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9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. März 1986 i.S. E. gegen Fa. R. AG (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 186 StGB. Hausfriedensbruch. | |
Sachverhalt | |
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Dem Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs gingen verschiedene aufwendige (hier nicht in Betracht fallende) betreibungs-, verwaltungs-, straf- und zivilrechtliche Verfahren voraus.
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B.- Am 2. Juli 1984 sprach die II. Gerichtskommission des Bezirksgerichts St. Gallen E. des Hausfriedensbruches schuldig und verurteilte ihn zu 10 Tagen Gefängnis bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren.
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Nach Zustellung dieses Urteils wurde E. mit Schreiben der Verpächterin vom 20. August 1984 erneut aufgefordert, die Liegenschaft ![]() | 4 |
Mit Urteil vom 21. Mai 1985 bestätigte das Kantonsgericht St. Gallen im Berufungsverfahren den erstinstanzlichen Entscheid im Schuld- und Strafpunkt.
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C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt E., das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen sei aufzuheben.
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Die Beschwerdegegnerin liess sich mit dem Antrag vernehmen, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Vorinstanz konnte sich jenem Teil der Lehre (STRATENWERTH, BT I, 3. Aufl., 1983 § 5 N. 82; SCHUBARTH, Kommentar zum StGB, N. 27/41 zu Art. 186), wonach der Vermieter (Verpächter) nach Vertragsauflösung das Hausrecht nicht automatisch wiedererlange, m.a.W. das Hausrecht des Mieters (Pächters) nicht mit Vertragsablauf, sondern erst mit seinem Auszug erlösche, im vorliegenden Fall nicht anschliessen. Sie kam nach einlässlicher Prüfung zum Schluss, der Beschwerdeführer habe "vorsätzlich unberechtigterweise" die Liegenschaft der Verpächterin über den 6. Februar 1984 hinaus bewohnt und bewirtschaftet, die Kündigung vom 13. November 1980 mit Wirkung auf 30. April bzw. 30. September 1983 sei rechtsgültig und der Einwand des Sachverhaltsirrtums sei "zumindest für die Zeit seit der Zustellung des zweiten Entscheides der Rekurskommission des Kantonsgerichts" (28. März 1984) zu verneinen. Zusammenfassend hielt sie fest, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des Hausfriedensbruchs dadurch erfüllt, "dass er trotz gekündigten Pachtvertrages und entgegen der demzufolge berechtigten Aufforderung der Klägerin, die Liegenschaft spätestens am 6. Februar 1984 zu verlassen, ohne Rechtsgrundlage auf dem Pachtobjekt verblieben ist, obwohl ihm der Mangel einer Rechtsgrundlage für sein Verbleiben bewusst sein musste".
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Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, die Strafklägerin sei nicht "Berechtigte" im Sinne von Art. 186 StGB und die ![]() | 10 |
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a) Vorliegend hat die Eigentümerin und Verpächterin durch den Pachtvertrag vom 28. März 1974 dem Beschwerdeführer das "Hausrecht" bezüglich ihrer Liegenschaft eingeräumt, mithin auf ihr Hausrecht verzichtet, so dass während der Wirksamkeit des Vertrages nur der Pächter als Träger des Hausrechts im Sinne des Art. 186 StGB "Berechtigter" sein konnte. Die "Berechtigung" ging aber auch nicht auf die Verpächterin über, als der Pachtvertrag am 30. April bzw. 30. September 1983 aufgrund rechtskräftiger Kündigung zu Ende ging, da der Beschwerdeführer die tatsächliche Verfügungsmacht, "über die bestimmten Räume ungestört zu herrschen und darin den eigenen Willen frei zu betätigen", über den 6. Februar 1984 hinaus beibehielt.
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b) Auch wenn die Weigerung des Beschwerdeführers, die gepachteten Räume trotz verbindlich festgestellter Kündigung zu verlassen bzw. sein Verweilen in diesen als rechtswidrig bezeichnet werden muss, konnte die Verpächterin dadurch weder das Hausrecht "automatisch wiedererlangen", noch wurde sie im Sinne von ![]() | 13 |
c) Das Hausrecht beginnt beim Einzug in die bestimmten Räume und endet mit dem Auszug aus denselben. Geht das Miet- bzw. Pachtverhältnis zu Ende, so behält der Mieter (Pächter) das Hausrecht, bis er die Wohnung usw. tatsächlich räumt. Art. 186 StGB hat die Funktion, die Privat- und Geheimsphäre (Hausrecht) des Wohnungsinhabers zu schützen, nicht aber dem Vermieter (Verpächter) die Durchsetzung seiner Ansprüche aus Miet- bzw. Pachtvertrag mit Hilfe des Strafrechts zu erleichtern (STRATENWERTH, a.a.O., § 5 N. 82; SCHUBARTH, a.a.O., N. 27 und 41 zu Art. 186; WALTER SCHMID, Der Hausfriedensbruch, Diss. Zürich, 1921, S. 78/79; SCHÖNKE/SCHRÖDER, a.a.O., N. 17 und 29 zu § 123; RUDOLPHI, a.a.O., N. 14 und 15; MAURACH, 1969, Deutsches Strafrecht, BT, § 23, S. 182/183/184; LACKNER, StGB, 16. Aufl., 1985, S. 601, N. 4b in fine; Entscheidungen des (deutschen) Reichsgerichts, zit. RGSt, 36. Bd., S. 323).
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4. Nach dem Gesagten konnte das Verhalten des Beschwerdeführers den Tatbestand des Hausfriedensbruches nicht erfüllen, was zur Gutheissung seiner Nichtigkeitsbeschwerde führt. Demzufolge ist das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an das Kantonsgericht St. Gallen zurückzuweisen.
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