BGE 117 IV 87 | |||
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20. Urteil der Anklagekammer vom 8. Mai 1991 in Sachen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen Generalprokurator des Kantons Bern | |
Regeste |
Art. 350 Ziff. 1 StGB; Art. 264 BStP; Gerichtsstand. |
2. Für die Anwendung von Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist in erster Linie auf die objektive Strafdrohung abzustellen, nicht auf das Verschulden. | |
Sachverhalt | |
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Kurz vor der erneuten Flucht verübte Z. während eines Beziehungsurlaubes vom 15./16. Januar 1991 verschiedene Delikte in den Kantonen Solothurn, Aargau, Luzern und Bern.
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Am 18. Januar 1991 konnte Z. nach der Kollision mit einem Polizei-Dienstwagen auf der anschliessenden Flucht durch die Polizei angehalten werden.
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Das Ermittlungsverfahren wurde bisher durch die Behörden des Kantons Bern geführt.
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Nach Abschluss der Ermittlungen ersuchte der Generalprokurator des Kantons Bern das Untersuchungsrichteramt des Kantons Solothurn, die Verfolgung und Beurteilung von Z. für die seit dem 15. Januar 1991 begangenen Delikte zu übernehmen; das Untersuchungsrichteramt lehnte seine Zuständigkeit ab. Die weiteren Gerichtsstandsverhandlungen führten zu keiner Einigung.
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B.- Mit Gesuch vom 5. April 1991 beantragt die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Behörden des Kantons Bern zuständig zu erklären.
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Der Generalprokurator beantragt, die Behörden des Kantons Solothurn zuständig zu erklären.
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung: | |
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a) Die mit der schwersten Strafe bedrohten Delikte sind die Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB) und die Diebstähle (Art. 137 StGB), die beide mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis bedroht sind.
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In diesem Fall bestimmt sich der gesetzliche Gerichtsstand gemäss Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Nach dieser Bestimmung sind die Behörden des Ortes zuständig, wo die Untersuchung zuerst angehoben wurde.
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b) Die erste Anzeige betreffend eines dieser beiden Delikte war die Meldung des Diebstahls im Tennis-Center "Top Sport" in Bellach/SO vom 15. Januar 1991.
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Beide Parteien sind sich darin einig, dass der gesetzliche Gerichtsstand im Kanton Solothurn liegt.
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a) Die Anklagekammer kann zwar die Zuständigkeit beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen anders als in Art. 350 StGB bestimmen; sie macht von dieser Möglichkeit indessen nur zurückhaltend Gebrauch, wenn triftige Gründe ausnahmsweise ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand gebieten; diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn in einem Kanton ein offensichtliches Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit liegt (BGE 86 IV 63 f. E. 3 und 131 E. 3).
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Für die Beurteilung, ob in einem Kanton ein Schwergewicht bestehe oder nicht, sind nur gleichartige oder gleich gelagerte deliktische Handlungen oder verschiedene Tatbestände, deren Strafdrohungen sich indessen nicht wesentlich unterscheiden, zu berücksichtigen (BGE 117 IV 95 E. 4c).
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Im vorliegenden Fall ist demnach auf die Diebstähle und die Gefährdung des Lebens abzustellen, die beide mit gleicher Strafe bedroht sind. Die SVG-Delikte sind nicht so zahlreich, dass sie hier miteinbezogen werden müssten.
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Dem Beschuldigten werden im Kanton Aargau ein Diebstahl, im Kanton Solothurn zwei Diebstähle und im Kanton Bern fünf Diebstähle sowie eine Gefährdung des Lebens zur Last gelegt. Diese Verteilung der Delikte auf die beteiligten Kantone ergibt zwar, dass auf den Kanton Bern einige Delikte mehr entfallen; sie erlaubt es indessen nicht, von einem offensichtlichen Schwergewicht im Kanton Bern zu sprechen (vgl. Entscheid der Anklagekammer vom 13. Februar 1991 in Sachen P., auf den der Gesuchsgegner zu Recht verweist; vgl. auch SCHWERI, Gerichtsstandsbestimmung, N 421).
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b) Dass die im Kanton Bern begangene Gefährdung des Lebens verschuldensmässig schwerer wiegt als ein Vermögensdelikt, vermag zu keiner anderen Lösung zu führen, denn in erster Linie ist die objektive Strafdrohung der in Frage kommenden Tatbestände massgebend.
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c) Die dem Beschuldigten zur Last gelegte Reihe von strafbaren Handlungen begann nicht im Kanton Bern, sondern nach übereinstimmender Auffassung der Parteien im Kanton Solothurn, weshalb sich die Gesuchstellerin zu Unrecht auf BGE 79 IV 47 beruft; nach diesem Entscheid kann jenem Kanton die Strafverfolgung zugewiesen werden, aus dessen Strafvollzugsanstalt der Beschuldigte entwichen ist und auf dessen Gebiet er die Kette von strafbaren Handlungen begonnen hat (vgl. auch SCHWERI, a.a.O., N 451 ff.).
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Demnach erkennt die Anklagekammer:
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