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42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. September 1990 i.S. X. gegen Eidgenössische Zollverwaltung, Schweizerische Bundesanwaltschaft und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 73 Abs. 1 Satz 2 VStrR. Art. 123 und Art. 124 der Zollverordnung (ZV). |
Art. 77 Abs. 4 VStrR. |
So wie der rechtskräftige Entscheid der Verwaltung über die Leistungspflicht gemäss dieser Bestimmung unter dem darin genannten Vorbehalt für das Strafgericht verbindlich ist, ist dieses in den Fällen, in denen kein Entscheid über die Leistungspflicht getroffen werden konnte, unter dem gleichen Vorbehalt an die Feststellungsverfügung der Verwaltung über die Grundlagen der Abgabenberechnung und, wenn der Beschuldigte eine solche Feststellungsverfügung nicht verlangt hat, an die Abgabenberechnung gemäss dem Schlussprotokoll gebunden. Art. 77 Abs. 4 VStrR ist insoweit lückenhaft. | |
Sachverhalt | |
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2) Im Schlussprotokoll der Eidgenössischen Zollverwaltung, Untersuchungsdienst Zürich, aufgenommen am 26. Oktober 1983, wird festgehalten, dass der Wert der fraglichen Waren gemäss Expertise Fr. 245'036.-- beträgt und somit die Warenumsatzsteuer auf der Einfuhr - 9,3% des Warenwerts - Fr. 22'788.34 ausmacht. Mit Strafverfügung vom 28. Oktober 1985 verurteilte die Oberzolldirektion (OZD) X. in Bestätigung ihres Strafbescheides vom 18. September 1984 in Anwendung von Art. 87 ZG sowie Art. 52 und 53 WUStB zu einer Busse von Fr. 11'390.-- (entsprechend ![]() | 2 |
Mit Eingabe vom 6. November 1985 beantragte X. die Beurteilung durch das Strafgericht. Die Akten gingen zusammen mit der Überweisung/Anklage der OZD vom 8. September 1987 am 15. September 1987 beim zuständigen Richter ein.
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3) Der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich liess mit Verfügung vom 19. November 1987 die Anklage vom 8. September 1987 nicht zu, da es an einem rechtskräftigen Entscheid über die Leistungspflicht des Angeklagten X. fehle und daher gemäss Art. 73 Abs. 1 Satz 2 VStrR die Überweisung zu unterbleiben habe; das strafgerichtliche Verfahren wurde deshalb als erledigt abgeschrieben. Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich hob diesen Entscheid am 9. August 1988 in Gutheissung des Rekurses der OZD auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung über die Zulassung der Anklage gegen X. an den Einzelrichter zurück. Auf eine von X. gegen diesen Beschluss erhobene staatsrechtliche Beschwerde trat die I. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts mit Entscheid vom 3. November 1988 nicht ein.
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B.- Der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich verfügte am 22. Dezember 1988 die Zulassung der Anklage, sprach X. der fahrlässigen Widerhandlung im Sinne von Art. 52 Abs. 1 WUStB schuldig und büsste ihn mit Fr. 11'390.--. Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich bestätigte am 27. April 1989 diesen Entscheid.
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C.- Der Gebüsste führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts vom 27. April 1989 sei vollumfänglich aufzuheben.
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D.- Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die vom Gebüssten gegen das Urteil des Obergerichts erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde am 26. Mai 1990 ab, soweit es darauf eintrat.
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Aus den Erwägungen: | |
4. Die Abgabenberechnung gemäss dem Schluss-Protokoll vom 26. Oktober 1983, durch welches die WUSt auf der Einfuhr der durch Expertise auf einen Wert von Fr. 245'036.-- geschätzten Waren auf Fr. 22'788.34 (d.h. 9,3% des Warenwertes) bestimmt worden ist, stellt aus den nachstehenden Gründen zwar keine ![]() | 8 |
a) Art. 123 ZV ("Entscheid über die Leistungspflicht") bestimmt in den Absätzen 1 und 2 folgendes:
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Sind die von der Widerhandlung betroffenen Zölle und anderen Abgaben
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nicht bereits anlässlich einer Zollabfertigung veranlagt worden, so
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trifft der untersuchende Beamte den Entscheid über die Leistungspflicht
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(Art. 12 und 63 VStrR).
