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62. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. August 1991 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Generaldirektion PTT (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 1, Art. 3, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2, Art. 42 Ziff. 1, Art. 43 Abs. 1, Art. 46 Abs. 2 TVG; Art. 4-4c der Verordnung (3) des Bundesrates zum Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz (Telefonordnung, SR 784.103); Art. 2 der Verordnung des EVED über den Exportnachweis nicht genehmigter Sprechapparate (SR 784.103.2). | |
Sachverhalt | |
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- er habe die laut Käuferblättern verkauften sowie die 13 im Laden ausgestellten Apparate nicht gemäss Art. 2 Abs. 2 der Verordnung über den Exportnachweis nicht genehmigter Sprechapparate im Apparatebuch eingetragen;
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- er habe das als gestohlen gemeldete "Fluraphone" sowie die zwei bei der Irotronia erworbenen Apparate "Neon Phone" und "Porta Phone" nicht ordnungsgemäss ins Apparatebuch eingetragen;
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- er habe zwei Käuferblätter nicht ordnungsgemäss ausgefüllt;
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B.- Der Gebüsste führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, es sei festzustellen, dass Art. 2 der Verordnung über den Exportnachweis nicht genehmigter Sprechapparate der gesetzlichen Grundlage entbehre, dass daher die Strafbestimmung von Art. 42 TVG nicht anwendbar und seine gestützt darauf erfolgte Verurteilung aufzuheben sei, dass demzufolge die Sache zu seiner Freisprechung an den Einzelrichter in Strafsachen zurückzuweisen sei.
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C.- Die Generaldirektion PTT beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
2. Das Post- und Telegrafenwesen ist gemäss Art. 36 Abs. 1 BV im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft Bundessache. Die PTT-Betriebe haben das ausschliessliche Recht, Sende- und Empfangseinrichtungen sowie Anlagen jeder Art, die der elektrischen oder radioelektrischen Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung dienen, zu erstellen und zu betreiben (Art. 1 TVG). Zur Erstellung und zum Betrieb von Einrichtungen für elektrische und radioelektrische Zeichen-, Bild- und Lautübertragung können Konzessionen erteilt werden (Art. 3 TVG). Die PTT-Betriebe bewilligen Anschlüsse an ein bestehendes Telefonnetz, sofern ihnen die Errichtung und Verbindung der verlangten Stationen und allfälliger Zusatzeinrichtungen auf den Grundstücken des Bewerbers ungehindert und unentgeltlich gestattet wird (Art. 17 Abs. 1 TVG). Die PTT-Betriebe beziehen für die Erstellung und den Unterhalt der Anschlussleitung zwischen der Zentrale und dem Gebäude, worin die Teilnehmerstation errichtet werden soll, sowie für die Lieferung und den Unterhalt der beim Teilnehmer aufzustellenden Apparate eine jährliche Abonnementstaxe (Art. 18 Abs. 1 TVG). Der Teilnehmer darf ohne Zustimmung der PTT-Betriebe keine andern Leitungen oder Apparate mit denen der PTT-Betriebe verbinden (Art. 20 Abs. 2 TVG). Wer konzessions- oder bewilligungspflichtige Sende- und Empfangseinrichtungen und Anlagen irgendwelcher Art, die der elektrischen oder radioelektrischen Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung dienen, ohne Konzession oder ![]() | 8 |
Die vom Bundesrat gestützt auf Art. 46 Abs. 2 TVG erlassene Verordnung (3) zum Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz (Telefonordnung) vom 13. September 1972 (SR 784.103) enthält unter anderen die folgenden, durch Verordnung vom 9. Juli 1987 eingefügten Bestimmungen:
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Art. 4 (Haupt- und Zweiganschlüsse):
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Der Hauptanschluss umfasst die Anschlussorgane in der Ortszentrale, die Anschlussleitung, die Hausleitung und die Hauptsprechstelle des Abonnenten. Als Hauptsprechstelle gilt der Sprechapparat auf dem Hauptanschluss. Weitere Sprechapparate der gleichen Abonnentenanlage heissen Zweigsprechstellen. Die Leitungen, die sie mit der Hauptsprechstelle verbinden, heissen Zweigleitungen.
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Art. 4a (Abgabe von Sprechapparaten):
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Hauptsprechstellen und Sprechapparate mit Vermittlungsfunktionen werden von den PTT im Abonnement abgegeben (Abs. 1). Zweigsprechstellen werden von den PTT und von Privaten angeboten (Abs. 2).
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Art. 4b (Technische Genehmigung):
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Sprechapparate dürfen nur erstellt und betrieben werden, wenn sie von den PTT-Betrieben technisch genehmigt worden sind (Abs. 1). Das EVED regelt die Voraussetzungen und das Verfahren der Genehmigung; es kann Einzel- und Typengenehmigungen vorsehen (Abs. 2).
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Art. 4c (Exportnachweispflicht):
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Sprechapparate, die zur Ausfuhr bestimmt sind, müssen nicht technisch genehmigt werden (Abs. 1). Das EVED kann verlangen, dass die Ausfuhr solcher Apparate nachgewiesen wird. Es regelt die Modalitäten des Exportnachweises (Abs. 2).
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Die vom EVED gestützt auf Art. 4c der Telefonordnung erlassene Verordnung über den Exportnachweis nicht genehmigter Sprechapparate vom 19. Oktober 1987, in Kraft seit 1. Januar 1988, bestimmt in Art. 2 (Aufzeichnungspflicht der Anbieter) folgendes:
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Im Apparatebuch sind festzuhalten:
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a) Typ und Stückzahl der nicht genehmigten Apparate;
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b) wenn der Anbieter die Apparate von einem Dritten erworben hat: Name und Adresse des Lieferanten sowie eine Bestätigung der Angaben nach Buchstabe a) durch den Lieferanten oder durch die Zollverwaltung.
