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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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15. Urteil des Kassationshofes vom 31. Januar 1991 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen X. und Y. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
1. Art. 19 Ziff. 1 BetmG; unbefugter Umgang mit Betäubungsmitteln. |
2. Art. 18 StGB; Prinzip des erlaubten Risikos. |
Ein tatbestandsmässiges Verhalten, das an sich aber eine sozial nützliche Tat darstellt (hier der Transport von Betäubungsmitteln, um diese zu vernichten), ist auch bei Vorsatz nicht rechtswidrig, wenn ein erlaubtes Risiko verwirklicht wird (E. 2b); Abwägung von Nutzen und Risiko nach den Umständen des Einzelfalles (E. 2c). | |
Sachverhalt | |
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Frau X. beabsichtigte von Anfang an die Vernichtung des Kokains, während bei Y. vorerst wegen des Eigentumsrechts des Freundes von Frau X. eine gewisse Unsicherheit darüber bestand, was mit dem Stoff geschehen solle; von Anfang an wollte er jedoch verhindern, dass die Drogen in irgendeiner Form wieder in Verkehr gebracht würden, und er entschied sich schliesslich ebenfalls klar für deren Vernichtung im Rahmen der gemeinsamen Fahrt, an welcher Aktion er sich denn auch aktiv beteiligte.
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Das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft sprach beide Angeklagte am 21. November 1989 zweitinstanzlich vom Vorwurf der qualifizierten Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel (BetmG) frei. Y. wurde der Begünstigung sowie der Zuwiderhandlung gegen das Gewässerschutzgesetz schuldig gesprochen und mit drei Tagen Gefängnis (bedingt) und einer Busse von Fr. 50.-- bestraft. Frau X. wurde auch im Anklagepunkt der Begünstigung freigesprochen.
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Gegen diesen Entscheid führt die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung der Angeklagten wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das BetmG an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
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Die Vorinstanz und die Beschwerdegegner fordern denn auch zu Unrecht als Voraussetzung für die Strafbarkeit einen (direkten) Bezug des Beförderns zum Betäubungsmittelhandel; ein solcher ist nicht erforderlich, vielmehr genügt die abstrakte Gefahr, dass ein Betäubungsmittel - auf welchem Wege auch immer - in Verkehr gebracht oder zugänglich gemacht werden kann.
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b) In der neueren Doktrin wird diskutiert, ob mit der Verwirklichung der Tatbestandserfordernisse die Rechtswidrigkeit des Verhaltens bereits zureichend begründet ist, ob - mit anderen Worten - das Verhältnis von Tatbestandsmässigkeit und Rechtswidrigkeit tatsächlich, wie bislang zumeist angenommen, auf den einfachen Nenner von Unrechtsbegründung durch die Tatbestandsmässigkeit und von Unrechtsausschluss bei Vorliegen von Rechtfertigungsgründen gebracht werden kann. Fraglich erscheint, ob das Unrecht nicht allgemein oder doch bei bestimmten Delikten von weiteren Voraussetzungen als der Tatbestandsmässigkeit abhängt. Verschiedene dogmengeschichtliche Entwicklungen lassen sich heute auf den gemeinsamen Nenner bringen, dass tatbestandsmässiges Handeln nur dann rechtswidrig ist, wenn es ein unerlaubtes Risiko verwirklicht (so STRATENWERTH, Strafrecht Allgemeiner Teil I, Bern 1982, § 10 N 2 und 3). Es braucht hier nicht weiter auf die verschiedenen Begründungen dieses Standpunktes in der Doktrin eingegangen zu werden (vgl. dazu STRATENWERTH, § 10 N 4 ff. mit Verweisungen). Überzeugend erscheinen jedenfalls die Ausführungen STRATENWERTHS dazu (a.a.O. § 10 N 9). So ist das Prinzip des erlaubten Risikos bei den Fahrlässigkeitsdelikten anerkannt (BGE 90 IV 11; 80 IV 132 f.; TRECHSEL, Kurzkommentar zum StGB, Zürich 1989, Art. 18 N 31 mit Hinweisen); danach ist es gestattet, bestimmte Risiken für fremde Rechtsgüter herbeizuführen.
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Im Lichte dieser Grundsätze erweisen sich die Freisprüche von der Anklage der qualifizierten Widerhandlung gegen das BetmG nicht als bundesrechtswidrig.
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c) Die Beschwerdegegner strebten die Vernichtung der 70 g Kokain an, und sie verwirklichten dies auch, indem sie den Stoff in einen Abwasserschacht warfen und ihn so unbrauchbar machten. Soweit damit ein Beweismittel beiseite geschafft werden sollte, wurde Y. der Begünstigung gemäss Art. 305 StGB schuldig erklärt, Frau X. hingegen vorliegend unangefochten freigesprochen, da bei ihr ein Fall der straflosen Selbstbegünstigung vorliege.
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Da das Bundesrecht eine allgemeine Pflicht zur Anzeige von strafbaren Handlungen nicht kennt (BGE 113 IV 75), waren die Beschwerdegegner nicht verpflichtet, die unbefugte Aufbewahrung von Kokain den Strafverfolgungsorganen zu melden, damit diese die Betäubungsmittel aus dem Verkehr hätten ziehen können. Auch die Vernichtung der Betäubungsmittel war keine vom BetmG unter Strafe gestellte Handlung, sondern bildete im Gegenteil eine Massnahme zur Vermeidung der Gefahr einer Gesundheitsschädigung durch Drogenkonsum. Entscheidend ist deshalb, ob dieser Nutzen ihrer Tätigkeit die Eingehung des mit dem Transport des Betäubungsmittels verbundenen Risikos (vgl. dazu oben E. a) rechtfertigte.
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Mit dem nur kurz dauernden Drogentransport wurde zwar die entfernte Gefahr, dass Dritte in den Besitz des Betäubungsmittels hätten gelangen und dieses so hätte in Verkehr gebracht werden können, geschaffen; unter den gegebenen Umständen war das Risiko jedoch nur gering, und die Beschwerdegegner durften es ![]() | 14 |
d) Die Beschwerdeführerin macht geltend, bei der vorliegend vertretenen Auffassung würde der Transport von Betäubungsmitteln wohl kaum mehr geahndet werden können, da sehr bald jeder, der mit Drogen unterwegs betroffen werde, unwiderlegbar angeben würde, er sei gerade auf dem Weg zur Vernichtung des Rauschgifts. Abgesehen davon, dass allfällige Beweisschwierigkeiten nicht zum entscheidenden Kriterium der Auslegung einer Strafbestimmung werden dürfen, erscheint der Einwand der Beschwerdeführerin nicht als stichhaltig. In der Regel dürfte sich die Behauptung eines Drogentransporteurs, er sei im Begriff, die Betäubungsmittel der Vernichtung zuzuführen, ohne weiteres als blosse Schutzbehauptung erweisen.
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