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Dem Beschuldigten wird der Entscheid über seine Leistungspflicht
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gleichzeitig mit dem Schlussprotokoll eröffnet. Wird der Entscheid
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ausnahmsweise für einen späteren Zeitpunkt vorbehalten, so ist dies dem
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Beschuldigten mitzuteilen. ...
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Art. 124 ZV ("Feststellungsverfügung") lautet:
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Ist der Beschuldigte nicht leistungspflichtig erklärt worden, anerkennt
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er jedoch die im Schlussprotokoll angegebenen Grundlagen der
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Abgabenberechnung ... nicht, so kann er innert der nach Art. 61 Abs. 3
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VStrR massgeblichen Frist hierüber eine Feststellungsverfügung beantragen.
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Fällt eine Mithaftung des Beschuldigten nach Art. 12 Abs. 3 des
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Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht in Betracht, oder lassen es
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die Umstände sonst als geboten erscheinen, so trifft der untersuchende
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Beamte von Amtes wegen eine Feststellungsverfügung im Sinne von Abs. 1.
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Dem Art. 123 Abs. 1 und 2 ZV entsprechen die Rubriken 21, 211 und 212 des Formulars "Erläuterungen zum Schlussprotokoll", und dem Art. 124 Abs. 1 ZV entspricht die Rubrik 22 des Formulars "Erläuterungen zum Schlussprotokoll". Diese beiden Bestimmungen sind auf der Rückseite des Formulars abgedruckt. Art. 124 ZV betrifft den Beschuldigten, der "nicht leistungspflichtig erklärt worden" ist. Art. 123 ZV betrifft demgegenüber den Beschuldigten, der leistungspflichtig ist. Der Kreis der Personen, die leistungspflichtig sind, wird in Art. 12 VStrR umschrieben, auf den in Art. 123 Abs. 1 ZV unter anderem verwiesen wird. Leistungspflichtig ist gemäss Art. 12 Abs. 2 VStrR, wer in den Genuss des unrechtmässigen Vorteils gelangt ist, insbesondere der zur Zahlung der Abgabe Verpflichtete etc. Wer vorsätzlich die Widerhandlung begangen oder an ihr teilgenommen hat, haftet für den nachzuentrichtenden Betrag solidarisch mit dem nach Abs. 2 Zahlungspflichtigen (Art. 12 Abs. 3 VStrR). Zahlungspflichtig in bezug auf die WUSt auf der Wareneinfuhr sind nach Art. 46 WUStB die ![]() | 27 |
b) Nach Aufdeckung der unrichtigen Deklaration im Rahmen der zollamtlichen Revision verzichtete der Beschwerdeführer darauf, die fraglichen Waren erneut zur Einfuhr anzumelden und die WUSt zu entrichten. Er zog es vor, die Waren im Zollfreilager Zürich zu belassen, das gemäss Art. 2 Abs. 3 ZG als Zollausland gilt. Solange die fraglichen Waren aber im Zollfreilager blieben, konnte der gemäss Art. 46 WUStB in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 ZG und Art. 9 Abs. 1 ZG WUSt-zahlungspflichtige Beschwerdeführer nicht durch eine entsprechende Verfügung gemäss Art. 12 Abs. 2 VStrR und Art. 123 ZV leistungspflichtig erklärt werden. Ein Entscheid über die Leistungspflicht des Beschwerdeführers konnte nicht gemäss Art. 123 Abs. 2 Satz 1 ZV gleichzeitig mit dem Schlussprotokoll vom 26. Oktober 1983 eröffnet werden, da sich die fraglichen Waren damals im Zollfreilager und damit im Zollausland befanden und somit noch keine Pflicht zur Zahlung der WUSt auf der Wareneinfuhr bestand. Die Zollverwaltung ging damals, im Oktober 1983, offenbar aber davon aus, dass der Beschwerdeführer die fraglichen Gegenstände zu einem späteren Zeitpunkt im Zollfreilager abholen und über die schweizerische Zollgrenze bringen lassen werde, und sie stellte ihm daher durch Ankreuzen der Rubrik 212 auf dem Formular "Erläuterungen zum Schlussprotokoll" in Anwendung von Art. 123 Abs. 2 Satz 2 ZV in Aussicht, dass