BGE 112 IV 38 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
11. Urteil des Kassationshofes vom 30. Januar 1986 i.S. K. gegen Polizeiamt der Stadt Winterthur (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 10 Abs. 4 und 99 Ziff. 3bis SVG. | |
Sachverhalt | |
A.- Am 21. Februar 1984, um 02.30 Uhr, forderten Polizeibeamte der Stadtpolizei Winterthur K., der bei eingeschalteter Fahrzeugbeleuchtung in seinem an der Technikumstrasse auf dem Trottoir parkierten Personenwagen sass, auf, Führer- und Fahrzeugausweis vorzuzeigen. Er kam dieser Aufforderung nur teilweise nach, indem er den Polizeibeamten den Fahrzeugausweis und seine Identitätskarte aushändigte. Ohne den Führerausweis vorzuzeigen, verliess er den Personenwagen und entfernte sich.
| 1 |
B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Winterthur verfällte K. am 18. September 1984 wegen Übertretung von Art. 99 Ziff. 3bis SVG in eine Busse von Fr. 30.--.
| 2 |
Eine gegen diesen Entscheid eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich am 15. Oktober 1985 ab.
| 3 |
C.- K. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichtes sei wegen Verletzung von Art. 10 Abs. 2 und 4 SVG sowie wegen Verletzung von Art. 99 Ziff. 3bis SVG aufzuheben und die Sache zum Freispruch an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
| 4 |
aus folgenden Erwägungen: | |
5 | |
a) Wie der Kassationshof in BGE 87 IV 162 entschieden hat, verlangt Art. 10 Abs. 4 SVG nicht, dass die Ausweise jederzeit kontrolliert werden können, sondern bloss, dass sie stets mitzuführen und auf Verlangen vorzuweisen sind. Die Pflicht zum Vorweisen steht danach in engem Zusammenhang mit der Pflicht, sie stets mitzuführen. Die beiden Pflichten sollen die Feststellung ermöglichen, ob ein in den öffentlichen Verkehr gebrachtes Fahrzeug hiezu behördlich zugelassen und sein Führer zum Führen von Fahrzeugen der betreffenden Kategorie berechtigt sei. Die Pflicht, die Ausweise mitzuführen, bedeutet deshalb nichts anderes, als dass sie sooft und solange mitzuführen sind, als das Fahrzeug, sei es in Betrieb oder nicht, am öffentlichen Verkehr teilnimmt, und wenn und solange mit der beendeten Fahrt noch ein örtlicher oder zeitlicher Zusammenhang besteht. Weiter als diese Pflicht kann auch diejenige, die Ausweise auf Verlangen vorzuweisen, nicht gehen.
| 6 |
b) Öffentlicher Verkehr ist im Sinne des Art. 1 SVG auch der ruhende Verkehr auf öffentlichen Strassen, regelt doch das Gesetz ausdrücklich auch das Parkieren auf Bodenflächen, die einem unbestimmbaren Personenkreis zur Verfügung stehen (Art. 37 Abs. 2 SVG, Art. 19 und 20 VRV; BGE 109 IV 132 E. 2 mit Verweisungen). Eine solche Benutzung der öffentlichen Strasse im Rahmen des Gemeingebrauchs stellt deshalb eine Teilnahme am öffentlichen Verkehr dar (s. JAGUSCH/HENTSCHEL, Strassenverkehrsrecht, 27. Aufl., S. 252 f., N. 17 zu Art. 2 deutsche StVO § 1), die grundsätzlich den Vorschriften der Verkehrsordnung untersteht. Das auf einer öffentlichen Strasse parkierte Fahrzeug befindet sich demnach im Verkehr, auch wenn es nicht in Betrieb ist (STREBEL, Kommentar zum MFG, Band I, S. 86 f., N. 13 zu Art. 1). Indessen schliesst die Bestimmung des Art. 10 Abs. 4 SVG ihrem Sinn nach notwendig nicht allein an die Präsenz des Fahrzeugs, sondern auch an diejenige des Führers im Verkehr an. Nur wenn dieser im Zeitpunkt der Kontrolle Verkehrsteilnehmer ist, obliegt ihm die Pflicht, Fahrzeug- und Führerausweis mitzuführen und sie auf Verlangen den Kontrollorganen vorzuweisen. Wo sich der Führer im Zeitpunkt der Kontrolle in oder auf dem parkierten Fahrzeug befindet oder sich in dessen unmittelbarer Nähe aufhält (z.B. beim Aussteigen), da weist seine Anwesenheit (im Regelfall) auf eine aktuelle Teilnahme am Parkierungsvorgang und damit auf ein rechtlich erhebliches Verkehrsverhalten hin, das Gegenstand einer Verkehrskontrolle sein kann. Hier ist jener nahe örtliche oder zeitliche Zusammenhang, von dem in BGE 87 IV 162 die Rede ist, gegeben mit der Folge, dass der Führer unter solchen Umständen verpflichtet ist, den Kontrollorganen auf Verlangen den Fahrzeug- und den Führerausweis vorzuweisen. Anders könnte es nur sein, wenn sich aus den Umständen ergeben würde, dass die zur Vorweisung der Ausweise aufgeforderte Person nicht als für das Parkieren verantwortlicher Führer im Fahrzeug sass.
| 7 |
2. Im vorliegenden Fall sass der Beschwerdeführer mitten im Winter, um 02.30 Uhr, bei eingeschalteter Fahrzeugbeleuchtung in seinem auf dem Trottoir parkierten Wagen. Da nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz das Trottoir einem unbestimmbaren Personenkreis zur Verfügung steht, befand sich der Wagen ohne Zweifel auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, auch wenn der betreffende Platz - wie das der Beschwerdeführer vorgibt - privates Eigentum des unmittelbaren Anliegers gewesen sein sollte. Dass dieser Teil des Trottoirs als privater Vorplatz gekennzeichnet (s. BGE 101 IV 175) und er selber Eigentümer oder Benutzungsberechtigter desselben gewesen wäre (s. BGE 109 IV 133 f.), behauptet er nicht, und er stellt auch nicht in Abrede, dass er damals einem Führer gleich im Fahrzeug gesessen hatte. Bei dem Sachverhalt aber, wie er sich der die Verkehrskontrolle durchführenden Polizeistreife darbot, konnte die Vorinstanz mit Fug zum Schluss gelangen, es habe bei objektiver Betrachtung Grund zur Annahme bestanden, der Beschwerdeführer habe den Wagen an die besagte Stelle gelenkt und beabsichtigt, wieder wegzufahren. Seine Anwesenheit wies unter den gegebenen Umständen auf seine gegenwärtige Teilnahme am Verkehr hin, und als Verkehrsteilnehmer unterstand er der Kontrolle der hierfür zuständigen Organe, zumal er sein Fahrzeug auf einem Trottoir parkiert hatte, was nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des Art. 41 VRV zulässig ist.
| 8 |
Der Beschwerdeführer hätte deshalb der Polizei auf Verlangen auch den Führerausweis vorweisen müssen. Indem er bloss den Fahrzeugausweis und eine Identitätskarte vorzeigte und sich sodann davonmachte, genügte er seiner Pflicht nach Art. 10 Abs. 4 SVG nicht. Seinem Einwand aber, der polizeiliche Eingriff sei unverhältnismässig gewesen, ist entgegenzuhalten, dass es sich bei der fraglichen Polizeikontrolle nicht um eine blosse Personenkontrolle, sondern um eine Verkehrskontrolle gehandelt hat, die u.a. die Berechtigung des Beschwerdeführers zur Führung des Fahrzeugs beschlug. Hierfür aber war das Vorweisen der Identitätskarte untauglich. Schliesslich hilft dem Beschwerdeführer auch nicht, dass der Polizist nach erfolgloser Aufforderung zum Vorweisen des Führerausweises sich zum Streifenwagen begab, um sich über Funk zu erkundigen, ob K. überhaupt einen Führerausweis besass. So oder anders hatte sich der Beschwerdeführer geweigert, den Führerausweis vorzuweisen, und er war nach dem Polizeirapport vom 23. Februar 1984 bereits in dem Moment verschwunden, als sich der Polizist zum Streifenwagen begab.
| 9 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |