![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. April 1985 i.S. G. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG. Schwerer Fall bei Drogengemengen. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
![]() | 2 |
Am 28. Juni 1984 sprach das Obergericht des Kantons Bern G. im vorgenannten Fall des vollendeten Versuchs einer schweren Widerhandlung gegen das BetmG schuldig und bestätigte die von der ersten Instanz ausgesprochene Strafe.
| 3 |
C.- G. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei hinsichtlich des auf Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG und Art. 22 StGB gestützten Schuldspruchs sowie der Strafzumessung und der Verweigerung des bedingten Strafvollzugs aufzuheben und die Sache sei zu neuer Entscheidung zurückzuweisen.
| 4 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
| 5 |
aus folgenden Erwägungen: | |
6 | |
Zur Beurteilung steht somit, ob der Handel mit mehr als 12 g gestrecktem Heroin, dessen Reingehalt aber weniger als 12 g beträgt, als schwerer Fall unter Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG zu subsumieren sei, mit andern Worten: welche Bedeutung dem Reinheitsgrad gestreckter Betäubungsmittelmengen zukommt.
| 7 |
2. Das Bundesgericht erklärte in BGE 109 IV 145, zur Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen (zwanzig Personen) genügten 12 g Heroin, 18 g Kokain oder 4 kg Haschisch. Diese Gewichtsangaben betrafen Mengen reinen Drogenwirkstoffes. Da Kokain und insbesondere Heroin in der Praxis aber kaum in reiner ![]() | 8 |
a) Die eigentlichen Straftatbestände (Widerhandlungen gegen das BetmG) sind in Art. 19 Ziff. 1 BetmG umschrieben. Dass der Beschwerdeführer bei einer Herointransaktion half, indem er den Stoff entgegennahm und transportierte, ist unbestritten. Zumindest einer der Tatbestände von Art. 19 Ziff. 1 (Abs. 3 "befördert") BetmG ist somit erfüllt, und zwar handelt es sich nicht um einen Versuch, sondern um das vollendete Delikt der Beförderung von Betäubungsmitteln.
| 9 |
b) Umstritten ist, ob der Qualifikationsgrund des schweren Falles zur Anwendung kommen kann.
| 10 |
Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist in tatsächlicher Hinsicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die transportierte Stoffmenge - rund 100 g - kannte, aber nicht wusste, dass es sich um stark verdünnte Ware handelte, deren Reingehalt an Heroin-Hydrochlorid nur 7,7 g ausmachte.
| 11 |
Von den drei Beispielen, die als Richtlinie für den Begriff des schweren Falles in Ziff. 2 von Art. 19 BetmG erwähnt werden, kommt für den vorliegenden Sachverhalt nur lit. a in Betracht. Danach liegt ein schwerer Fall insbesondere vor, "wenn der Täter weiss oder annehmen muss, dass sich die Widerhandlung auf eine Menge von Betäubungsmitteln bezieht, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann". Hiermit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Stoffmenge die Grundlage für die Annahme eines schweren Falles sein kann. Weil sich die Bestimmung der als Qualifikationsgrund in Betracht fallenden Menge nicht generell für alle Betäubungsmittel mit einer Gewichts- oder Volumenangabe festlegen lässt, wird vom Gesetz als massgebend bezeichnet, ob die betroffene Betäubungsmittelmenge ausreichen könnte, um die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr zu bringen. Mit dieser Umschreibung des die Qualifikation als schwerer Fall begründenden Gefährdungspotentials wird nicht die konkrete Verteilung und Verwendung des Stoffes erfasst, sondern das aus der Stoffmenge sich ergebende abstrakte Risiko. Auch wenn in einem konkreten Fall eine für die gesundheitliche Gefährdung vieler Menschen ausreichende Stoffmenge nachgewiesenermassen nur an einen einzelnen oder an wenige Drogenkonsumenten geht, so ist der in der grossen Menge liegende Qualifikationsgrund trotzdem gegeben.
