BGE 116 IV 258 | |||
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48. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 6. September 1990 i.S. A.P. gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Schweizerische Zollverwaltung, Oberzolldirektion | |
Regeste |
Art. 2 Abs. 2 StGB; Art. 52 WUStB; Goldeinfuhr. |
2. Art. 52 WUStB ist eine Blankettstrafnorm (E. 4d). |
3. Die gestützt auf Art. 54 WUStB erlassene Verordnung des Bundesrates über die Besteuerung des Münz- und Feingoldes vom 14. Dezember 1979 enthält eine zeitgesetzliche Regelung (E. 4). | |
Sachverhalt | |
A.- Gestützt auf ein Gesuch der Zollkreisdirektion Zürich erliess die Bezirksanwaltschaft Zürich am 23. August 1990 gegen den israelischen Staatsangehörigen A.P. wegen des dringenden Verdachts der illegalen Einfuhr von Gold und Goldmünzen in den Jahren 1986 und früher einen Haftbefehl; als Haftgrund wurde Flucht- und Kollusionsgefahr angegeben.
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B.- Ein Haftentlassungsgesuch des Verhafteten vom 24. August 1990 wies die Bezirksanwaltschaft Zürich nach Anhören der Zollkreisdirektion Zürich mit Verfügung vom 27. August 1990 ab.
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Die Oberzolldirektion und die Bezirksanwaltschaft Zürich beantragen, letztere sinngemäss durch Verweisung auf die Vernehmlassung der Oberzolldirektion, die Beschwerde abzuweisen.
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung: | |
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b) Der Beschwerdeführer bringt - wie schon in seinem Haftentlassungsgesuch - vor, die Strafbarkeit des ihm zur Last gelegten Verhaltens sei im heutigen Zeitpunkt nicht mehr gegeben, weshalb er in Anwendung von Art. 2 Abs. 2 StGB von Schuld und Strafe freizusprechen wäre. Es fehle damit am Verdacht einer Widerhandlung.
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c) Ob die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Widerhandlung an sich strafbar sei oder nicht, wird der zuständige Sachrichter zu entscheiden haben. Der Anklagekammer des Bundesgerichts obliegt indessen im Rahmen der Beschwerde nach Art. 26 VStrR die Aufgabe dafür zu sorgen, dass die zur Anwendung gelangenden Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts - im vorliegenden Fall Art. 52 VStrR - richtig angewandt werden. Es ist somit zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verhaftung - insbesondere der Verdacht einer Widerhandlung - gegeben waren.
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b) Gemäss Art. 54 Abs. 2 lit. h WUStB ist das Eidgenössische Finanzdepartement zuständig, Sondervorschriften über die Besteuerung der Lieferung und der Einfuhr von Gold aufzustellen.
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Mit Verfügung Nr. 6c vom 8. Mai 1954 befreite das Departement Münz- und Feingold von der Warenumsatzsteuer, da inzwischen der Preis auf den freien Goldmärkten sich wieder der Parität genähert und das Gold seine Funktion als internationales Zahlungsmittel zurückgewonnen hatte (WELLAUER, a.a.O., N 50).
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Diese Regelung galt bis zum 31. Dezember 1979. Mit Wirkung ab 1. Januar 1980 (Verordnung Nr. 6d, AS 1979 II 2140) hob das Eidgenössische Finanzdepartement diese Steuerbefreiung auf, womit sämtliche Inlandumsätze und Einfuhren von Gold aller Sorten der Warenumsatzsteuer unterlagen (METZGER, Warenumsatzsteuer, Bern 1983, N 77).
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Mit Wirkung ab 1. Januar 1986 befreite das Departement die Inlandlieferung, den Eigenverbrauch und die Einfuhr von Münz- und Feingold wieder von der Warenumsatzsteuer (Verordnung Nr. 6e, SR 641.233).
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b) Gemäss Art. 53 WUStB sind auf die Widerhandlungen gemäss Art. 52 WUStB die für die Zollwiderhandlungen geltenden Bestimmungen anwendbar. Nach Art. 87 Zollgesetz (ZG; SR 631.0) ist für die Strafverfolgung das Verwaltungsstrafrecht massgebend, auf dessen Art. 52 ff. sich denn auch der Haftbefehl der Bezirksanwaltschaft stützt.
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Nach Art. 2 VStrR gelten die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches auch für Taten, die gemäss der Verwaltungsgesetzgebung mit Strafen bedroht sind. Da das VStrR bezüglich der zeitlichen Geltung keine abweichenden Vorschriften enthält, ist in dieser Hinsicht Art. 2 Abs. 2 StGB auch im Verwaltungsstrafrecht anzuwenden. Davon ist seit BGE 97 IV 236 ff. E. 3 auszugehen, gemäss welchem Entscheid entgegen der früheren Rechtsprechung Art. 2 Abs. 2 StGB auch auf "Verwaltungsgesetze", welche Strafbestimmungen enthalten, anwendbar ist.
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c) Die Frage, ob der Warenumsatzsteuerbeschluss ein Zeitgesetz sei, stellt sich im vorliegenden Fall nicht; die Frage wäre wohl zu verneinen (vgl. dazu METZGER, Warenumsatzsteuer, N 19; KELLER, ASA 50, 171; HÖHN in Kommentar BV, Art. 8 ÜB, N 1).
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d) Zu prüfen ist vielmehr, ob die Verfügungen des Departements, mit welchen gemäss Art. 54 WUStB die Steuerunterwerfungen bzw. -befreiungen erfolgten, Zeitgesetze sind oder nicht; denn bei Art. 52 WUStB, der seit dem 1. Januar 1975 (Inkrafttreten des Verwaltungsstrafrechts; Ziff. 28 Anhang VStrR) in unveränderter Form gilt, handelt es sich um eine Blankettstrafnorm, da sich die Strafbarkeit des über diese Norm sanktionierten Verhaltens erst aus den entsprechenden Bestimmungen über die Besteuerung bestimmter Waren, d.h. im vorliegenden Fall in bezug auf das Gold aus den Verfügungen des Departements ergibt. Solche Blankettstrafnormen erlauben, durch elastische Auswechselbarkeit der blankettausfüllenden Norm akuten Bedürfnissen (z.B. Wirtschafts- und Versorgungskrisen) oder sich wandelnden Zeitverhältnissen (z.B. bei Besteuerungen oder Einfuhrbeschränkungen) Rechnung zu tragen, ohne dass sich dabei die Erreichung des gesteckten Zieles von vornherein zeitlich schon genau vorhersehen und fixieren liesse; doch kommt es bei solchen Ausfüllungsnormen auf ihren jeweiligen konkreten Inhalt und Zweck an, so dass nicht etwa Steuergesetze als Ganzes oder vergleichbare Rechtsgebiete in ihrer Gesamtheit als zeitgesetzliche Regelungen behandelt werden können (SCHÖNKE/SCHRÖDER/ESER, Strafgesetzbuch, Kommentar, 23. Auflage, § 2 N 35 mit Hinweisen).
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e) Nach der Vernehmlassung der Oberzolldirektion gründete die Einführung sowie die spätere Aufhebung der Besteuerung von Inlandumsätzen und Einfuhren von Münz- und Feingold auf rein fiskalischen Überlegungen; die stetig steigenden Goldpreise und der wachsende Umfang des physischen Handels mit Gold in der Schweiz hätten ein beachtliches Fiskalaufkommen erhoffen lassen; als sich indessen diese Erwartungen wegen vermehrten Handels mit Anrechten (Metallkonti) und der weitgehenden Abwicklung des physischen Goldhandels im Zollausland nicht erfüllt hätten, sei diese Besteuerung wieder aufgehoben worden.
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Grund für die Aufhebung der Besteuerung war somit eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nach deren Einführung. Von einer geänderten Rechtsauffassung kann entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine Rede sein, denn die grundsätzliche Strafwürdigkeit der Hinterziehung bzw. Gefährdung der Warenumsatzsteuer wurde von der Änderung nicht berührt.
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f) Damit liegt bezüglich der Besteuerung von Goldeinfuhren, wie sie dem Beschwerdeführer vorgeworfen werden, eine zeitgesetzliche Regelung vor, weshalb Art. 2 Abs. 2 StGB hier keine Anwendung finden kann (vgl. BGE 105 IV 2 E. 1). Der Verdacht einer Widerhandlung im Sinne von Art. 52 VStrR ist daher gegeben.
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