BGE 111 IV 127 | |||
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33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. November 1985 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 139 Ziff. 3 StGB. Lebensgefahr des Opfers. | |
Aus den Erwägungen: | |
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Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, der vorgenannte Sachverhalt sei unter Art. 139 Ziff. 1bis StGB (Mitführen einer Schusswaffe), statt unter den von der Vorinstanz in Anwendung gebrachten Art. 139 Ziff. 3 StGB (Lebensgefahr des Opfers) zu subsumieren; die entsprechende bundesgerichtliche Rechtsprechung sei angesichts der hiezu publizierten Kritik seitens der Lehre zu überprüfen.
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a) Was den sinngemässen Vorwurf betrifft, das Bundesgericht habe sich mit dem genannten Entscheid über den "wirklichen" Willen der seinerzeitigen Expertenkommission hinweggesetzt, ist zunächst festzuhalten, dass - selbst wenn die Protokolle der Kommissionsberatungen klare und konkrete Vorschläge zur Begriffsbestimmung der "Lebensgefahr" enthalten hätten - diese für den zur Diskussion stehenden Bundesgerichtsentscheid nicht allein massgebend sein konnten. Die erwähnten Protokolle lassen indessen eine konkrete Umschreibung des Inhalts der neuen Qualifikation vermissen; was eine "echte" Lebensgefahr für das Opfer (Gerber, Protokoll S. 220; Noll, Protokoll S. 221) mit Bezug auf den damals wie heute im Mittelpunkt des Interesses stehenden Raub unter Einsatz von Schusswaffen im einzelnen ausmachen sollte, blieb offen. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers liegen auch seitens des Gesetzgebers keine konkreten Hinweise dafür vor, dass er das neue Qualifikationsmerkmal der Lebensgefahr gegenüber der bundesgerichtlichen Auslegung des früheren Gesetzestextes enger begrenzen wollte (vgl. BGE 109 IV 109 E. 2b).
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b) Wohl wird in einem Teil der Lehre die Auffassung vertreten, die Lebensgefahr des Opfers sei beispielsweise bei der "Bedrohung mit einer entsicherten Waffe zu bejahen (STRATENWERTH, BT I, 3. Aufl. S. 219)", bzw. die neue Fassung habe "allenfalls insofern eine kleine Einengung gebracht, als nicht schon das Drohen mit der geladenen, sondern erst das Drohen mit der geladenen und entsicherten Waffe für die Bejahung der Lebensgefahr genügt", wobei eine solche (allfällige) Verschiebung gleich anschliessend als eine "geringfügige und zudem zweifelhafte" bezeichnet wird (ARZT, ZStrR 100/1983 S. 269).
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Der Versuch, die Grenze zwischen der abstrakten und konkreten Lebens- bzw. Todesgefahr mit dem Kriterium der Waffensicherung zu ziehen, lässt jedoch ausser acht, dass eine geladene Waffe in der Regel in Sekundenschnelle und ohne Mühe entsichert oder durchgeladen werden kann (BGE 109 IV 109, BGE 107 IV 112, 105 IV 302 E. 2). Auch können Aufregung, unvorhergesehene Reaktion des Opfers, Eingreifen eines Dritten usw. gerade bei Gelegenheitsdelinquenten zu einer plötzlichen Fehlreaktion und damit zur Schussabgabe führen, und zwar selbst dann, wenn der Täter vorher beabsichtigt hatte, von der Waffe keinen Gebrauch zu machen. Dazu kommt - ebenso wie bei der Frage der Verwirklichungsbereitschaft (vgl. BGE 105 IV 302 E. 2) - die praktische Überlegung, dass im Falle der Bestreitung schwer nachzuweisen wäre, ob die Waffe tatsächlich gesichert war (BGE 109 IV 109). Die bezüglich der Waffensicherung geäusserten Lehrmeinungen vermögen diese Erfahrungstatsachen nicht zu entkräften und sind daher nicht geeignet, das Bundesgericht zur Änderung seiner mit BGE 109 IV 106 begründeten Praxis zu Art. 139 Ziff. 3 revStGB zu veranlassen.
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c) Zu einer Änderung dieser Praxis besteht auch aus kriminalpolitischer Sicht kein Grund. Die in der Lehre (vgl. SCHULTZ in ZStrR 101/1984 S. 120, ZBJV 121 S. 42/43) gezogenen Vergleiche zum deutschen Recht, welches bereits für das Mitführen einer Schusswaffe ein Strafminimum von fünf Jahren Freiheitsentzug vorsieht (§ 250 Abs. 1 Ziff. 1 dStGB) und dabei genügen lässt, dass die Waffe "einsatzbereit und tauglich oder doch jederzeit einsatzfähig zu machen" ist, überzeugen nicht (SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, 21. Aufl., Rn 4 S. 1482/83). Die Parallele zu § 250 Abs. 1 Ziff. 3 dStGB, der ebenfalls ein Strafminimum von 5 Jahren androht, wenn der Täter "durch die Tat einen anderen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Körperverletzung bringt", ist insoweit nicht stichhaltig, als diese Bestimmung als Schutzgut einen weiteren Personenkreis erfasst. Art. 139 Ziff. 3 revStGB nennt ausdrücklich die Lebensgefahr des "Opfers" und will damit der speziellen Spannungssituation zwischen dem Täter und denjenigen Personen, bei denen die Wegnahme erzwungen werden soll, bzw. deren besonders intensiven Gefährdung, Rechnung tragen. Bei § 250 Abs. 1 Ziff. 3 dStGB dagegen braucht der gefährdete andere weder der Beraubte selbst noch eine Person zu sein, von der Widerstand geleistet oder erwartet wird; vielmehr genügt auch die Gefährdung Unbeteiligter (z.B. bei der Abwehr Dritter oder die bei Flucht des Täters mit seinem Auto für Passanten entstehende Gefährdung; SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, a.a.O., Rn 22/23 S. 1485).
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