![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
47. Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1982 i.S. Zbinden gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 293 StGB; Auslegung des Begriffs "geheim"; Verhältnis zu Art. 22 GRN (SR 171.13). |
2. Die gesetzliche oder behördliche Erklärung bestimmt Dauer und Umfang der Geheimhaltung sowie den Kreis der dem Geheimhaltungsgebot unterstehenden Personen (E. 1b). |
3. Dem in Art. 22 GRN statuierten "Sitzungsgeheimnis" sind nicht nur die Verhandlungen, sondern auch deren Gegenstand bildende Unterlagen unterstellt, sofern sie nicht zum vornherein allgemein zugänglich sind (E. 1c und d). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Am späteren Nachmittag des 2. Juni 1980 erkundigte sich der Bundeshausredaktor der Tageszeitung "Blick", Jürg Zbinden, beim damaligen Mitglied der GPK, Nationalrat Georg Nef, nach Neuigkeiten im Fall Bachmann/Schilling, worauf dieser bemerkte, er sei im Besitz des diesbezüglichen Berichtes. Das Begehren Zbindens, ihm den Bericht auszuhändigen, lehnte Nef mit der Begründung ab, dass er diesen zuerst selber lesen müsse. Ungefähr zehn Minuten später traf Zbinden erneut auf Nationalrat Nef, der ihn dahin informierte, dass nichts Relevantes im Bericht stehe. Auf Anfrage Zbindens, ob er den Bericht zum Fotokopieren haben dürfe, um am darauffolgenden Tag in der Zeitung "Blick" einen Artikel darüber schreiben zu können, händigte Nationalrat Nef ihm Bericht und Beilage aus. Zbinden kopierte beide und gab sie kurz darauf an Nef zurück.
| 2 |
Unter dem Titel "Oberst Bachmann sollte neuen Geheimdienst aufziehen" veröffentlichte Zbinden in der Nummer 126 des "Blick" vom 3. Juni 1980 Auszüge und teils auch wörtliche Passagen aus beiden Dokumenten.
| 3 |
B.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte Zbinden am 8. April 1982 in Bestätigung eines Urteils des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 2. Juli 1981 wegen der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Art. 293 Abs. 1 StGB) zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 750.--.
| 4 |
5 | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
6 | |
a) Nach Art. 293 Abs. 1 StGB macht sich der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen schuldig, wer, ohne dazu berechtigt zu sein, aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch Beschluss der Behörde im Rahmen ihrer Befugnis als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt. Wie das Bundesgericht entschieden hat, liegt diesem Tatbestand der formelle Geheimnisbegriff ![]() | 7 |
b) Hängt nach dem Gesagten das Geheimhaltungsgebot von einer gesetzlichen oder behördlichen Erklärung ab, so kann diese - immer unter Vorbehalt des Amtsgeheimnisses und der militärischen Geheimhaltung - bestimmen, während welcher Dauer und in welchem Umfang Akten, Verhandlungen und Untersuchungen geheimzuhalten sind. Darüber hinaus folgt aus der formellen Natur des Geheimnisbegriffs des Art. 293 StGB, dass durch die genannte Erklärung auch der Kreis derjenigen Personen umschrieben werden kann, die Kenntnis von den fraglichen Akten, ![]() | 8 |
c) Bezieht man in das Gesagte die Regelung des Art. 22 GRN ein, so ergibt sich als erstes, dass diese Bestimmung hinsichtlich der Kommissionsverhandlungen, die allein ausdrücklich erwähnt werden, ein sog. Sitzungsgeheimnis anordnet, mit der Bedeutung, dass über solche Verhandlungen die Kommissionsmitglieder und die anderen Sitzungsteilnehmer so lange nicht öffentlich berichten dürfen, bis Presse, Radio und Fernsehen durch das von der Kommission bezeichnete Mitglied orientiert worden sind (BGE 107 IV 185). Auch danach unterliegen sie noch in dem Masse jenem Geheimhaltungsgebot, als sie nicht bekanntmachen dürfen, wie andere Teilnehmer Stellung bezogen haben (Abs. 2).
| 9 |
Soll dieser für die Verhandlungen geltende Ausschluss der Öffentlichkeit seinen Zweck erfüllen, so muss es der Kommission aber auch anheimgestellt sein, Unterlagen, die Gegenstand ihrer Verhandlungen bilden und nicht a priori allgemein zugänglich sind (wie z.B. Vorlagen mit der Botschaft des Bundesrates, die schon vor der Behandlung durch parlamentarische Kommissionen gedruckt herausgegeben werden), dem Sitzungsgeheimnis zu unterstellen. Das folgt ohne weiteres aus dem Sinn jener Ordnung und erhellt auch aus dem öffentlichen Interesse an einer möglichst freien und durch keinerlei unzeitige Beeinflussung beeinträchtigten Meinungsbildung in einer parlamentarischen Kommission (BGE 107 IV 188 E. 2a und Urteil des Kassationshofes zur staatsrechtlichen Beschwerde Zbindens, Nr. P. 1280/82 vom 17.9.1982, E. 1c).
| 10 |
d) Der Umstand, dass nach Art. 22 Abs. 3 GRN die Kommissionsmitglieder dem Sitzungsgeheimnis unterstellte Tatsachen den Mitgliedern und Funktionären ihrer Fraktion bekanntgeben dürfen, ändert an dem formell geheimen Charakter solcher Mitteilungen nichts, weil diese Personen in derselben Bestimmung ausdrücklich verpflichtet werden, solche Mitteilungen nicht bekanntzumachen (s. oben lit. b). Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, dass Art. 22 Abs. 3 GRN nicht von geheimen, sondern von vertraulichen Mitteilungen spricht. Gerade die Tatsache, dass das ![]() | 11 |
e) Nach dem Gesagten ist nicht ersichtlich, inwiefern bei diesen sich ohne weiteres aus dem genannten Reglement ergebenden Schlüssen Art. 22 GRN der gebotenen Klarheit ermangeln sollte. Soweit die Beschwerde das behauptet, erweist sie sich als unbegründet.
| 12 |
13 | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 14 |
15 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |