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39. Urteil des Kassationshofes vom 19. August 1986 i.S. Fa. X. c. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und Bundesamt für Energiewirtschaft (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 55 ElG; Art. 121 ff., 123quater der Starkstromverordnung (StVO); Art. 2 des Sicherheitszeichen-Reglements (SZR). Inverkehrbringen von elektrotechnischen Geräten. |
Sachverhalts- und Rechtsirrtum verneint (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Urteil vom 19. November 1985 büsste das Bezirksgericht Brugg die Fa. X. wegen Inverkehrbringens einer Vielzahl von elektrischen Geräten ohne Bewilligung und Sicherheitszeichen in Anwendung von Art. 55 ElG, Art. 121 ff. und 123quater StVO mit Fr. 3'000.--. Die 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Aargau wies am 30. April 1986 die von der Gebüssten erhobene Berufung ab. Die kantonalen Gerichte bestätigten damit die Strafverfügung des Bundesamtes für Energiewirtschaft vom 27. Februar 1985 mit der Änderung, dass sie im Unterschied zu diesem nicht fahrlässige, sondern vorsätzliche Begehung annahmen.
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Das Bundesamt für Energiewirtschaft beantragt in seinem Gegenbemerkungen die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat sich nicht vernehmen lassen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass die von ihr an schweizerische Haushalte gelieferten Fernsehgeräte Apparate im Sinne von Art. 121 ff. StVO und nicht gemäss diesen Vorschriften geprüft, als zulässig anerkannt und gekennzeichnet worden sind. Sie macht aber geltend, sie habe die Geräte nicht in der Schweiz in Verkehr gebracht. Zur Begründung wiederholt sie im wesentlichen die Argumente, die sie bereits im Verfahren vor dem Bundesamt für Energiewirtschaft sowie im kantonalen Strafverfahren vorgetragen hat. Diese Einwände sind unbegründet oder gehen an der Sache vorbei.
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Indem die Beschwerdeführerin nach den Feststellungen im Urteil des Bezirksgerichts Brugg im Jahre 1982 in der Schweiz Prospekte verteilen liess, in denen sie ihre Geräte und deren Lieferung an schweizerische Haushalte anbot, erfüllte sie den objektiven Tatbestand von Art. 123quater StVO.
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3. Die Beschwerdeführerin erfüllte das Tatbestandsmerkmal des Inverkehrbringens nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen aber vor allem auch dadurch, dass sie Fernsehapparate etc., die von Personen mit schweizerischem Wohnsitz bei ![]() | 9 |
a) Wohl unterstehen die für den Export bestimmten Materialien sowie die Gebrauchtapparate nach Art. 121bis Abs. 3 und 6 StVO nicht der Prüfungspflicht; daraus kann die Beschwerdeführerin indessen nichts für den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt ableiten. Aus dem Ausland eingeführte Apparate unterliegen der Prüfungspflicht wie das Material schweizerischen Ursprungs (Art. 121bis Abs. 4 StVO).
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b) Dass die Kaufverträge in der BRD bzw. mit einer deutschen Firma nach deutschem Recht abgeschlossen wurden und die Kaufobjekte nach der hier nicht zu überprüfenden Meinung der Beschwerdeführerin bereits dadurch allenfalls in der BRD in Verkehr gebracht wurden, ändert nichts daran, dass die Geräte durch ihre Lieferung an schweizerische Haushalte im Sinne von Art. 123quater StVO auch in der Schweiz in Verkehr gebracht wurden. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, das Eigentum an den Geräten sei bereits mit dem Vertragsabschluss auf die Käufer übergegangen, ist verfehlt, und im übrigen ist der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs wie auch jener des Übergangs der Gefahr für die Frage des Inverkehrbringens belanglos. Unerheblich ist auch, dass nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen für beide Vertragsparteien der Ort der Niederlassung der Beschwerdeführerin Erfüllungsort war. Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführerin die von ihr verkauften Apparate auf Wunsch frei Haus an die Kunden in der Schweiz lieferte, worauf sie in ihrer Werbung übrigens noch besonders hinwies. Die zivilrechtliche Qualifikation dieser Lieferungen ist dabei ohne Bedeutung. Dass die Lieferkosten entgegen einer insoweit etwas missverständlichen Bemerkung im angefochtenen Urteil nicht von der Beschwerdeführerin, sondern vom Käufer getragen wurden, ist unerheblich.
