BGE 117 IV 324 | |||
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58. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. August 1991 i.S. R. gegen L. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Unlauterer Wettbewerb durch Verwendung eines unzutreffenden Titels (Art. 3 lit. c UWG, Art. 13 lit. c aUWG) respektive durch irreführende Angaben (Art. 3 lit. b UWG, Art. 13 lit. b aUWG). Abgrenzung dieser beiden Tatbestandsvarianten. | |
Sachverhalt | |
A.- R. führt ein unter seinem Namen im Handelsregister eingetragenes Übersetzungsbüro. Im Jahre 1985 ersuchte er das Handelsregisteramt des Kantons Zürich um Eintragung des Titels "Dr. h.c." als Firmenzusatz, wobei er sich auf einen ihm im Jahre 1982 von der privaten Universidad Politécnica de El Salvador (UPES) verliehenen Ehrendoktortitel auf dem Gebiet der "Ciencias linguisticas a nivel internacional" berief. Das Handelsregisteramt und die Direktion der Justiz des Kantons Zürich verweigerten die verlangte Eintragung. Die I. Zivilabteilung des Bundesgerichts wies am 2. November 1987 (BGE 113 II 280 Nr. 50) eine von R. erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, da der Titel, den die salvadorianische Universität ohne sprachwissenschaftliche Fakultät für ungenannte wissenschaftliche Verdienste verliehen habe, geeignet sei, das Publikum über berufliche Qualifikationen zu täuschen.
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Als der Rektor der Universität in El Salvador von den Schwierigkeiten des R. mit dem fraglichen Titel erfuhr, verlieh er ihm einen weiteren Ehrendoktortitel "en Ciencias sociales". Dieser Titel wurde R. für die Leistungen verliehen, die schon den Grund für die erste Titelvergabe gebildet hatten, sowie für einige zusätzliche Bemühungen, insbesondere kostenlose Übersetzungsarbeiten. R. verwendete in der Folge diesen nicht im Handelsregister eingetragenen Titel "Dr. h.c." in seiner Firma - "Dr. h.c. R." - im Branchentelefonbuch, in Zeitungsinseraten sowie in zahlreichen Werbeschreiben betreffend sein Übersetzungsbüro.
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B.- Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach R. am 22. März 1990 der fortgesetzten Widerhandlung gegen Art. 3 lit. c in Verbindung mit Art. 23 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 19. Dezember 1986, in Kraft seit 1. März 1988 (UWG), bzw. gegen Art. 13 lit. c des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb vom 30. September 1943 (aUWG) sowie der fortgesetzten Widerhandlung gegen Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht vom 6. Oktober 1923 schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 12'000.--, bedingt vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. Die Zivilansprüche der Geschädigten wurden auf den Weg des Zivilprozesses verwiesen.
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C.- Der Gebüsste führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, der Entscheid des Zürcher Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese ihn freispreche, eventuell bloss der Widerhandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes betreffend Strafbestimmungen zum Handelsregister- und Firmenrecht schuldig spreche, wobei von Strafe Umgang zu nehmen bzw. eine Busse von höchstens Fr. 2'000.-- auszufällen sei.
