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8. Urteil des Kassationshofes vom 24. Januar 1983 i.S. X. gegen E. und Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. | |
Sachverhalt | |
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"Damit erklären sich die Parteien per Saldo aller gegenseitigen
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Ansprüche als auseinandergesetzt."
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Am 6. Januar 1981 erstattete E. gegen X. Strafanzeige und, soweit erforderlich, Strafantrag. X. reichte im kantonalen Verfahren eine von ihm verfasste Aufstellung der Nebenkosten für die von E. in den Jahren 1974-1979 gemieteten Wohnungen ein. Daraus ergibt sich, dass die Akontozahlungen des E. für Heizung und Warmwasser, bezogen auf die gesamte Mietdauer, die effektiven Kosten um Fr. 275.15 überstiegen, dass hinsichtlich der übrigen Nebenkosten ein Fehlbetrag von Fr. 102.50 resultierte und E.
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Im weiteren Verlauf der Strafuntersuchung stellte sich heraus, dass X. auch anderen Mietern, die Akontozahlungen an die Heizungs- und Warmwasserkosten geleistet hatten, weder eine diesbezügliche Abrechnung zugestellt noch zuviel bezahlte Gelder zurückerstattet hatte. X. machte dazu geltend, er habe geringe Differenzen zwischen Akontozahlungen und effektiven Heizungs- und Warmwasserkosten zu seinen Gunsten oder seinen Lasten jeweils nicht ausgeglichen. Zudem vertrat er die Meinung, die Akontozahlungen der Mieter für Heizung und Warmwasser seien nicht anvertrautes Geld im Sinne von Art. 140 StGB.
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B.- Das Kantonsgericht des Kantons Appenzell A.Rh. (1. Instanz) sprach X. am 24. September 1981 der wiederholten Veruntreuung schuldig und verurteilte ihn zu fünf Wochen Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es ging davon aus, dass X. zu Lasten von vier Mietern einen Geldbetrag von insgesamt über Fr. 700.-- veruntreut hatte. Auf Appellation des Verurteilten bestätigte das Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh. am 26. Januar 1982 diesen Entscheid im Schuld- und Strafpunkt.
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C.- Der Verurteilte führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Appenzell A.Rh. sei aufzuheben und die Sache sei zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D.- Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh. sowie E. beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Vorinstanz beruft sich zur Begründung ihrer gegenteiligen Ansicht auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach im Sinne von Art. 140 StGB anvertraut ist, was dem Täter übergeben ![]() | 11 |
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a) Die Parteien haben im Mietvertrag nicht eine bestimmte Verwendung der Akontozahlungen, eine "strenge" Zweckgebundenheit vereinbart, wie das Obergericht allein gestützt auf den Wortlaut des vorgedruckten Formularvertrages annimmt. Aus dem Mietvertrag lässt sich nicht ableiten, der Vermieter habe die Akontozahlungen der Mieter gewissermassen als deren Beauftragter zur Besorgung der Heizung (Kauf von Heizöl, Unterhaltsarbeiten, Überwachung etc.) verwenden müssen. Der Mietvertrag bezeichnet nicht den Verwendungszweck der Akontozahlungen, sondern benennt in Ziff. 18 die Gegenleistung des Vermieters. Dieser verpflichtet sich zur ordnungsgemässen Beheizung des Mietobjekts, und der Mieter verpflichtet sich, die Kosten für die dazu erforderlichen, in Ziff. 18 des Vertrages aufgezählten Vorkehrungen zu tragen. Ob es sich bei den Leistungen der Mieter um Akontozahlungen oder um Pauschalzahlungen handelt, ist im vorliegenden Fall belanglos. In beiden Fällen liegt ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung vor und darf der Vermieter und Hauseigentümer über die Zahlungen der Mieter frei verfügen. Zahlungen "a conto" werden vereinbart, wenn nach dem Willen der Vertragsparteien der Mieter die effektiven Kosten tragen soll. Die sich daraus ergebende Notwendigkeit einer Abrechnung begründet die Abrechnungspflicht des Vermieters und ![]() | 13 |
