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48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Oktober 1985 i.S. Eidg. Zollverwaltung gegen F. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
1. Art. 268 Ziff. 1 BStP; anfechtbarer Zwischenentscheid. |
2. Art. 77 Abs. 4 VStrR; Begriff der Verwaltung. |
Die Eidg. Zollrekurskommission gehört nicht zur Verwaltung im Sinne von Art. 77 Abs. 4 VStrR, sondern ist eine verwaltungsunabhängige Rechtspflegeinstanz, deren Tarifierungsentscheide den Strafrichter binden (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 23. Februar 1983 verurteilte das Bezirksgericht Andelfingen F. wegen Zollübertretung (Art. 74 Ziff. 6 in Verbindung mit Art. 75 Ziff. 2 ZG) und Bannbruchs (Art. 76 Ziff. 1 in Verbindung mit Art. 77 Abs. 3 ZG) zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von drei Monaten und zu einer Busse von Fr. 30'000.--.
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Mit Beschluss vom 1. Oktober 1984 wies das Obergericht des Kantons Zürich die Akten an die Eidg. Zollrekurskommission zum neuen Entscheid über die Tarifierungsfrage zurück, wobei es ![]() | 3 |
C.- Mit Eingabe vom 12. Oktober 1984 führt die Oberzolldirektion eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichtes sei aufzuheben und es sei der Fall durch dieses Gericht zu beurteilen, ohne dass von der Eidg. Zollrekurskommission ein neuer Entscheid verlangt bzw. auf einen solchen neuen Entscheid abgestellt werde.
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Aus den Erwägungen: | |
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Vorliegend hat das Obergericht gefunden, der Entscheid der Eidg. Zollrekurskommission über die Tarifierung der Ware und die Höhe der geschuldeten Zollabgaben sei nicht ein Erkenntnis eines unabhängigen Gerichts, sondern ein Entscheid der Verwaltung, der gemäss Art. 77 Abs. 4 VStrR wegen offensichtlicher Gesetzesverletzung nicht verbindlich sei; es setzte deshalb die Hauptverhandlung aus und wies die Sache zum neuen Entscheid an die Zollrekurskommission zurück. Damit hat die Vorinstanz ![]() | 6 |
Die Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss ergibt sich im übrigen auch aus Sinn und Zweck der vom Kassationshof entwickelten Rechtsprechung. Mit der Zulassung von Beschwerden gegen Vor- und Zwischenentscheide sollte verhindert werden, dass ein Strafprozess durch alle Instanzen hindurch materiell behandelt wird, wiewohl Zweifel über eine Präjudizialfrage eidg. Rechts bestehen (BGE 70 IV 131). Wie in den vorstehend aufgeführten - vom Bundesgericht entgegengenommenen - Fällen müsste in concreto ein Nichteintretensentscheid des Kassationshofs je nach Ausgang des Verfahrens vor Eidg. Zollrekurskommission zu einem nicht verantwortbaren Leerlauf führen (vgl. dazu BGE 68 IV 114). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde der Eidgenössischen Zollverwaltung ist demnach einzutreten.
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Im vorliegenden Fall steht einzig zur Entscheidung, ob die Eidg. Zollrekurskommission, welche als Beschwerdeinstanz über die ![]() | 9 |
a) Der Gesetzesentwurf des Bundesrates sah entsprechend der Praxis zum früheren Art. 305 Abs. 2 BStP schlechthin die Verbindlichkeit rechtskräftiger Entscheide über die Leistungs- und Rückleistungspflicht für das Gericht vor (Art. 81 Abs. 4 des Gesetzesentwurfs; BBl 1971 I 1014/1053). Demgegenüber schlug die Kommission des Nationalrats in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 292 StGB vor, dass der gemäss Art. 73 ff. VStrR mit der Beurteilung von Verwaltungsstrafsachen befasste Strafrichter die Verfügung der Verwaltung, die nicht letztinstanzlich an ein Verwaltungsgericht weitergezogen werden kann, auf offensichtliche Rechtsverletzung und Ermessensmissbrauch überprüfen könne (Amtl.Bull. N 1973 I S. 489 ff.; BGE 98 IV 106). Der Gedanke fand seinen Niederschlag in Art. 77 Abs. 4 Satz 2 VStrR. Damit ist allerdings noch nichts darüber ausgesagt, ob Entscheide der Eidg. Zollrekurskommission Entscheide der Verwaltung seien.
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b) Unter der Herrschaft des ehemaligen Art. 101 lit. b OG entschied das Bundesgericht, dass die Eidg. Zollrekurskommission eine für die Verwaltungsrechtspflege besonders eingesetzte Instanz sei, die u.a. Beschwerden gegen die Festsetzung des Zolls letztinstanzlich beurteile, also gleiche Aufgaben erfülle wie das Bundesgericht als Verwaltungsgerichtshof in bezug auf andere öffentlichrechtliche Abgaben; sie habe daher neben diesem als Verwaltungsgericht im Sinne des Art. 299 BStP (inzwischen aufgehoben durch Ziff. 2 des Anhangs zum VStrR) zu gelten (BGE 88 IV 94 E. 3). Mit der Revision des OG von 1968 wurden dann allerdings die Entscheide der Rekurskommissionen des Bundes grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterstellt (Art. 98 lit. c). Das rechtfertigt es indessen nicht, ihre Tätigkeit derjenigen der Verwaltung gleichzustellen. Dies ist schon im Hinblick auf Art. 105 Abs. 2 OG nicht am Platz (BGE 97 I 480; s. auch Art. 74 lit. c VwVG). Dazu kommt, dass in Art. 100 lit. h OG Verfügungen über die Veranlagung der Zölle, soweit diese von der Tarifierung oder von der Gewichtsbemessung abhängt, ausdrücklich von der Anfechtbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgenommen wurden (BGE 106 Ib 271, BGE 102 Ib 228 f.).
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c) Diese Erkenntnis wird zur Gewissheit, wenn man die gesetzliche Ordnung der Eidg. Zollrekurskommission des näheren überprüft. Der sechste Abschnitt des Zollgesetzes regelt die Organisation des Zolls. Unter einem ersten Titel werden die Zollbehörden aufgeführt (Bundesrat, Finanz- und Zolldepartement, Zollverwaltung) und in einem dritten Titel die Rekurskommission gesondert behandelt. Aus dem dortigen Art. 141 ZG (Fassung vom 24.6.1977) ergibt sich zwar, dass der Bundesrat die Zollrekurskommission bestellt, ihre Organisation regelt und ihre Mitglieder ernennt. Die genannte Bestimmung hebt aber anderseits auch ausdrücklich hervor, dass die Kommission von der Verwaltung unabhängig ist und ihre Mitglieder nicht der Bundesverwaltung angehören dürfen. Diese Grundsätze werden in der Verordnung über verschiedene Rekurskommissionen vom 3. September 1975 (VVRK; SR 831.161) nochmals wiederholt und präzisiert. Insbesondere ist darin vorgesehen, dass der Präsident, die Vizepräsidenten und die Richter für eine feste Amtsdauer von vier Jahren gewählt werden, dass die Kommission - mit Sitz in Lausanne - nur administrativ der Aufsicht des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) untersteht und dass sie "bei Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeit... unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen" ist (Art. 3 VVRK). Auch wird das aus Gerichtsschreibern, juristischen Sekretären usw. bestehende Sekretariat vom EDI auf Antrag des Präsidenten der Kommission bestellt (Art. 9 VVRK), und es sind die Gerichtsschreiber in ihrer Tätigkeit nur dem Präsidenten gegenüber verantwortlich (Art. 10 Abs. 2 VVRK). Damit wurde den vom Bundesrat 1965 in seiner Botschaft über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde (BBl 1965 II S. 1278) geäusserten Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit der "Spezialverwaltungsgerichte" des Bundes Rechnung getragen, denn wenn nach dieser Regelung der Bundesrat ![]() | 13 |
d) Dass der historische Gesetzgeber mit der Einführung des Art. 77 Abs. 4 Satz 2 VStrR etwas anderes gewollt hätte, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Vielmehr sprechen die in den parlamentarischen Beratungen sich findenden Hinweise gegen die Annahme, Beschwerdeentscheide der Eidg. Zollrekurskommission hätten als Entscheide der Verwaltung für den Strafrichter unverbindlich erklärt werden sollen (vgl. das Votum Kaufmann, wo von "Verfügungen untergeordneter Funktionäre und Verwaltungsbeamter" gesprochen wird oder das Votum Aubert (als Berichterstatter) in dem auf die "simple décision administrative", die "décisions de l'administration, qui sont passées en force parce qu'elles n'ont pas été attaquées par voie de recours" und die deshalb "ne seront pas absolument soustraites au réexamen du juge"; Amtl.Bull. N 1973 I S. 490/491).
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4. War aber nach dem Gesagten der hier in Frage stehende Entscheid der Zollrekurskommission über die Tarifierung der vom Beschwerdegegner eingeführten Ware kein Entscheid der Verwaltung, ![]() | 15 |
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