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32. Urteil des Kassationshofes vom 29. Oktober 1987 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Z. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 69 und 110 Ziff. 7 StGB. | |
Sachverhalt | |
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"Die 185 Tage Untersuchungshaft ergeben sich bis und mit dem 25.
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September
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1986. Sollte der Angeklagte auch nach diesem Datum weiterhin im Männerheim
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Satis in Seon sich aufhalten, so fällt dieser Aufenthalt ebenfalls unter
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die Untersuchungshaft und ist dem Angeklagten an die Freiheitsstrafe
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anzurechnen."
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B.- Auf Berufung beider Parteien bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau dieses Urteil am 8. Juli 1987 mit folgender Modifikation: Dem Angeklagten wurden für die Zeit bis zum 25. September 1986 40 Tage Untersuchungshaft angerechnet, nämlich 51 Tage Untersuchungshaft und zusätzlich die im Männerheim Satis vom 15. Mai bis 25. September 1986 verbrachten 134 Tage zu zwei Dritteln = 89 Tage. Überdies wurden ihm von Amtes wegen die vom 25. September 1986 bis zum Urteilstag im ![]() | 8 |
C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Ausfällung eines neuen Entscheides, in welchem dem Angeklagten der Aufenthalt im Männerheim Satis auch nicht teilweise als Untersuchungshaft angerechnet wird, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Z. beantragt kostenfällige Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde und stellt ein Gesuch um amtliche Verteidigung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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a) Das Obergericht bejaht diese Frage im wesentlichen aus folgenden Erwägungen: Der Beschwerdegegner sei mit Verfügung des Bezirksamtes Bremgarten vom 13. Mai auf den 15. Mai 1986 mit der Auflage aus der Untersuchungshaft entlassen worden, dass er nach seiner Entlassung im Männerheim Satis in Seon Aufenthalt nehme. Die Haftentlassung sei durch das Bezirksamt zusätzlich mit folgenden, vom Beschwerdegegner unterschriftlich akzeptierten Bedingungen verknüpft worden:
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"a) Herr Z. hat sich in jeder Beziehung strikte der Anstaltsordnung zu
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unterziehen.
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b) Im Widerhandlungsfall müsste eine Rückversetzung ins Auge gefasst
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werden.
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c) Im Falle der erneuten Delinquenz würde Herr Z. sofort und
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diskussionslos in Untersuchungshaft rückversetzt, dannzumal bis zur
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Anklage beim Gericht."
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Das Obergericht stellt fest, dass damit dem Beschwerdegegner zur Vermeidung eines weiteren Abgleitens und nochmaliger Delinquenz ausserordentlich einschneidende Auflagen gemacht wurden, welche seine persönliche Freiheit stark beschnitten hätten. Es sei ihm insbesondere verwehrt worden, sich frei zu bewegen, sich aufzuhalten und zu wohnen, wo er wolle. Soweit derartige behördliche Verpflichtungen freiheitsentziehenden Charakter hätten und sich für den Angeklagten in der erzwungenen persönlichen Beschränkung wie Untersuchungshaft auswirkten, seien sie auf die ![]() | 20 |
Im konkreten Fall des Beschwerdegegners lasse es sich aufgrund der starken Einschränkung seiner persönlichen Freiheit, seiner tadellosen Haltung und des in keiner Weise missbrauchten Vertrauens rechtfertigen, ihm zwei Drittel seines Aufenthaltes im Männerheim Satis an die Strafe anzurechnen. Diese Lösung sei stark auf die konkreten Umstände des vorliegenden Falles bezogen und könne nicht unbesehen verallgemeinert werden.
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b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Aufenthalt des Beschwerdegegners im Männerheim Satis könne nicht einer Untersuchungshaft im Sinne von Art. 110 Ziff. 7 StGB gleichgesetzt werden. Jede Ersatzmassnahme, welche eine mildere Massnahme anstelle der Untersuchungshaft darstelle, habe eine mehr oder weniger intensive Einschränkung in der persönlichen Freiheit zur Folge, jedoch nicht im gleichen Ausmass wie der Freiheitsentzug aufgrund von Untersuchungshaft. Art. 69 StGB sehe einzig die Anrechnung von Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe vor. Für die Anrechnung von Ersatzmassnahmen bestehe demgegenüber keine gesetzliche Grundlage.
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c) Erhebliche Unterschiede im Ausmass der effektiven Beschränkung der persönlichen Freiheit im Falle einer konkreten ![]() | 25 |
d) Die Vorinstanz stellte für den Kassationshof verbindlich fest, dem Beschwerdegegner seien "ausserordentlich einschneidende Auflagen gemacht (worden), welche die persönliche Freiheit stark beschnitten", und es sei ihm insbesondere "verwehrt (gewesen), sich frei zu bewegen, sich aufzuhalten und zu wohnen, wo er wollte". Bei dieser Sachlage hat sie kein Bundesrecht verletzt, wenn sie ihm zwei Drittel des Aufenthaltes im "Satis" anrechnete; jedenfalls legt die Beschwerdeführerin nicht dar, wieso die konkrete Dauer der Anrechnung verfehlt sein soll.
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Dem Urteil der Vorinstanz kann im übrigen auch vom Ergebnis her zugestimmt werden. Andernfalls wäre der Erfolg einer kriminalpolitisch sinnvollen Massnahme, wie sie vorliegend angeordnet wurde, in der Regel in Frage gestellt, da es für den Betroffenen wohl kaum als verständlich erscheint, wenn die Massnahme nicht mindestens teilweise auf die ausgesprochene Freiheitsstrafe angerechnet wird.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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