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36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Oktober 1985 i.S. Frau S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 157 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; Wucher. | |
Sachverhalt | |
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Im Frühjahr 1972 verschwand Dr. S. und hinterliess einen grossen Schuldenberg (zwischen Fr. 365'000.-- und Fr. 385'000.--), welchen Frau S. in der folgenden Zeit liquidierte. Seit 1973 bestand zwischen Frau S., ihrer Familie (fünf Kinder) und Dr. H., der seit 1970 verwitwet war, ein enges freundschaftliches Verhältnis. Dr. H. gewährte Frau S. finanzielle Unterstützung durch sporadische Zahlungen (in unbestimmter Höhe von ca. Fr. 1000.-- pro Monat) und durch grössere Summen zu einem bestimmten Zweck oder bei einem besondern Anlass: So ermöglichte er mit mindestens Fr. 180'000.-- (wahrscheinlich Fr. 225'000.--) die Übernahme des ehelichen Hauses durch Frau S., gab ihr im Zusammenhang mit ihrem 50. Geburtstag rund Fr. 50'000.-- und machte in ![]() | 2 |
B.- Am 16. Januar 1981 reichten Dr. H., der wenige Monate später verstarb, und seine beiden Töchter beim Bezirksamt Baden gegen Frau S. Strafanzeige ein. Sie beschuldigten Frau S., sie habe das bestehende Vertrauensverhältnis zwischen ihr und Dr H. in ein eigentliches Abhängigkeitsverhältnis verwandelt und von 1972 bis 1980 praktisch das gesamte Vermögen des Dr. H. auf wucherische Art an sich gebracht.
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Das Bezirksgericht Baden sprach Frau S. am 4. Mai 1984 von der Anklage des Wuchers frei. Das Obergericht des Kantons Aargau hingegen hiess am 4. Juli 1985 die Berufung der Staatsanwaltschaft gut und verurteilte Frau S. wegen fortgesetzten Wuchers zu 12 Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug und zu einer Busse von Fr. 5000.--.
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C.- Gegen das Urteil des Obergerichtes führt Frau S. Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zum Freispruch an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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aa) einerseits dadurch, dass der Täter sich (oder einem andern) "für eine Vermögensleistung Vermögensvorteile gewähren oder versprechen lässt, die mit der Leistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen" und
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b) Während die erste Instanz das Vorliegen eines entgeltlichen Vertrages als Grundgeschäft verneinte und daher eine Bestrafung wegen Wuchers ablehnte, hat das Obergericht angenommen, bei den im Laufe von neun Jahren erfolgten Zahlungen könne es sich nicht "restlos um freiwillige Leistungen bzw. Geschenke" gehandelt haben; die Beschwerdeführerin habe Leistungen (persönliche Betreuung, Schreibarbeiten) erbracht, für welche sie eine Entlöhnung gemäss Art. 319 ff. OR hätte durchsetzen können, falls sie nicht entsprechend ihren Erwartungen entschädigt worden wäre.
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Dass die Beschwerdeführerin allenfalls für gewisse Dienstleistungen einen Lohn hätte fordern können, macht jedoch die hier in Frage stehenden grossen Zuwendungen nicht zum Inhalt eines Arbeitsvertrages. Nach den festgestellten Tatsachen ist offensichtlich, dass Dr. H. mit seinen Zahlungen nicht einfach die Hilfe der Beschwerdeführerin im Rahmen eines entgeltlichen Vertrages finanziell abgelten wollte, sondern dass es ihm darum ging, Frau S. und ihre Kinder zu unterstützen, und zwar ohne Rücksicht auf das Ausmass eines allfälligen Entschädigungsanspruches für die ihm geleisteten Dienste. Vor allem die grossen Beträge - wie Fr. 225'000.-- für die Auslösung des Hauses, Fr. 50'000.-- zum 50. Geburtstag usw. - erfolgten nicht als Gegenleistung, sondern wegen des akuten Bedarfs der Familie S. (Sicherung des Hauses) oder aus andern Gründen (Geburtstag). Diese Zuwendungen, welche Dr. H. vor seinen Angehörigen verheimlichen wollte, erfolgten unentgeltlich und sind als Schenkungen zu betrachten. Dass angesichts der persönlichen Beziehungen und des Umfangs der von Dr. H. geleisteten finanziellen Unterstützung sich die Frage einer Entlöhnung für die von der Beschwerdeführerin geleisteten Dienste gar nicht stellte, ist selbstverständlich. Indem das Obergericht die Zuwendungen gesamthaft als arbeitsvertragliches Entgelt betrachtete und sie unter diesem Gesichtswinkel als wucherisch (in einem offenbaren Missverhältnis zur Gegenleistung stehend) bezeichnete, hat es die festgestellten Tatsachen unzutreffend subsumiert und damit das Bundesrecht verletzt.
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Richtigerweise sind die grossen Zahlungen von Dr. H. nicht als vertragliche Gegenleistung, sondern als Schenkung zu qualifizieren. Nach Art und Umfang der Zahlungen kann kein Zweifel bestehen, dass Dr. H. mit diesen Beträgen im wesentlichen nicht Arbeitsleistung entschädigen, sondern der Familie S. helfen und ![]() | 12 |
c) Obergericht und Anklagebehörde verkennen nicht, dass die Zuwendungen wohl im wesentlichen als Schenkungen gemeint waren. Im angefochtenen Urteil wird daher im Anschluss an die Konstruktion einer offensichtlich übersetzten vertraglichen Gegenleistung noch festgehalten, im übrigen könne auch der Schenkungsvertrag als wucherisches Rechtsgeschäft durchaus geeignet sein. Dass die Annahme einer Schenkung als Wucher strafbar sein könnte, widerspricht dem Wortlaut von Art. 157 StGB, wo von unverhältnismässigen Vermögensvorteilen "für eine Vermögensleistung" die Rede ist, und findet weder in der Doktrin noch in der Judikatur eine Stütze (ZR 1956 S. 58 Nr. 36; FOEX in Schweiz. jur. Kartothek, Karte "Wucher", S. 3; HAFTER, BT I S. 298; ROTTENBERG in ZStrR 80 S. 271 unten). Art. 157 StGB hat den Wuchertatbestand - im Gegensatz zu den meisten kantonalen Strafgesetzen, welche vorwiegend den Kredit- und Zinswucher erfassten - auf alle zweiseitigen Verträge ausgedehnt, welche entgeltlich sind, d.h. auf messbare, wertmässig miteinander vergleichbare Leistungen gehen (vgl. ROTTENBERG, a.a.O.). HAFTER (BT I S. 298) zieht ausdrücklich die Folgerung aus der Umschreibung des Wuchergrundgeschäftes als eines entgeltlichen Vertrages; er stellt fest, dass gewisse Rechtsgeschäfte ihrer Natur nach nicht Grundlage wucherischer Ausbeutung bilden können: "einseitige Rechtsgeschäfte, z.B. ein Testament, und unentgeltliche Verträge, z.B. eine Schenkung".
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d) Fehlt somit eine Strafnorm, welche - in Analogie zu Art. 157 StGB - im Falle einer Schenkung zur Anwendung kommen könnte, so erübrigt es sich zu untersuchen, ob Dr. H., wie die Vorinstanz annahm, an Geistesschwäche litt bzw. von der Beschwerdeführerin im Sinne des Wuchertatbestandes abhängig war.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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