der Entscheid über seine Leistungspflicht "später getroffen" werde. Die fraglichen Waren blieben indessen weiterhin im Zollfreilager Zürich, und daher konnte eine Verfügung über die Leistungspflicht des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 123 ZV und Art. 12 Abs. 2 VStrR weiterhin nicht getroffen werden. Die Zollverwaltung sah sich offenbar aus diesem Grunde veranlasst, nun statt des Verfahrens nach Art. 123 ZV das Verfahren gemäss Art. 124 Abs. 1 ZV durchzuführen. Sie teilte dies dem Beschwerdeführer während der Hängigkeit des Verfahrens betreffend dessen Einsprache gegen den Strafbescheid vom 18. September 1984 unter Bezugnahme auf diese Einsprache mit Schreiben vom 30. Mai 1985 mit. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden. Ein Entscheid über die Leistungspflicht gemäss Art. 123 ZV konnte nicht getroffen werden, da die Waren sich weiterhin im Zollausland befanden und somit keine Pflicht zur Zahlung der WUSt auf der Wareneinfuhr bestand. Es war sinnvoll, gerade vor dem Entscheid über die Einsprache gegen den ![]() | 28 |
c) Der Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht eine (beschwerdefähige) Feststellungsverfügung über die Grundlagen der Abgabenberecnung verlangt hat, bedeutet indessen nicht, dass die Abgabenberechnung gemäss dem Schlussprotokoll vom 26. Oktober 1983 als rechtskräftige Entscheidung über die Leistungspflicht im Sinne von Art. 73 Abs. 1 Satz 2 VStrR zu betrachten sei. Eine solche Entscheidung konnte nach dem Gesagten gar nicht getroffen werden, da die fraglichen Waren im Zollfreilager blieben und somit keine Pflicht zur Zahlung der WUSt auf der Wareneinfuhr bestand. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer keine Feststellungsverfügung über die Grundlagen der Abgabenberechnung verlangt hat, bedeutet bloss, dass die Abgabenberechnung gemäss dem Schlussprotokoll endgültig die Grundlage für das Strafverfahren blieb.
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d) Fälle der vorliegenden Art, in denen kein Entscheid über die Leistungspflicht getroffen worden ist, sind in Art. 73 Abs. 1 VStrR nicht ausdrücklich geregelt. Das bedeutet indessen nicht, dass in Fällen, in denen eine Feststellungsverfügung gemäss Art. 124 ZV vorliegt, oder in Fällen, in denen der Beschuldigte keine Feststellungsverfügung verlangt hat und daher einzig die Abgabenberechnung gemäss dem Schlussprotokoll vorliegt, eine Überweisung gemäss Art. 73 Abs. 1 VStrR an das Strafgericht und damit eine ![]() | 30 |
e) Fälle der vorliegenden Art, in denen keine Verfügung über die Leistungspflicht getroffen worden ist, sind auch in Art. 77 Abs. 4 VStrR betreffend die Bindung des Strafgerichts an den Entscheid der Verwaltung nicht ausdrücklich geregelt. Auch Art. 77 Abs. 4 VStrR ist insoweit lückenhaft. So wie das Strafgericht - unter dem Vorbehalt einer offensichtlichen Gesetzesverletzung oder eines Ermessensmissbrauchs - an den rechtskräftigen Entscheid der Verwaltung über die Leistungspflicht gebunden ist, ist es - unter dem gleichen Vorbehalt - auch an eine Feststellungsverfügung im Sinne von Art. 124 ZV und, wenn eine solche nicht verlangt worden ist, an die Abgabenberechnung gemäss dem Schlussprotokoll hinsichtlich der Abgabepflicht im Grundsatz und im Umfang gebunden. Das ergibt sich schon aus dem dem VStrR zugrunde liegenden und auch etwa in Art. 63 VStrR zum Ausdruck kommenden Gedanken der strikten Trennung zwischen dem Abgabenfestsetzungsverfahren einerseits und dem Strafverfahren anderseits.
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f) Das Obergericht verstiess somit nicht gegen Bundesrecht, wenn es erstens die Überweisung/Anklage der OZD vom 8. September 1987 trotz Fehlens eines rechtskräftigen Entscheides über die Leistungspflicht zuliess und wenn es zweitens seinem Urteil in bezug auf die Frage der Abgabepflicht im Grundsatz und im Umfang die Abgabenberechnung gemäss dem Schlussprotokoll des Untersuchungsdienstes Zürich der Eidgenössischen Zollverwaltung vom 26. Oktober 1983 als massgebend zugrunde legte.
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