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D.- Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die von R. gegen den Entscheid des Zürcher Obergerichts erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss vom 9. Mai 1991 ab, soweit es darauf eintrat.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass der Gebrauch eines Titels dann unlauter und der Titel dann "unzutreffend" im Sinne von Art. 3 lit. c UWG (bzw. Art. 13 lit. c aUWG) ist, wenn er im Sinne des Nachsatzes dieser Vorschrift geeignet ist, den Anschein besonderer Auszeichnungen oder Fähigkeiten des Trägers zu erwecken. Erst dieser Nachsatz der Bestimmung definiere den Begriff des "unzutreffenden" Titels. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
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Art. 3 lit. c UWG und Art. 13 lit. c aUWG setzen voraus, dass erstens der verwendete Titel unzutreffend ist und dass zweitens dieser unzutreffende Titel geeignet ist, den Anschein besonderer Auszeichnungen oder Fähigkeiten zu erwecken (Art. 3 lit. c UWG), respektive verwendet wird, um den Anschein besonderer Auszeichnungen oder Fähigkeiten zu erwecken (Art. 13 lit. c aUWG), was selbstredend auch eine diesbezügliche Eignung voraussetzt. Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein, stehen selbständig nebeneinander und dürfen nicht miteinander vermengt werden. Ein Titel ist nicht schon dann und deshalb im Sinne von Art. 3 lit. c UWG bzw. Art. 13 lit. c aUWG "unzutreffend", wenn und weil er, bei bestimmter Verwendungsart, geeignet ist, den Anschein besonderer Auszeichnungen oder Fähigkeiten zu erwecken. Wollte man der Auffassung der Vorinstanz folgen, dann wäre das gesetzliche Erfordernis des "unzutreffenden" Titels praktisch überflüssig. Wohl kann man Art. 3 lit. c UWG bzw. Art. 13 lit. c aUWG als Spezialfall von Art. 3 lit. b UWG bzw. Art. 13 lit. b aUWG betrachten (VON BÜREN, Kommentar zum Wettbewerbsgesetz, 1957, S. 94, TROLLER, Immaterialgüterrecht, 3. Auflage 1985, S. 930, TROLLER/TROLLER, Kurzlehrbuch des Immaterialgüterrechts, 3. Auflage 1989, S. 190, LUCAS DAVID, Schweizerisches Wettbewerbsrecht, 2. Auflage 1988, S. 71 N 193). Das bedeutet aber nicht, dass ein Titel im Falle irreführender Verwendung im wirtschaftlichen Verkehr eo ipso auch "unzutreffend" im Sinne der genannten Bestimmungen sei. Ob ein Titel unzutreffend sei, bestimmt sich nicht danach, ob dessen Verwendung im konkreten Fall die Gefahr einer Täuschung des Durchschnittspublikums begründe, sondern entscheidet sich unabhängig davon. Ein Titel ist dann unzutreffend im Sinne der genannten Bestimmungen, wenn der Träger ihn überhaupt nicht oder nicht rechtmässig oder von einer eigentlichen Scheinuniversität erworben hat. Nichts davon trifft vorliegend zu. Die UPES ist eine private Universität mit zwei Fakultäten, nämlich einer für Ingenieurwissenschaften und Architektur und einer für Wirtschaftswissenschaften (vgl. BGE 113 II 282 E. 2). Es ist davon auszugehen, dass sie jedenfalls einen Ehrendoktortitel "en Ciencias sociales" verleihen kann, was denn auch im angefochtenen Urteil nicht bezweifelt wird. Ein ausländischer Ehrendoktortitel ist nicht schon dann unzutreffend im Sinne der genannten Bestimmungen, wenn die Anforderungen an dessen Verleihung - was die Vorinstanz in bezug auf den konkreten Fall offengelassen hat - nicht den Anforderungen an die Verleihung eines gleichartigen Titels in der Schweiz entsprechen; das Fehlen der Gleichwertigkeit betrifft lediglich die Frage der Irreführung des Publikums bei Verwendung des Titels im wirtschaftlichen Verkehr. Ein Titel ist ferner auch nicht schon dann unzutreffend im Sinne von Art. 3 lit. c UWG bzw. Art. 13 lit. c aUWG, wenn er unvollständig, ohne Angabe der Fakultät - bloss "Dr." bzw. "Dr. h.c." statt "Dr. med." bzw. "Dr. iur. h.c." - angegeben wird; auch diese Unvollständigkeit berührt lediglich die Frage der Irreführung des Publikums im konkreten Fall.
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Der vom Beschwerdeführer in der Firmenbezeichnung in Werbeschriften etc. verwendete Titel "Dr. h.c." kann somit entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht mit der Begründung als "unzutreffend" im Sinne von Art. 3 lit. c UWG bzw. Art. 13 lit. c aUWG qualifiziert werden, dass - was an sich zutrifft (vgl. dazu nachstehend) - durch dessen Verwendung in Werbeschreiben für das Übersetzungsbüro des Beschwerdeführers dem Durchschnittspublikum eine Auszeichnung des Beschwerdeführers für besondere Verdienste in der Sprachwissenschaft vorgetäuscht wird. Die Verurteilung des Beschwerdeführers aufgrund von Art. 3 lit. c UWG bzw. Art. 13 lit. c aUWG ist daher mit dem Bundesrecht nicht vereinbar, was aber noch nicht bedeutet, das angefochtene Urteil sei im Ergebnis bundesrechtswidrig.
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b) Gemäss Art. 3 lit. b (in Verbindung mit Art. 23) UWG bzw. Art. 13 lit. b aUWG handelt unlauter und ist strafbar, wer über sich, seine Firma, seine Leistungen etc. unrichtige oder irreführende Angaben macht (Art. 3 lit. b UWG), um das eigene Angebot im Wettbewerb zu begünstigen (Art. 13 lit. b aUWG).
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Die Vorinstanz hält fest, dass der Beschwerdeführer mit der Verwendung des fraglichen Ehrendoktortitels "selbstredend auch irreführende Angaben über seine Firma und seine Leistungen (Art. 3 lit. b UWG, Art. 13 lit. b aUWG)" gemacht hat. Sie erachtet weitere Ausführungen dazu aber als überflüssig, da Art. 3 lit. b UWG bzw. Art. 13 lit. b aUWG durch den im Vergleich dazu spezielleren Art. 3 lit. c UWG bzw. Art. 13 lit. c aUWG im Sinne unechter Gesetzeskonkurrenz konsumiert werde.
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Der Beschwerdeführer hat durch die Verwendung des fraglichen Ehrendoktortitels in der Firmenbezeichnung im Branchentelefonbuch, in Inseraten und in Werbeschreiben für sein Übersetzungsbüro aus den im angefochtenen Urteil zu Art. 3 lit. c UWG bzw. Art. 13 lit. c aUWG genannten Gründen offensichtlich zumindest irreführende Angaben im Sinne von Art. 3 lit. b UWG bzw. Art. 13 lit. b aUWG über sich und seine Firma gemacht. Die Verwendung des Titels "Dr. h.c." in der Firmenbezeichnung im Branchentelefonbuch und in Werbeschreiben für das Übersetzungsbüro des Beschwerdeführers ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung gemäss den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid geeignet, das unbefangene Durchschnittspublikum zu den Annahmen zu verleiten, dass zwischen dem fraglichen Ehrendoktortitel und der Übersetzertätigkeit des Beschwerdeführers ein Zusammenhang bestehe und dass der Beschwerdeführer den Ehrendoktortitel gerade für besondere Verdienste auf dem Gebiet der Sprachwissenschaften bzw. der Übersetzertätigkeit erworben habe. Dies trifft indessen nicht zu. Der Beschwerdeführer hat den fraglichen Titel in Tat und Wahrheit nicht für besondere Verdienste solcher Art erworben. Gemäss seiner eigenen Darstellung, die im angefochtenen Urteil wiedergegeben wird, erhielt er den Titel für verschiedene Leistungen für die fragliche Universität (UPES) und das Volk von El Salvador; so habe er dreimal Delegationen der UPES nach Zürich und in verschiedene europäische Hauptstädte eingeladen, wobei es um die Organisation von Büchern gegangen sei; er habe jahrelang mit der technischen Abteilung der UPES korrespondiert und diese informiert, wobei es um die Herstellung von Möbeln aus Harz gegangen sei; er habe die Memoiren des Napoleón Duarte sowie mehrere wissenschaftliche und technische Abhandlungen kostenlos übersetzt; zudem habe er mittellose Studenten mit Fr. 10'000.-- unterstützt. Alle diese Leistungen können nicht als besondere Verdienste auf dem Gebiet der Sprachwissenschaften bzw. der Übersetzertätigkeit qualifiziert werden. Der Eindruck, den die Verwendung des Ehrendoktortitels "Dr. h.c." in der Firmenbezeichnung im wirtschaftlichen Verkehr beim Durchschnittspublikum erweckt, nämlich dass der Beschwerdeführer den Titel für besondere Verdienste auf dem Gebiet der Sprachwissenschaften bzw. der Übersetzertätigkeit erhalten habe, ist somit unrichtig. Das Durchschnittspublikum bringt den Ehrendoktortitel, der vom Beschwerdeführer in der Werbung für sein Übersetzungsbüro verwendet worden ist, nicht mit Leistungen von der Art in Verbindung, wie sie der Beschwerdeführer tatsächlich erbracht hat.
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Ob sich der Beschwerdeführer entsprechend seinen Behauptungen mit seinem grossen Unternehmen tatsächlich besondere Verdienste um die Sprachwissenschaft erworben habe, die eines Ehrendoktortitels gerade auch auf diesem Gebiet würdig sind, ist unerheblich. Belanglos ist vorliegend auch, ob die Leistungen, für welche der Beschwerdeführer von der salvadorianischen Universität den fraglichen Ehrendoktortitel erhalten hat, den Leistungen gleichwertig sind, für welche auch Fakultäten schweizerischer Universitäten mitunter die Ehrendoktorwürde verleihen, was die Vorinstanz zwar bezweifelt, letztlich aber offengelassen hat. Entscheidend ist allein, dass das Durchschnittspublikum aus der Art und Weise der Verwendung des Ehrendoktortitels "Dr. h.c." im wirtschaftlichen Verkehr den falschen Eindruck gewinnt, der Beschwerdeführer habe den fraglichen Titel für besondere Verdienste gerade auf dem Gebiet der Sprachwissenschaften bzw. der Übersetzertätigkeit erhalten.
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Indem der Beschwerdeführer in der Firmenbezeichnung im Branchentelefonbuch, in Zeitungsinseraten und in Werbeschreiben für sein Übersetzungsbüro den Titel "Dr. h.c." verwendete, machte er im Sinne von Art. 3 lit. b UWG resp. Art. 13 lit. b aUWG irreführende Angaben über sich bzw. seine Firma.
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c) Der Beschwerdeführer erfüllte somit durch die Verwendung des Titels "Dr. h.c." in der Firmenbezeichnung im Branchentelefonbuch, in Zeitungsinseraten und in Werbeschreiben für sein Übersetzungsbüro zwar entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht die Tatbestandsvariante von Art. 3 lit. c UWG bzw. Art. 13 lit. c aUWG; er erfüllte aber die - von der Vorinstanz als konsumiert erachtete - Tatbestandsvariante von Art. 3 lit. b UWG resp. Art. 13 lit. b aUWG, da die Angabe des Titels "Dr. h.c." aus den im angefochtenen Urteil genannten Gründen zur Täuschung des Publikums geeignet und damit gemäss einer zutreffenden Bemerkung im angefochtenen Entscheid irreführend ist.
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Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach insoweit abzuweisen. Eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz erübrigt sich. Art. 3 lit. b UWG resp. Art. 13 lit. b aUWG einerseits und Art. 3 lit. c UWG resp. Art. 13 lit. c aUWG anderseits regeln zwei recht ähnliche Varianten strafbaren unlauteren Verhaltens durch unrichtige oder irreführende Angaben über sich selbst etc. im wirtschaftlichen Wettbewerb, wobei die Tatbestandsvariante gemäss lit. c im Vergleich zu derjenigen gemäss lit. b spezieller ist. Das Gesetz droht für beide Varianten die gleiche Strafe an. Die Schwere des Tatunrechts und des Verschuldens des Beschwerdeführers hängt vorliegend nicht davon ab, unter welche der beiden grundsätzlich in Betracht fallenden Varianten das inkriminierte Verhalten subsumiert wird. Die Anwendung von Art. 3 lit. b UWG resp. Art. 13 lit. b aUWG anstelle der im Vergleich dazu spezielleren Art. 3 lit. c UWG resp. 13 lit. c aUWG bei Verneinung des Vorliegens eines unzutreffenden Titels lag angesichts des Grundsatzes "iura novit curia" auch für den Beschwerdeführer erkennbar nahe, und er hat denn auch zur insoweit einzig entscheidenden Frage der Irreführung des Publikums, die in beiden Tatbestandsvarianten vorausgesetzt ist, Stellung genommen.
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