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18. Urteil der Anklagekammer vom 19. Februar 1990 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich | |
Regeste |
Art. 351 StGB; aussergewöhnliche Untersuchungskosten. |
2. In analoger Anwendung von Art. 354 Abs. 1 StGB hat der schliesslich als zuständig erklärte Kanton aussergewöhnliche Untersuchungskosten dem bisher mit den Ermittlungen befassten Kanton zu ersetzen (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 1. August 1989 erstattete die Eidgenössische Bankenkommission, nachdem sie durch die Behörden des Kantons Zürich, an die sie sich zunächst gewandt hatte, Kenntnis von dem im Kanton Aargau gegen J. L. geführten Verfahren hatte, wegen des Verdachts von Vermögensdelikten der Verantwortlichen der A. F. AG, Zürich, und der K. Establishment, Balzers/FL, gegen diese Anzeige; zuvor hatte sie die Geschäftstätigkeit der beiden in Frage stehenden Gesellschaften durch die von ihr als Revisionsstelle für Banken anerkannte K. AG, Zürich, durchleuchten lassen, die sie als bankengesetzliche Revisionsstelle auch mit der Liquidation der beiden dem Bankengesetz unterstehenden Gesellschaften beauftragte. Zu den Verantwortlichen dieser Finanzgesellschaften, deren Geschäfte in Zürich geführt werden, gehört J. L. Unklarheit besteht über den Verbleib der Anlagegelder von über tausend Kunden im Betrag von gegen 140 Millionen Dollar. Es besteht der Verdacht der Veruntreuung bzw. des Betruges.
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Noch am 1. August 1989 setzte der Präsident der Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau auf Antrag der Staatsanwaltschaft angesichts der finanziellen Tragweite des Falles einen kantonalen Untersuchungsrichter ein.
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Am 2. August 1989 ersuchte die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau die Behörden des Kantons Zürich, den durch die Bankenkommission zur Anzeige gebrachten Handlungskomplex zu verfolgen, was diese indessen ablehnte.
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Der kantonale Untersuchungsrichter beauftragte die bereits in diesem Zusammenhang tätig gewordene K. AG am 6. September 1989 zur Weiterführung ihres Mandates bzw. damit, den Finanzfluss bei den beiden Gesellschaften zu ermitteln.
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C.- Mit Entscheid vom 28. September 1989 erklärte die Anklagekammer des Bundesgerichts auf Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau vom 11. September 1989 für das durch die Eidgenössische Bankenkommission am 1. August 1989 ausgelöste ![]() | 6 |
D.- Mit Gesuch vom 23. Januar 1990 beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich seien auch zu verpflichten, die bis Mitte Oktober 1989, als das Verfahren auf den Kanton Zürich überging, entstandenen Kosten der K. AG im Betrage von Fr. 85'105.25 zu übernehmen.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt, das Gesuch abzuweisen.
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung: | |
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b) Die Gesuchsgegnerin vertritt die Auffassung, die seit dem Auftrag des kantonalen Untersuchungsamtes Aarau entstandenen Kosten der K. AG seien durch die Gesuchstellerin zu tragen, denn das Untersuchungsrichteramt habe den entsprechenden Auftrag "im Rahmen des eigenen Verfahrens" erteilt. Dabei spiele es keine Rolle, dass ihre Behörden später das Verfahren hätten übernehmen müssen, denn jeder Kanton solle speziell hohe Kosten, die "im Rahmen der in eigener Verantwortung und Zuständigkeit" getroffenen Anordnungen erwachsen seien, selber tragen. Da die K. AG nicht im Rahmen eines eigentlichen Rechtshilfeverfahrens tätig wurde, sei auch Art. 354 StGB, auf welchen sich die Gesuchstellerin berufe, hier nicht anwendbar.
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Die Anklagekammer hat in BGE 69 IV 234 angedeutet, es handle sich bei Untersuchungshandlungen eines Kantons gegen ![]() | 12 |
Eine solche Lösung drängt sich schon deshalb auf, weil jeder Kanton - solange die Frage der Zuständigkeit offen oder streitig ist - grundsätzlich verpflichtet ist, die sein Gebiet betreffenden Tatsachen mindestens so weit zu erforschen, als es der Entscheid über den Gerichtsstand erfordert; diese Untersuchungen können auch ein Gutachten einschliessen (vgl. BGE 107 IV 80). Im Interesse der raschen Abwicklung des Verfahrens hat darüber hinaus ein Kanton, bei welchem - zufolge der Weigerung des zunächst angegangenen Kantons - die Strafsache durch Anzeige anhängig gemacht wurde, schon während des sich abzeichnenden Gerichtsstandskonflikts die Ermittlungen aufzunehmen bzw. fortzusetzen ![]() | 13 |
b) Die analoge Anwendung von Art. 354 Abs. 1 StGB auf Kosten, die bis zur Bestimmung des streitigen Gerichtsstandes aufgelaufen sind, führt dazu, dass die üblicherweise mit jeder Strafverfolgung verbundenen Kosten vorläufig durch den die Ermittlungen führenden Kanton zu tragen sind. Wenn dann im weiteren Verfahren einer Partei Kosten auferlegt werden, so sind ihr analog zu Art. 354 Abs. 3 StGB auch die bis zur Gerichtsstandsbestimmung entstandenen Kosten im gleichen Ausmass aufzuerlegen (STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 354, N 4; SCHWERI, a.a.O., N 514; MAX WAIBLINGER, Die Bestimmung des Gerichtsstandes bei Mehrheit von strafbaren Handlungen oder von Beteiligten, ZStrR 57, 104).
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c) Sobald Art oder Umfang der zu untersuchenden strafbaren Handlungen indessen den Beizug von Sachverständigen (insbesondere Bücherexperten oder Revisionsstellen) geboten erscheinen lassen (was vor allem in den oft komplizierten Wirtschaftsstrafsachen nicht selten der Fall sein wird) oder sonst aussergewöhnliche Kosten zur Folge haben (etwa Ermittlungen im Ausland), so hat der schliesslich als zuständig erklärte Kanton - da diese Kosten grundsätzlich nach Rechnungstellung zu begleichen ![]() | 15 |
d) Im vorliegenden Fall beauftragte bereits die Eidg. Bankenkommission die K. AG als bankengesetzlich anerkannte Revisionsgesellschaft mit der Liquidation sowie bis zum Inkrafttreten der betreffenden Verfügung mit der Aufnahme eines Vermögensnachweises sowie der Überwachung der Geschäftstätigkeit der beiden in Frage stehenden Finanzgesellschaften. Dies war dem Aargauer Untersuchungsrichter bekannt, als er der somit bereits mit der Sache vertrauten K. AG den Auftrag erteilte, die Herkunft sowie die Verwendung der durch die Kunden angelegten Gelder zu untersuchen; eine Interessenkollision zwischen diesem Auftrag und dem bereits bestehenden zur Liquidation der Gesellschaften erachtete er als nicht gegeben; zur Begründung führte er Zweckmässigkeits- und Kostengründe an. Die Gesuchsgegnerin macht weder geltend, die Anordnung dieses Gutachtens sei teilweise oder gänzlich überflüssig, noch sie hätte dieses mindestens zu einem viel niedrigeren Preis erstellen lassen können (vgl. dazu WAIBLINGER, a.a.O., S. 104). Sie bestreitet denn auch nicht, die durch die Gutachterin geleisteten Vorarbeiten übernommen und weiterverwendet zu haben. Die kantonale Abteilung für Wirtschaftsdelikte der Bezirksanwaltschaft Zürich teilte der K. AG am 18. Oktober 1989 vielmehr mit, dass sie mit der Weiterführung des erteilten Auftrages einverstanden sei.
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Dies rechtfertigt, die durch den - mindestens vertretbaren - Beizug der K. AG der Gesuchstellerin entstandenen ausserordentlichen Kosten dem Kanton Zürich aufzuerlegen, der sie zunächst zu begleichen hat. Dass auch diese Kosten bei einer allfälligen Kostenauflage an einen Beschuldigten oder Verdächtigen diesem überbunden werden können, versteht sich von selbst.
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e) Im übrigen sei aufgrund der Tatsache, dass die Gesuchstellerin in dieser Sache offenbar eine erhebliche Summe zur Sicherung von Bussen sowie Verfahrens- und Vollzugskosten beschlagnahmte, darauf hingewiesen, dass der Staat berechtigt ist, sich aus den beschlagnahmten Vermögenswerten für diese Kosten vorweg zu befriedigen: Das Bundesgericht hat in BGE 115 III 1 nämlich diese bereits von MAX WAIBLINGER (a.a.O., S. 104 f.) aufgeworfene "hübsche Frage" dahingehend beantwortet.
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