b) Die hier zu beurteilenden Akontozahlungen unterscheiden sich, wie der Beschwerdeführer zutreffend geltend macht, nicht wesentlich von Akontozahlungen an das Honorar eines Architekten oder eines Anwalts. Sie sind Vorauszahlungen für eine Gegenleistung, deren Wert sich im Zeitpunkt der Vorauszahlung noch nicht genau bestimmen lässt und die daher "a conto" erfolgen. Ob die Zahlungen "a conto", also unter Vorbehalt einer Abrechnung nach der Erbringung der Gegenleistung, oder pauschal erfolgen, ändert am Gegenstand des Vertrages nichts. Dass der Empfänger der Geldleistung allenfalls mit Dritten (Lieferanten, Arbeitnehmern etc.) in Kontakt treten muss, um die Gegenleistung überhaupt erbringen zu können, bedeutet für sich allein nicht, dass er die Zahlungen, die er - a conto oder pauschal - erhält, gerade zur Befriedigung der Forderungen dieser Dritten verwenden müsste, ihm diese Zahlungen also zu einer bestimmten Verwendung übergeben und somit anvertraut worden seien (siehe auch J. REHBERG, ZStrR 98/1981, S. 367/8; J. REHBERG, ZStrR 92/1976, S. 45/6; LUKAS SCHAUB, Die unrechtmässige Verwendung anvertrauten Gutes, S. 91). Das Tatbestandsmerkmal des "Anvertrauens" im ![]() | 14 |
c) Wollte man der Betrachtungsweise der Vorinstanz folgen, so wäre praktisch jeder Vertragspartner, der zuviel erhaltene Akontozahlungen nicht zurückerstattet, wegen Veruntreuung zu bestrafen. Fast immer kann nämlich gesagt werden, der Empfänger habe die Vorauszahlung erhalten, damit er eine bestimmte Gegenleistung erbringe, die Vorauszahlung sei also zu einem bestimmten Zweck erfolgt und daher anvertraut. Diese Argumentation übersieht, dass zwischen dem bestimmten Verwendungszweck im Interesse eines andern im Sinne der bundesgerichtlichen Definition des "Anvertrautseins" und der Relation von Leistung und Gegenleistung in einem synallagmatischen Vertragsverhältnis ein wesentlicher Unterschied besteht, der häufig zufolge ungenauer sprachlicher Formulierung nicht erkannt wird.
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d) Die Staatsanwaltschaft macht in ihrer Vernehmlassung zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde noch geltend, dass Heizkostenvorschüsse nicht einfach Akontozahlungen etwa des Bestellers bei Werkverträgen gleichgestellt werden können. Der Unterschied liege darin, dass dem Empfänger von Heizkostenvorauszahlungen eine mehr oder weniger grosse Zahl von Treugebern (Mietern) gegenüberstehe, deren Rechte und Pflichten aus diesem Abrechnungsverhältnis untereinander verbunden seien und die miteinander die Gesamtheit der Heizkosten zu zahlen haben, und zwar im Verhältnis des von ihnen genutzten Wohnraums. Inwiefern zufolge dieses "Systems von untereinander verbundenen Ansprüchen" die Annahme des Anvertrautseins als gerechtfertigt erscheint, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Vernehmlassung meint, ist nicht ersichtlich. Ob ein oder zehn Mieter im Hause des Beschwerdeführers wohnen, ist in bezug auf das Rechtsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter belanglos. Sollte die Staatsanwaltschaft andeuten wollen, der Hauseigentümer habe als Beauftragter der Gesamtheit der Mieter auf deren Rechnung für die Heizung sorgen, zu diesem Zweck mit Dritten (Lieferanten etc.) Kontakt aufnehmen und diese Dritten aus den Akontozahlungen der Mieter entschädigen müssen, so wäre dies aus den bereits dargelegten Gründen verfehlt.
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