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27. Urteil des Kassationshofes vom 13. Juni 1989 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen gegen X. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 59a VRV, Art. 133a VZV, Art. 83a der Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge (BAV) vom 27. August 1969 (SR 741.41); Falschbeurkundung, Abgas-Wartungsdokument. |
Entgegen dem Wortlaut verlangt Art. 83a Abs. 4 BAV nicht Identität zwischen der Person, welche die Wartungsarbeiten durchgeführt hat, und derjenigen, welche die Prüfung bestätigt (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Am 6. Januar 1989 sprach das Obergericht des Kantons Schaffhausen X. von der Anklage der Urkundenfälschung (sog. Falschbeurkundung) frei.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz, damit diese X. wegen Urkundenfälschung verurteile.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. a) Das Obergericht erwog, das Abgas-Wartungsdokument diene gegenüber der Polizei als Beleg dafür, dass die Abgaswartung tatsächlich durchgeführt worden sei (vgl. Art. 133a Abs. 1 VZV). Das Dokument sei demnach in einer Rechtsnorm ausdrücklich als Beweismittel vorgesehen. Insofern unterscheide es sich von der vom Staatsanwalt als Parallelbeispiel angeführten einfachen Rechnung, welche in der Regel keine Urkunde im strafrechtlichen Sinne darstelle. Dem Abgas-Wartungsdokument sei somit die Beweiseignung für eine rechtlich relevante Tatsache gesetzlich ![]() | 4 |
Vorliegend gehe es um die Frage, ob es sich bei diesem Dokument um eine unwahre Urkunde handle, ob also der Beschwerdegegner eine inhaltlich unrichtige Urkunde hergestellt habe (sog. Falschbeurkundung). Das Abgas-Wartungsdokument diene der Kontrolle, ob die in Art. 59a Abs. 1 VRV vorgeschriebene Abgaswartung durchgeführt worden sei. Diese Wartung umfasse die Kontrolle der für die Abgasemissionen massgeblichen Fahrzeugteile, wenn nötig die Instandstellung dieser Teile sowie eine Messung des Gehalts an Kohlenmonoxyd, Kohlenwasserstoffen und Kohlendioxyd im Abgas nach Sollwerten (Art. 83a Abs. 1 der Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge [BAV] vom 27. August 1969 [SR 741.41]). Demnach werde mit dem Eintrag im Abgas-Wartungsdokument bestätigt, dass die Wartung in all diesen Teilbereichen auch tatsächlich vorgenommen worden sei. Unstrittig habe der Beschwerdegegner die Messung vorgenommen. Hinsichtlich der Kontrolle habe er zumindest eine Sicht- und Dichtigkeitsprüfung gewisser Teile durchgeführt. Vor allem aber müsse davon ausgegangen werden, dass die abgasrelevanten Teile des fraglichen Personenwagens vom Autohaus Y. kontrolliert und gewartet worden seien und dies in Kenntnis und unter Einhaltung der einschlägigen schweizerischen Vorschriften. Deshalb sei der Nachweis nicht erbracht, dass am fraglichen Personenwagen keine oder nur eine ungenügende Kontrolle und Wartung der abgasrelevanten Teile vorgenommen worden sei. Insbesondere sei nicht dargetan, dass der defekte Auspuff auf mangelnde Wartungsarbeiten zurückzuführen sei. Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass die Abgaswartung, wenn auch teilweise nicht vom Beschwerdegegner persönlich, sondern durch das Autohaus Y. vorgenommen, in allen ihren Teilaspekten gemäss Art. 83a Abs. 1 BAV tatsächlich durchgeführt worden sei. Der Beschwerdegegner habe mit seiner diesbezüglichen Bestätigung im Wartungsdokument deshalb keine inhaltlich unwahre Urkunde hergestellt.
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Weiter führt die Vorinstanz aus, Art. 83a Abs. 4 BAV schreibe vor, dass diejenige Person, welche die Wartung (d.h. sowohl die Kontrolle als auch die Messung) durchgeführt habe, dies im Abgas-Wartungsdokument bestätigen müsse. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift hätte der Beschwerdegegner die Bestätigung nur dann selbst erbringen dürfen, wenn er vorgängig auch die nötige Kontrolle durchgeführt hätte. Ob der Beschwerdeführer eine Kontrolle ![]() | 6 |
b) Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im wesentlichen mit dem Wortlaut der Bestätigung begründet. Danach bestätigte der Beschwerdegegner, die Abgaswartung und Messung ... "ausgeführt zu haben". In Wirklichkeit habe sie ein anderer ausgeführt. Deshalb liege eine Falschbeurkundung vor. Das Obergericht sei dieser Erkenntnis in der Weise ausgewichen, dass es den Text der Bestätigungsformel gewissermassen ins Passiv transponierte, indem es erwog, mit dem Eintrag ins Abgas-Wartungsdokument werde bestätigt, dass die Wartung auch tatsächlich ausgeführt worden sei. Man könne im übrigen auch nicht sagen, es sei unwesentlich, wer die Kontrolle durchgeführt habe. Das ergebe sich bereits aus den einschlägigen Weisungen des EJPD. Die Beschwerdeführerin gesteht zu, dass dieses Erfordernis für den Bereich der Privatwirtschaft etwas ungewohnt sei. Es sei jedoch zu beachten, dass die Abgaswartung im öffentlichen Interesse dem privaten Motorfahrzeuggewerbe überbunden worden sei.
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c) Der Beschwerdegegner räumt ein, dass eine Differenz zwischen dem Wortlaut der Bestätigung und den tatsächlichen Vorgängen bestehe; diese Differenz sei jedoch sowohl in tatsächlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht irrelevant. Man könne allenfalls für die Abgasmessung verlangen, dass die Person, die gemessen habe, auch selbst bestätige. Insoweit bestehe jedoch vorliegend keine Differenz zwischen dem wirklichen und dem beurkundeten Sachverhalt. In bezug auf die Wartung könne Identität ![]() | 8 |
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b) Falschbeurkundung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB begeht, wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt. Nach der Praxis kann die Beweisbestimmung eines Schriftstückes einerseits sich unmittelbar aus dem Gesetz ergeben (BGE 95 IV 71 : Testatbuch gemäss Universitätsordnung; BGE 79 IV 163 : Buchhaltung gemäss Art. 957 und 963 OR) und andererseits aus dessen Sinn oder Natur abgeleitet werden (BGE 96 IV 153 : Rechnung mit zu geringer Mengenangabe zum Zwecke der Täuschung der Einfuhrbehörden; BGE 103 IV 184 : durch Arzt ausgefüllter Krankenschein; BGE 102 IV 33 f.: Bestätigung der Anwesenheit durch Drittpersonen). Das Bundesgericht hat die Beweisbestimmung verneint, wenn das Schriftstück nur eine blosse einseitige Behauptung enthält, der weder durch das Gesetz noch nach dem aus der Schrift selbst erkennbaren Zweck eine weitere Bedeutung zuzumessen ist (BGE 103 IV 29 : Meldung der Metzger über die Zahl der Schlachtungen; BGE 73 IV 50 : Hotelmeldeschein bezüglich der Identität der Gäste; BGE 73 IV 110 : Abrechnung eines Gemeindeangestellten über Truppeneinquartierungen; Urteil vom 24. November 1982 i.S. Willy ![]() | 10 |
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b) Die Abgaswartung umfasst gemäss Art. 83a Abs. 1 BAV sowohl die Kontrolle der für die Abgasemissionen massgeblichen Fahrzeugteile als auch, falls notwendig, die Instandstellung dieser Teile sowie schliesslich eine Messung der Abgase. Absatz 4 derselben Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
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Nach jeder durchgeführten Abgaswartung muss die Person, welche die Wartung durchgeführt hat, dies im Abgas-Wartungsdokument durch einen Eintrag bestätigen.
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Après chaque service d'entretien du système antipollution, la personne qui a effectué les travaux devra en attester l'exécution par une inscription sur la fiche d'entretien du système antipollution.
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Dopo ogni servizio di manutenzione del sistema antinquinamento, la persona che ha proceduto ai lavori ne attesta l'esecuzione con un'iscrizione nel documento di manutenzione del sistema antinquinamento.
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Nach diesem Wortlaut hat die gleiche Person, welche die Wartung, also sämtliche Wartungsarbeiten durchgeführt hat, zu bestätigen, dass sie diese Arbeiten vornahm. Eine solche Auffassung geht jedoch an den Realitäten einer modernen Betriebsführung ![]() | 16 |
c) Im übrigen bedürfte eine Verpflichtung der Garagenbetriebe, die Abgaswartungsarbeiten durch eine einzige Person vornehmen zu lassen, einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, da eine solche Pflicht einen erheblichen Eingriff in die Freiheit einer optimalen Betriebsgestaltung und damit in die Handels- und Gewerbefreiheit bedeutet. Eine solche gesetzliche Grundlage ist nicht ersichtlich.
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Wollte man Art. 12 Abs. 1 lit. b und c des Bundesgesetzes über den Umweltschutz (SR 814.01) als hinreichende gesetzliche Grundlage für einen derartigen Eingriff heranziehen, erwiese sich eine solche Pflicht im Hinblick auf die soeben erörterten Sachargumente als unverhältnismässig und in gewissen Fällen als undurchführbar.
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d) Auch der Zweck der Vorschriften über die Abgaswartung spricht gegen die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung: In erster Linie muss sichergestellt werden, dass die im Abgas- Wartungsdokument enthaltenen Werte beim fraglichen Fahrzeug tatsächlich erzielt worden sind. Dafür bedarf es einer Bestätigung, die in der Regel nur durch diejenige Person abgegeben werden kann, die den Test durchgeführt hat. Ob darüber hinaus verlangt werden darf, dass die bestätigende Person zumindest eine summarische ![]() | 19 |
e) Nach dem Gesagten ist also entscheidend, dass das Abgas- Wartungsdokument inhaltlich zutreffend ist. Dass die Person, welche das Dokument unterzeichnet, sämtliche im Zusammenhang mit der Abgaswartung vorgenommenen Arbeiten selbst ausgeführt hat, kann nicht verlangt werden und ist deshalb auch nicht Inhalt der rechtlich erheblichen Erklärung.
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