlicher Unterschied bestehe, indem auch bei den letzteren der Richter innerhalb des nämlichen Tatbestandes zwischen schweren und leichteren Fällen unterscheiden und je nachdem auf Zuchthaus oder auf Gefängnis erkennen müsse, vermag nach erneuter Prüfung nicht zu überzeugen. Zwar ist der Entwicklungsgeschichte des Art. 273 StGB wie des BB betreffend den Schutz der Sicherheit der Eidgenossenschaft vom 21. Juni 1935 (sog. Spitzelgesetz; AS n.F. 51/1935 S. 482), dessen Art. 4 im wesentlichen ins StGB übernommen wurde, nicht zu entnehmen, warum Abs. 3 so und nicht anders gefasst worden ist. Vom Wortlaut ausgehend liegt jedoch der Schluss nahe, dass diese Vorschrift nicht den gleichen Sinn haben kann wie die Strafbestimmungen mit wahlweiser Androhung von Gefängnis oder Zuchthaus, zumal kein Grund ersichtlich ist, warum der Gesetzgeber Art. 273 Abs. 3 StGB diesfalls nicht gleich hätte fassen sollen wie die letzteren. Das aber hat er gerade nicht getan. Vielmehr hat er für die leichten bis durchschnittlichen Fälle Gefängnis und für schwere Fälle Zuchthaus angedroht, was doch nur bedeuten kann, dass - unter Vorbehalt der Strafmilderungsgründe des allgemeinen Teils - im ersteren Fall nur auf Gefängnis und im zweiten nur auf Zuchthaus zu erkennen ist. Dafür, dass wirtschaftlicher Nachrichtendienst schlechthin mit Zuchthaus bedroht zu gelten habe, d.h. diese Strafdrohung allein die objektive Schwere des Delikts zum Ausdruck bringe, lässt sich somit der vom Gesetzgeber gewählten Fassung des Art. 273 Abs. 3 StGB nichts Sicheres entnehmen.
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e) Zu Zweifeln Anlass gibt aber auch die von Schultz und Stratenwerth vertretene These, derzufolge beim Tatbestand des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes nur die niedrigere der angedrohten Sanktionen, nämlich Gefängnis, nach Art. 9 und 70 StGB, erheblich wäre. Zwar trifft es zu, dass der Gesetzgeber die höhere, auf Zuchthaus lautende Strafdrohung hier nicht an ein Qualifikationsmerkmal geknüpft hat, das von ihm selber präziser umschrieben worden ist (wie z.B. bandenmässiger oder gewerbsmässiger Diebstahl oder Raub, Raub unter Bedrohung mit dem Tode u.a.m.). Das ist offenbar wegen der Vielfalt möglicher Erschwerungsgründe nicht geschehen, weshalb der Gesetzgeber sich gezwungen sah, auf die weite Formulierung "schwerer Fall" auszuweichen, es dem Richter überlassend, dem unbestimmten Rechtsbegriff seinen Gehalt zu geben. Damit verwies er jenen aber nicht einfach auf sein pflichtgemässes Ermessen wie bei der Strafzumessung, bei der das konkrete Täterverschulden unter Berücksichtigung von Schärfungs- und Milderungsgründen des allgemeinen Teils abzuschätzen und dementsprechend eine mehr oder weniger schwere Strafe innert des gesetzlichen Rahmens auszufällen ist. Vielmehr hat der Richter bei Art. 273 Abs. 3 StGB aus dieser besonderen Norm und ihrem Kontext heraus objektiv, d.h. unter Ausschluss der persönlichen Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, welche die Strafbarkeit des konkreten Täters berühren, zu bestimmen, was das Wesen eines schweren Falls wirtschaftlichen Nachrichtendienstes ausmacht; denn die daran anschliessende und für Art. 9 und 70 StGB massgebende Strafdrohung soll ja Ausdruck der objektiven Schwere der Tat sein (BGE 93 IV 11 E. 2b). Wo der Richter aber solcherweise verfährt, um festzustellen, worin ein schwerer Fall im Sinne des Art. 273 Abs. 3 StGB besteht, da unterscheidet sich seine Wertung qualitativ nicht von derjenigen, welche die Auslegung im einzelnen geregelter Qualifikationsmerkmale voraussetzt, in deren Umschreibung der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe einbezogen hat (z.B. Art. 112: besonders verwerfliche Gesinnung, besondere Gefährlichkeit; Art. 122 Ziff. 1 Abs. 3: eine andere schwere Schädigung des Körpers; Art. 137 Ziff. 2 letzter Abs. und 139 Ziff. 2 Abs. 4: besondere Gefährlichkeit; Art. 139 Ziff. 2 letzter Abs.: besondere Grausamkeit u.a.m.). Und doch wird im Schrifttum nicht behauptet, es werde mit der Bestimmung der Deliktsart nach der an solche Qualifikationen anschliessenden Strafdrohung wegen jener notwendigen richterlichen Wertung von der abstrakten Betrachtungsweise abgegangen.
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f) In Berücksichtigung des Gesagten erscheint die Auffassung von Logoz und Thormann/v. Overbeck, wonach die Schärfungs- und Milderungsgründe des besonderen Teils des StGB bei Feststellung des angedrohten gesetzlichen Höchstmasses der Strafe zu berücksichtigen seien, als jene mittlere Lösung, die das Richtige trifft, sofern der Richter dabei in objektiver Weise unter Vernachlässigung aller den konkreten Fall berührender subjektiver Elemente den Gehalt der betreffenden Qualifikationen feststellt. Demgegenüber muss der Hinweis auf das deutsche Schrifttum versagen, weil einerseits das deutsche StGB in § 12 Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, dass Schärfungen oder Milderungen, welche für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, für die Einteilung in Deliktskategorien ausser Betracht zu bleiben haben, und weil anderseits das deutsche Recht hierbei vom Mindeststrafmass und nicht von der angedrohten Höchststrafe ausgeht.
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