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c) Die Beschwerdeführerin war allerdings entgegen den insoweit etwas missverständlichen Ausführungen im angefochtenen Entscheid nicht "Importeurin" der Apparate. Die Vorinstanz sah sich zu diesen in der Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht kritisierten Überlegungen offenbar durch den Wortlaut von Art. 2 des Sicherheitszeichen-Reglements (SZR; SR 734.231) veranlasst, wonach unter "in Verkehr bringen" "jede Art der Besitzübertragung vom schweizerischen Hersteller oder vom Importeur bis zum inländischen Verbraucher" zu verstehen ist. Diese Umschreibung ist ![]() | 12 |
d) Es trifft zu, dass laut einem Schreiben des Eidgenössischen Starkstrominspektorats vom 5. Juni 1985 an das Bezirksgericht Brugg "elektrotechnische Geräte oder Apparate, die im Ausland gekauft und lediglich für den Eigenverbrauch persönlich importiert wurden, [...] nicht unter die gesetzliche Prüf- und Bewilligungspflicht, da kein Inverkehrbringen in der Schweiz gemäss Art. 121bis Abs. 1 der Starkstromverordnung erfolgt". Daraus kann die Beschwerdeführerin indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. Wohl ist ein Gerät gleich "gefährlich", ob es von der Beschwerdeführerin frei Haus geliefert oder vom Käufer selber nach Hause mitgenommen wird. Die Gefährdung bzw. die Gefährlichkeit des Apparats ist jedoch nicht Tatbestandsmerkmal von Art. 123quater StVO. Es genügt, dass das Gerät nicht vorschriftsgemäss geprüft und gekennzeichnet wurde. Aus diesem Grunde ist es auch belanglos, dass die deutschen und internationalen Bestimmungen, denen die fraglichen Apparate nach den Ausführungen in der Beschwerdeschrift entsprachen, nicht weniger streng sein sollen als die schweizerischen Vorschriften. Im übrigen ist die Behauptung der Beschwerdeführerin, die von den Geräten allenfalls ausgehende Gefahr sei bereits mit dem Abschluss der Kaufverträge, der den Käufern einen Anspruch auf Übergabe der Sache verlieh, geschaffen worden, offensichtlich verfehlt. Diese Gefahr besteht in der Schweiz erst dann, wenn die Geräte in die Schweiz gelangt sind.
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a) Das Bundesamt für Energiewirtschaft hatte in seiner Strafverfügung vom 27. Februar 1985 der Beschwerdeführerin lediglich fahrlässige Widerhandlung gegen die Elektrizitätsgesetzgebung vorgeworfen, wobei es ihr offenbar einen fahrlässigen Sachverhaltsirrtum betreffend die Prüfungs- und Kennzeichnungspflicht zubilligte. Die Vorinstanz nahm demgegenüber in Übereinstimmung mit dem Urteil des Bezirksgerichts Brugg Vorsatz an. Der in der Nichtigkeitsbeschwerde erhobene Einwand, Fahrlässigkeit sei nicht gegeben, geht demnach an der Sache vorbei. Die damit zusammenhängenden Ausführungen zu den Fragen der Gefährdung und des adäquaten Kausalzusammenhangs sind im übrigen aus den bereits gennanten Gründen verfehlt.
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b) Die Berufung der Beschwerdeführerin auf Sachverhalts- und Rechtsirrtum ist unbegründet. Die Beschwerdeführerin wusste nach den für den Kassationshof verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen, dass Geräte der fraglichen Art in der Schweiz einer besonderen Prüfungs- und Kennzeichnungspflicht nach den schweizerischen Vorschriften unterstehen. Sie wusste auch, dass das Inverkehrbringen von ungeprüften und nicht gekennzeichneten Geräten in der Schweiz verboten ist. Nach der landläufigen Anschauung des juristischen Laien (s. BGE 99 IV 55) kann es unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Starkstromverordnung keinen Unterschied machen, ob ein Händler mit Geschäftssitz in der Schweiz oder ein Händler mit Geschäftssitz in der BRD Apparate an Kunden mit schweizerischem Wohnsitz verkauft und liefert. Die Beschwerdeführerin erlag lediglich allenfalls insoweit einem Irrtum, als sie annahm, die Lieferung von Apparaten an schweizerische Haushalte, die aufgrund von in der BRD abgeschlossenen Verträgen erfolgte, sei nicht als "Inverkehrbringen" von Geräten in der Schweiz im Sinne von Art. 123quater ![]() | 17 |
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