| 12 |
![]() | 13 |
c) Bezieht sich die Widerhandlung auf eine Stoffmenge, welche gewichtsmässig klarerweise über der im erwähnten Präjudiz berechneten Limite liegt, aber wegen starker Verdünnung einen unter der Limite liegenden Gehalt an reinem Stoff aufweist und damit theoretisch ein geringeres Gefährdungspotential darstellt, als nach Gewicht und Volumen des Stoffgemenges gemäss den Berechnungen anzunehmen wäre, so entfällt damit der Qualifikationsgrund der grossen Stoffmenge nicht. Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG setzt - für die Annahme eines schweren Falles wegen der erheblichen Stoffmenge - nicht den Nachweis des in BGE 109 IV 145 berechneten Gefährdungspotentials voraus. Es ging in diesem Präjudiz nur darum, aufgrund der Angaben der Fachleute festzulegen, welche Mengen reinen Stoffes etwa unter Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG zu subsumieren sind. Der Qualifikationsgrund des schweren Falles ist sinngemäss auch anzunehmen, wenn die strafbare Handlung sich auf eine gestreckte Stoffmenge bezieht, welche nach ihrem Gewicht erlaubt, so viele übliche Dosen zu bilden, dass viele Menschen (mindestens 20) damit über einen Zeitraum versorgt werden können, der ausreicht, um bei einem drogenunerfahrenen Konsumenten das Risiko einer Abhängigkeit zu schaffen. Ist die Gefahr der Suchterzeugung wegen der starken Verdünnung theoretisch geringer, als nach der gesamten (verdünnten) Stoffmenge anzunehmen wäre, so entlastet dies den Täter, der den Reinheitsgrad nicht kennt und sich nicht darum kümmert, in keiner Weise. Seine Widerhandlung im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 BetmG bezieht sich auf eine Menge, von der er annehmen muss, sie könnte (wegen der Anzahl möglicher Einzeldosen) die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen. Nachträgliche Feststellungen über einen geringeren Reinheitsgrad stehen dem Vorwurf der in der Stoffmenge begründeten Schwere der Verfehlung nicht entgegen. Das Handeln im Bewusstsein, dass es um eine Quantität geht, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann, rechtfertigt die Annahme eines schweren Falles unabhängig von der genauen Feststellung des Reinheitsgrades und von Unterschieden in der ![]() | 14 |
d) Aber auch wenn der Täter vom geringeren Reinheitsgrad Kenntnis hat, z.B. weil er selber die Verdünnung des Stoffes vornahm, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Abzustellen ist letztlich immer darauf, ob die Stoffmenge für eine so grosse Anzahl von üblichen Einzeldosen ausreicht, dass viele Menschen (mindestens 20) während einer längeren Zeit versorgt und damit in die Gefahr einer Abhängigkeit gebracht werden können. Dass ein Hersteller oder Händler unter Täuschung der Abnehmer Betäubungsmittelsubstanz mit viel geringerem Reingehalt anbietet, rechtfertigt es nicht - trotz der grossen Menge -, vom Qualifikationsgrund des schweren Falles abzusehen. Die Möglichkeit der Versorgung von vielen (mindestens 20) neuen drogenunerfahrenen Konsumenten besteht auch in diesem Fall. Dass das Gefährdungspotential nach der Berechnung der Fachleute infolge der (meist betrügerischen) übermässigen Streckung des Stoffes geringer ist, lässt das deliktische Vorgehen gesamthaft nicht als weniger schwer erscheinen. Die Injektion von Drogen, welche mit giftigen Stoffen oder mit harmlosen Stoffen aber unsteril gemischt wurden, kann zu erheblichen gesundheitlichen Schädigungen führen; und Drogen, welche mit harmlosen Stoffen und steril vermischt wurden, können die Konsumenten zu stärkeren Dosierungen verleiten mit der Folge, dass ebenfalls gesundheitliche Schädigungen oder gar der Tod eintreten können, wenn der betreffende Konsument zwischenhinein von einem andern Händler bedeutend reineren Stoff erhält und diesen in der bisher gewohnten starken Dosierung appliziert. Diese Gefährdungen sind bei einer stark verdünnten Substanz nicht geringer und beziehen sich abstrakt auf so viele Personen, wie mit der Gesamtmenge versorgt werden können.
| 15 |
e) Der unbestimmte Rechtsbegriff des schweren Falles, der vom Gesetzgeber in Ziff. 2 von Art. 19 BetmG durch Beispiele erläutert, aber nicht abschliessend umschrieben wird, ist nach der ratio legis so auszulegen, dass eine Betäubungsmittelmenge, welche die in BGE 109 IV 145 berechneten Grenzwerte übersteigt, auch dann ![]() | 16 |
17 | |
18 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |