VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGE 116 IV 218  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Regeste
Sachverhalt
Auszug aus den Erwägungen:
3. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er durch die Ein ...
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. April 1990 i.S. X. gegen Eidgenössische Alkoholverwaltung, Schweizerische Bundesanwaltschaft und Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 14 VStrR, Art. 52 Ziff. 1 und Art. 54 Abs. 1 AlkG.  
 
Sachverhalt
 
BGE 116 IV, 218 (219)In der Zeit vom 19. Dezember 1984 bis zum 12. April 1985 führte X. auf zahlreichen Fahrten in einem Teil des mit einer Trennwand versehenen Benzintanks seines PW Alfa Romeo 1979 Liter Rum 80 Vol.% ohne Bewilligung und ohne Zollanmeldung sowie 1824 Liter Weinbrand 34,8 Vol.% und 294 Liter Whisky 40 Vol.% ohne Zollanmeldung in St. Margrethen in die Schweiz ein, wodurch dem Staat Monopolgebühren in den Beträgen von Fr. 89'853.50 (Rum) bzw. Fr. 98'696.76 (Weinbrand und Whisky), total (leicht aufgerundet) Fr. 188'550.30, entfielen.
1
 
Auszug aus den Erwägungen:
 
3. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass er durch die Einfuhren von Rum, Weinbrand und Whisky in einem Teil des mit einer Trennwand versehenen Benzintanks seines Personenwagens in der Zeit vom 19. Dezember 1984 bis zum 12. April 1985 bei St. Margrethen entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht den Tatbestand des Abgabebetrugs im Sinne von Art. 14 VStrR, sondern lediglich die Tatbestände der Verletzung von Hoheitsrechten des Bundes (Art. 52 Ziff. 1 AlkG) und der Hinterziehung von Abgaben (Art. 54 Abs. 1 AlkG) erfüllt habe. Seines Erachtens fehlt es an der Arglist. Im kantonalen Verfahren hatte er zudem, wie sich aus dem angefochtenen Entscheid ergibt, geltend gemacht, er sei beim Überqueren des Zolls nie danach gefragt worden, ob er Alkohol mit sich führe, und er habe somit niemanden getäuscht.
2
Wer die Verwaltung, eine andere Behörde oder einen Dritten durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder deren Irrtum arglistig benutzt und so für sich oder einen andern unrechtmässig eine Konzession, eine Bewilligung oder ein Kontingent, einen Beitrag, die Rückerstattung von Abgaben, eine andere Leistung des Gemeinwesens erschleicht, oder bewirkt, dass der Entzug einer Konzession, einer Bewilligung oder eines Kontingents unterbleibt, wird mit Gefängnis oder Busse bestraft (Art. 14 Abs. 1 VStrR). Bewirkt der Täter durch sein arglistiges Verhalten, dass dem Gemeinwesen unrechtmässig und in einem erheblichen Betrag eine Abgabe, ein Beitrag oder eine andere Leistung vorenthalten oder dass es sonst am Vermögen geschädigt wird, so ist die Strafe Gefängnis bis zu einem Jahr oder Busse bis zu 30'000 Franken (Art. 14 Abs. 2 VStrR).
3
Der Beschwerdeführer hat durch sein Verhalten unter anderem bewirkt, dass dem Gemeinwesen die Monopolgebühren auf den BGE 116 IV, 218 (220)von ihm im zweigeteilten Benzintank seines Personenwagens eingeführten gebrannten Wassern (vgl. Art. 27, 32 Abs. 1, 35 Abs. 1 AlkG) vorenthalten wurden, die von den Zollorganen für Rechnung der Eidgenössischen Alkoholverwaltung erhoben werden (Art. 34 Abs. 1 AlkG), wobei auf Veranlagung, Bezug und Sicherstellung dieser an der Grenze zu erhebenden Gebühren die Vorschriften der Zollgesetzgebung Anwendung finden (Art. 34 Abs. 2 AlkG).
4
a) Eine Irreführung der Verwaltung im Sinne von Art. 14 VStrR ist nicht schon dann und deshalb gegeben, wenn und weil der Meldepflichtige (vgl. Art. 9 ZG) seine Deklarationspflichten (vgl. Art. 29 f. ZG) verletzt; die Verletzung dieser Pflichten bedeutet nur, dass eine allfällige Irreführung durch Unterlassen rechtswidrig ist. Eine Irreführung des Beamten kommt erst dann in Betracht, wenn der Meldepflichtige überhaupt mit dem Beamten in Kontakt kommt und von diesem nach Waren gefragt wird. In den Fällen, in denen der Beamte sich um die die Grenze überquerenden Personen nicht kümmert bzw. diese "durchwinkt", entsteht - wie etwa beim Überschreiten der grünen Grenze - keine Situation, in welcher der Beamte getäuscht werden könnte, und fällt eine Verurteilung wegen Betrugs schon mangels Täuschung ausser Betracht. Zudem hat das Überqueren der Grenze vorbei an einem den Verkehr durchwinkenden Beamten nicht einen Erklärungswert des Inhalts, dass man keine Waren, auf denen beim Grenzübertritt Abgaben zu entrichten sind, mit sich führe. In diesen Fällen werden durch die Verletzung der Deklarationspflicht lediglich die Tatbestände der Hinterziehung nach den einschlägigen Spezialgesetzen erfüllt, welche im Unterschied zum Abgabebetrug nach Art. 14 VStrR nicht die Täuschung eines andern voraussetzen.
5
Eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betrugs fällt also mangels Täuschung eines andern von vornherein insoweit ausser Betracht, als der Beschwerdeführer beim Grenzübertritt nicht nach irgendwelchen Waren gefragt wurde. Wie es sich damit in tatsächlicher Hinsicht verhält, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht deutlich genug hervor. Die Vorinstanz hält lediglich fest, angesichts der vom Beschwerdeführer unternommenen "gegen 100 Schmuggelfahrten" sei es "völlig ausgeschlossen, dass er nie beim Überqueren des Zolls danach gefragt wurde, ob er Alkohol mit sich führe". Damit wird bloss festgestellt, dass der Beschwerdeführer mindestens einmal nach Waren gefragt BGE 116 IV, 218 (221)wurde. Ob er aber einmal oder beispielsweise 30mal nach Waren (und damit auch nach alkoholischen Getränken) gefragt wurde und wie oft er somit den Zollbeamten täuschte, kann indessen - auch bei Annahme von Fortsetzungszusammenhang - für die Bemessung der Strafe von Bedeutung sein. Soweit mangels Täuschung die Anwendung von Art. 14 VStrR ausser Betracht fällt, sind, wie auch in der Nichtigkeitsbeschwerde anerkannt wird, die Tatbestände von Art. 52 Ziff. 1 und 54 Abs. 1 AlkG erfüllt. Die Sache ist daher gemäss Art. 277 BStP zur Ergänzung des Sachverhalts und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
6
b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt arglistig, wer sich zur Täuschung eines andern besonderer Machenschaften oder Kniffe bedient oder ein ganzes Lügengebäude errichtet, aber auch jener, der bloss falsche Angaben macht, wenn deren Überprüfung besondere Mühe erfordert, unmöglich oder nicht zumutbar ist; ferner ist Arglist auch gegeben, wenn der Täter den Getäuschten von der Überprüfung der falschen Angaben abhält oder wenn er voraussieht, dass der andere die Überprüfung unterlassen wird, sofern sich diese Voraussicht aus einem besonderen Vertrauensverhältnis ergibt, auf klaren Regelungen oder Zusicherungen beruht und nicht nur eine auf gewissen Beobachtungen beruhende Erwartung darstellt (BGE 107 IV 169 ff., BGE 108 Ib 298 mit Hinweisen, BGE 111 Ib 247 E. b).
7
Ob der zum allgemeinen Betrugstatbestand entwickelte Arglistbegriff unverändert auf den Abgabebetrug gemäss Art. 14 VStrR übertragen werden kann oder ob insoweit im Hinblick auf die Existenz einfacher Hinterziehungstatbestände auf das letzte Merkmal des Arglistkatalogs zu verzichten ist (so SCHULTZ, ZStW 1985, S. 400 Fn. 105; vgl. auch MEINRAD BETSCHART, ASA 1990, S. 545 ff.), kann offenbleiben. Denn soweit in tatsächlicher Hinsicht von einer Täuschung auszugehen ist, bediente sich der Beschwerdeführer jedenfalls besonderer Machenschaften. Denn die Zweiteilung des Benzintanks, die der Beschwerdeführer speziell zu diesem Zweck durch einen Garagisten in Varese/I hatte vornehmen lassen, stellt einen geradezu klassischen Fall einer Machenschaft dar. Zudem erfordert das Auffinden eines derart raffinierten Verstecks eine eingehende und umfassende Durchsuchung, welche den Beamten schon angesichts des verfügbaren Personals und im Interesse des Verkehrsflusses an der Grenze jedenfalls in der Regel nicht zumutbar ist.
8
BGE 116 IV, 218 (222)c) Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen vollendeten Betrugs setzt im weiteren voraus, dass zwischen der arglistigen Täuschung, also der täuschenden Erklärung des Beschwerdeführers und dem Verstecken der Ware im zweigeteilten Benzintank, und der Vorstellung des Beamten, der Beschwerdeführer führe tatsächlich keine Waren mit sich, ein Kausalzusammenhang besteht. An diesem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es, wenn der Beamte überhaupt keine Durchsuchung vornahm, also beispielsweise nicht einmal einen Blick in den Kofferraum warf, sondern sich auf seine Frage hin mit der Erklärung des Beschwerdeführers begnügte, er führe keine Waren mit; denn dann hat sich das raffinierte Versteck im zweigeteilten Benzintank nicht auf die Vorstellung des Beamten ausgewirkt. In den Fällen, in denen der Beamte nicht nach Waren suchte, liegt mangels Kausalzusammenhangs zwischen der arglistigen Täuschung durch das raffinierte Verstecken der Ware und dem Irrtum des Beamten lediglich, aber immerhin versuchter Betrug vor.
9
Dem angefochtenen Entscheid kann nicht entnommen werden, ob bzw. wie oft der Beschwerdeführer bzw. sein Gepäck und sein Fahrzeug bei den gegen 100 Schmuggelfahrten von den Beamten nach Waren durchsucht wurden. Die Sache ist daher auch insoweit gemäss Art. 277 BStP zur Ergänzung des Sachverhalts und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
10
d) Eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betrugs im Sinne von Art. 14 VStrR als vollendete Tat ist mithin nur insoweit möglich, als erstens der Beschwerdeführer beim Grenzübertritt vom Beamten nach Waren gefragt wurde (E. 3a) und zweitens der Beamte auf die negative Antwort des Beschwerdeführers erfolglos nach Waren suchte (E. 3c). Soweit sich der Beamte mit der negativen Antwort des Beschwerdeführers begnügte und also auf eine Durchsuchung verzichtete, liegt lediglich versuchter Betrug vor (E. 3c). Soweit der Beamte überhaupt nicht nach Waren fragte, ist Art. 14 VStrR nicht anwendbar (E. 3a).
11
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR).