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30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. März 1991 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 105 AVIG, Art. 148 StGB. Erschleichung von Schlechtwetterentschädigungen. |
2. Die Erschleichung von Schlechtwetterentschädigungen durch arglistige Täuschung ist als Betrug (Art. 148 StGB) und nicht als Leistungsbetrug (Art. 14 VStrR) zu ahnden. Bei der Strafzumessung nach Art. 63 StGB kann berücksichtigt werden, dass Leistungsbetrug gemäss Art. 14 VStrR milder bestraft wird als Betrug nach Art. 148 StGB (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Amtsgericht Bucheggberg-Wasseramt sprach X. der wiederholten Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG, SR 837.0) schuldig und verurteilte ihn deswegen zu drei Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren, und zu einer Busse von Fr. 5'000.--. Von den Anschuldigungen des Betrugs, des Versuchs hiezu und der Urkundenfälschung sprach es ihn frei. Gegen diesen Entscheid erhoben sowohl der Verurteilte als auch die Staatsanwaltschaft Appellation. Das Obergericht des Kantons Solothurn sprach X. am 21./28. Februar 1990 der wiederholten Widerhandlung gegen das AVIG und des wiederholten Betrugs schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 5'000.--. Vom Vorwurf der Urkundenfälschung sprach es ihn frei.
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Die Staatsanwaltschaft hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
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a) Der Schaden des Arbeitsamtes entstand mit der Auszahlung der unrechtmässig erwirkten Beträge und kann offensichtlich nicht mit der Möglichkeit einer Rückforderung in Frage gestellt werden. Denn einen Rückforderungs- respektive Schadenersatzanspruch hat jedes Betrugsopfer (vgl. BGE 100 IV 170, 277; BGE 74 IV 153; SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht Band 2, Art. 148 N 90; MARKUS BOOG, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Begriff des Vermögensschadens beim Betrug, Diss. Basel 1989, S. 42).
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b) Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe nur provisorische, nicht falsche Angaben gemacht, steht im Widerspruch zu tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und ist daher nicht zu hören. Sein Einwand, dass zwischen ihm bzw. der Firma X. und dem kantonalen Arbeitsamt kein Vertrauensverhältnis bestehe, geht an der Sache vorbei, da die Vorinstanz die Arglist nicht unter Hinweis auf ein besonderes Vertrauensverhältnis, sondern vielmehr mit den Machenschaften des Beschwerdeführers begründete. Das Argument, die Kasse sei gemäss Art. 48 Abs. 1 AVIG verpflichtet, die Voraussetzungen für die Ausrichtung der Schlechtwetterentschädigung (Art. 42 und 43 AVIG) zu prüfen, ist unbehelflich. Die Vorinstanz verneinte die Arglist in den Fällen, in denen der Beschwerdeführer bloss falsche Angaben machte, gerade unter Hinweis auf diese Prüfungspflicht. In den Fällen aber, in denen der Beschwerdeführer seine falschen Angaben durch Vorlage inhaltlich unwahrer Stempelkarten seiner Arbeitnehmer untermauerte, liegt nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid eine Machenschaft und damit Arglist im Sinne von Art. 148 StGB vor. Der Beschwerdeführer unterstützte damit seine Lügen durch Dokumente, von deren inhaltlichen Richtigkeit das kantonale Arbeitsamt prinzipiell ausgehen durfte. Dabei ist zu ![]() | 7 |
Die übrigen Tatbestandsmerkmale des Betrugs sind in diesen Fällen unbestrittenermassen erfüllt.
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Wer durch unwahre oder unvollständige Angaben oder in anderer Weise für sich oder einen andern zu Unrecht Versicherungsleistungen erwirkt (Art. 105 Abs. 1 AVIG), wird gemäss Art. 105 Abs. 5 AVIG, sofern nicht ein mit einer höheren Strafe bedrohtes Verbrechen oder Vergehen des Schweizerischen Strafgesetzbuches vorliegt, mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Busse bis zu 20'000 Franken bestraft. Beide Strafen können miteinander verbunden werden.
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a) Die Vorinstanz geht davon aus, dass der Tatbestand von Art. 105 Abs. 1 AVIG hinter den allgemeinen Betrugstatbestand gemäss Art. 148 StGB zurücktritt, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Sie beruft sich auf einen nicht publizierten Entscheid des Kassationshofes des Bundesgerichts vom 5. Oktober 1984 in Sachen K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, in dem aus dem Wortlaut von Art. 105 Abs. 5 AVIG geschlossen wird, Art. 148 StGB gehe Art. 105 AVIG vor.
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b) Der Kassationshof des Bundesgerichts hat sich schon verschiedentlich mit den Fragen des Verhältnisses zwischen den Strafbestimmungen des StGB einerseits und nebenstrafrechtlichen Spezialnormen anderseits befasst, so etwa in den Bereichen des Urkundenstrafrechts (BGE 108 IV 31 /32, 180) und des Betrugs (BGE 110 IV 24 ff., BGE 112 IV 19 ff.). Insbesondere auf dem Gebiet des Betrugs besteht eine uneinheitliche gesetzliche Regelung mit unterschiedlichen Strafandrohungen, die nicht zu befriedigen vermag. Ist die Verfolgung und Beurteilung von Widerhandlungen einer Verwaltungsbehörde des Bundes übertragen und somit gemäss Art. 1 VStrR das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht ![]() ![]() | 12 |
c) Es ist an dieser Stelle nicht darüber zu entscheiden, ob die betrügerische Erschleichung von Schlechtwetterentschädigungen etwa angesichts der Art dieser Leistung und/oder der Person des Geschädigten prinzipiell schwerer wiege als die unter Art. 14 Abs. 1 VStrR fallenden Leistungsbetrüge und ob somit die nach dem Wortlaut klare Regelung von Art. 105 Abs. 5 AVIG, in welcher die mit höheren Strafen bedrohten Verbrechen und Vergehen des Schweizerischen Strafgesetzbuches und somit unter anderem Art. 148 StGB vorbehalten werden, sachlich gerechtfertigt sei. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass die Privilegierung des Leistungsbetrugs gemäss Art. 14 Abs. 1 VStrR gegenüber dem Betrug nach Art. 148 StGB unter Umständen fragwürdig sein kann (siehe dazu DETLEF KRAUSS, op.cit., S. 70 ff.). Die Schädigung des Gemeinwesens ist im Prinzip nicht weniger strafwürdig als die Schädigung eines Privaten (BGE 110 IV 29 unten). Dass die Verwaltung über mehr und bessere Kontrollmöglichkeiten verfügt als der Private, berührt weniger die Schwere des Tatunrechts als vielmehr die Frage, ob eine falsche Angabe arglistig sei. Es ist nicht schon an sich stossend, einen Leistungsbetrug zum Nachteil des Gemeinwesens gemäss Art. 148 StGB zu ahnden. Stossend kann dies dann und deshalb sein, wenn und weil ein nach Art. 148 StGB ![]() | 13 |
d) Der Beschwerdeführer erschlich durch Vorlage von inhaltlich unwahren Stempelkarten der Arbeitnehmer arglistig Schlechtwetterentschädigungen. Er täuschte das kantonale Arbeitsamt Solothurn. Er verwendete die ihm ausgezahlten Versicherungsleistungen nicht ihrem gesetzlichen Zwecke entsprechend, sondern, wie im angefochtenen Entscheid in den Erwägungen zur Strafzumessung festgehalten wird, eigennützig. Unter diesen Umständen stellt sich das Verhalten des Beschwerdeführers insoweit als gewöhnlicher, gemeinrechtlicher Betrug dar, der sich nicht wesentlich etwa von einem Betrug zum Nachteil einer Versicherungsgesellschaft unterscheidet und daher gemäss Art. 148 StGB zu ahnden ist.
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