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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Dezember 1988 i.S. V. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons X. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
1. Art. 314 StGB; ungetreue Amtsführung. |
Auch die Verletzung öffentlicher ideeller Interessen kommt einer Schädigung gleich (E. 1b; Bestätigung der Rechtsprechung). |
2. Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 und Art. 142 StGB; Bereicherung, geringfügige Veruntreuung. |
Wer sich Originaldokumente aneignet und diese durch Kopien ersetzt, bereichert sich, weil Originalen ein höherer Beweiswert zukommt (E. 2b). |
Die Aneignung einer Vielzahl von Originaldokumenten stellt nicht mehr eine geringfügige Veruntreuung im Sinne von Art. 142 StGB dar (E. 2c). | |
Sachverhalt | |
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Nachdem das Bundesgericht ein erstes Urteil des Obergerichts des Kantons X. aufgehoben hatte, verurteilte dieses V. am 29. März 1988 wegen fortgesetzter ungetreuer Amtsführung, qualifizierter Veruntreuung und Betrugs zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 4 1/2 Monaten und einer Busse von Fr. 1'000.--. Gleichzeitig sprach es ihn von zahlreichen Veruntreuungs- und Betrugsvorwurfen frei.
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V. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, eventualiter ![]() | 3 |
Aus den Erwägungen: | |
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a) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe nie an einem Rechtsgeschäft im Sinne dieser Bestimmung teilgenommen. Er habe lediglich Orientierungshilfen und Empfehlungen zuhanden der Gemeindebehörden ausgearbeitet, jedoch nie selbst entschieden. Die Entscheidungskompetenz liege ausschliesslich beim Steueramt, Sektion Buchprüfungen, und hauptsächlich bei den kommunalen Steuerkommissionen.
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Wie die Vorinstanz darlegt, hatte der Beschwerdeführer selbst formell zwar keine endgültigen Entscheidungen zu treffen, besass jedoch aufgrund seines Fachwissens und seiner Stellung als vollamtlicher Beamter faktische Entscheidungskompetenz. Das muss nach dem Wortlaut von Art. 314 StGB genügen. Denn wer als Beamter einen Entscheid derart beeinflusst, kann die öffentlichen Interessen auch dann schädigen, wenn er nicht selbst formell die Entscheidung trifft. Die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet.
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b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe keine öffentlichen Interessen verletzt. Richtig ist, dass in BGE 101 IV 411 E. 2 angenommen wurde, der Verstoss gegen eine Ausstandsvorschrift für sich allein genüge noch nicht zur Annahme einer Schädigung ideeller Interessen des Staates. Einen solchen Schluss begründete die Vorinstanz jedoch zusätzlich damit, dass der Beschwerdeführer durch seine teils amtliche, teils private Tätigkeit bei Identität von Kunde und Steuerpflichtigem das Vertrauen der Bürger in die rechtsgleiche Behandlung der Steuerpflichtigen und in die Objektivität und Unabhängigkeit der Steuerbehörden erheblich beeinträchtigte. Das ist wesentlich mehr als das Vorliegen einer Interessenkollision, wie sie bereits besteht, wenn ein Beamter als Teilhaber einer Firma ein Interesse an der Vergabe von Aufträgen an diese haben kann.
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c) Der Beschwerdeführer bestreitet, in unrechtmässiger Vorteilsabsicht gehandelt zu haben.
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Die Vorinstanz begründete diese damit, der Beschwerdeführer habe durch die Vermengung von amtlicher und privater Tätigkeit beabsichtigt, zusätzlich Beratungshonorare zu erzielen. Sie liess offen, ob er darüber hinaus die privat Beratenen zum Nachteil des Staates unzulässig begünstigte. Diese Begründung ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden; der Beschwerdeführer bringt denn auch keine substantielle Rüge dagegen vor.
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a) Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB begeht, wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern. Die Vorinstanz hat angenommen, dieser Tatbestand sei erfüllt, weil der Beschwerdeführer amtliche Originalakten zu seinen privaten Akten genommen habe. Originalakten stehen zweifellos im Eigentum des Staates. Die Aneignung derartiger Akten kann deshalb den Tatbestand eines Aneignungsdeliktes erfüllen (vgl. BGE 70 IV 66 E. 1). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn sich in den Akten des kantonalen Steueramtes noch Kopien der behändigten Originalakten befinden sollten; denn Originalakten haben nicht zuletzt deshalb bei den zuständigen Amtsstellen zu verbleiben, weil im Streitfall ein Rückgriff auf diese unumgänglich sein kann. Auch im Behalten der Akten kann eine Aneignungshandlung liegen, nämlich dann, wenn der Täter zum Ausdruck gebracht hat, dass er sie nicht mehr herausgeben will; damit hat er sie seinem Vermögen einverleibt (vgl. BGE 85 IV 19 E. 2). Der Beschwerdeführer selbst ![]() | 12 |
b) Das subjektive Tatbestandsmerkmal der rechtswidrigen Bereicherungsabsicht ist ebenfalls erfüllt; denn in der Regel ist mit der Aneignung auch eine Bereicherung verbunden. Bereicherungsabsicht entfällt etwa dann, wenn dem Geschädigten der Gegenwert für den angeeigneten Gegenstand zugekommen ist. Das trifft nicht zu, wenn der Amtsstelle nur eine Kopie verbleibt, weil einer solchen nicht der gleiche Beweiswert zukommen kann wie einem Original.
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Im übrigen räumt der Beschwerdeführer selbst ein, dass die Dokumente für ihn einen wirtschaftlichen Wert darstellten ("Als sachübergreifende Präjudiziensammlung dienten sie ihm zugegebenermassen der Erleichterung und der Qualitätshebung seiner freiberuflichen Arbeit nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst"). In der Praxis ist denn auch die Bereicherungsabsicht bei der Aneignung von Rationierungsmarken (BGE 70 IV 66 f.), Checkformularen (Kantonsgericht St. Gallen, SJZ 69/1973, S. 312) und Briefen, die im Hinblick auf Geschäftsgeheimnisse von Bedeutung waren (Appellationsgericht Basel-Stadt, SJZ 52/1956, S. 362), bejaht worden.
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Rechtswidrig war die Bereicherung, weil der Beschwerdeführer kein Recht hatte, sich Originalakten anzueignen.
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c) Der Beschwerdeführer rügt, es liege höchstens eine geringfügige Veruntreuung im Sinne von Art. 142 StGB vor. Soweit er sich überhaupt Originalschreiben angeeignet habe, stellten diese höchstens einen geringen Wert im Sinne jener Bestimmung dar.
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Die Vorinstanz hat sich mit dieser Frage nicht befasst. Aus ihrem Urteil ergibt sich jedoch, dass sich der Beschwerdeführer eine Vielzahl von Originaldokumenten angeeignet hat. Diese Feststellung ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Von einer geringfügigen Veruntreuung im Sinne von Art. 142 StGB kann deshalb keine Rede sein. Nicht entscheidend für den Wert der angeeigneten Akten ist die Frage, welches die ![]() | 17 |
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