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Im Käuferbuch sind festzuhalten:
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a) Name, Adresse und, bei in der Schweiz wohnhaften natürlichen Personen, Art und Nummer des vom Käufer vorgewiesenen Ausweises;
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b) Typ und Stückzahl des vom Käufer erworbenen Apparates;
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c) das Verkaufsdatum;
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d) die Bestätigungen des Käufers nach Art. 1 Abs. 1 und 2.
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Art. 1 der Verordnung des EVED bestimmt unter anderem folgendes:
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Wer einen nicht genehmigten Sprechapparat erwirbt, muss dem Verkäufer gegenüber schriftlich bestätigen, dass er den Apparat nicht an das Telefonnetz der PTT-Betriebe anschliessen wird. Wenn er den Apparat zur Ausfuhr oder zum Weiterverkauf erwirbt, muss er dem Verkäufer überdies innert 6 Monaten eine entsprechende Bescheinigung zustellen.
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a) Aus Art. 4c Abs. 1 der Telefonordnung, wonach Sprechapparate, die zur Ausfuhr bestimmt sind, nicht von den PTT-Betrieben technisch genehmigt werden müssen, ergibt sich folgendes: Sprechapparate, die nicht zur Ausfuhr bestimmt sind, die also in der Schweiz bleiben und an das Telefonnetz der PTT-Betriebe angeschlossen werden (vgl. dazu Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Exportnachweisverordnung), müssen von den PTT-Betrieben technisch genehmigt sein; der Verkauf von technisch nicht genehmigten Sprechapparaten, die an das Telefonnetz der PTT-Betriebe angeschlossen werden sollen, ist verboten und, wie sich aus Art. 43 Abs. 1 TVG ergibt, strafbar.
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b) Aufgrund des Fernmelderegals im Sinne von Art. 36 Abs. 1 BV als solchen sowie auch aus anstaltspolizeilichen Gründen ist der Bund berechtigt, repressive Massnahmen gegen bereits erfolgte oder unmittelbar drohende Störungen zu ergreifen. Hingegen bedürfen präventive Massnahmen wie etwa die Unterwerfung der Herstellung von Geräten unter eine vorgängige Einzel- oder Typenkontrolle einer besonderen gesetzlichen Grundlage (BGE 105 Ib 397). Als präventive Massnahme in diesem Sinne sind nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil auch die dem Verkäufer auferlegten Pflichten zur Führung von Büchern (Apparate- und Käuferbuch) betreffend Exportnachweis bezüglich technisch nicht genehmigter Geräte zu qualifizieren, durch die verhindert werden soll, dass nicht genehmigte Sprechapparate, welche das einwandfreie Funktionieren des Fernmeldewesens in Frage stellen könnten, an das schweizerische Telefonnetz angeschlossen werden. Die Exportnachweispflicht in bezug auf Sprechapparate, die nicht von den PTT-Betrieben technisch genehmigt worden sind, bzw. das damit verbundene Verbot des Verkaufs von solchen Sprechapparaten in der Schweiz ohne Vorliegen eines Exportnachweises stellt mithin eine präventive Massnahme dar, zu deren Erlass der Bund nicht schon direkt gestützt auf das Fernmelderegal gemäss Art. 36 Abs. 1 BV bzw. aus anstaltspolizeilichen Gründen, sondern nur aufgrund einer Ermächtigung in einem Gesetz im formellen Sinne berechtigt ist. Eine entsprechende Regelung in einer bundesrätlichen Verordnung allein reicht mithin nicht aus, sondern bedarf einer Grundlage in einem formellen Gesetz.
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c) Die Telefonordnung stützt sich laut ihrem Ingress auf Art. 46 Abs. 2 TVG. Danach werden die "zur Vollziehung des Gesetzes erforderlichen Vorschriften" in der vom Bundesrat zur erlassenden Telegrafen- und Telefonordnung und in den zugehörigen Ausführungsbestimmungen aufgestellt. Diese Delegationsnorm ist damit zwar weit gefasst; Art. 46 Abs. 2 TVG, der insoweit etwa mit Art. 106 Abs. 1 SVG vergleichbar ist, ermächtigt den Bundesrat aber nicht zum Erlass von sogenannten gesetzesvertretenden Verordnungen, sondern lediglich zum Erlass von Vollziehungsvorschriften. Durch eine Vollziehungsverordnung können die gesetzlichen Bestimmungen konkretisiert und präzisiert und in diesem Sinne ergänzt werden; hingegen können durch eine Vollziehungsverordnung nicht grundlegend neue Verbote oder Pflichten statuiert ![]() | 34 |
d) Weder in Art. 1 TVG (betreffend Umfang des Telegrafen- und Telefonregals) noch in Art. 3 TVG (betreffend Konzessionen), noch in Art. 42 TVG (betreffend Verletzung des Telegrafen- oder Telefonregals und anderer Fiskalrechte) ist vom Handel mit Sprechapparaten die Rede. Die genannten Bestimmungen erwähnen ![]() ![]() | 35 |
e) Die Vorinstanz sieht allerdings in Art. 20 Abs. 2 TVG eine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Einschränkung des Handels mit Sprechapparaten durch die bundesrätliche Telefonordnung bzw. durch die vom EVED gestützt darauf erlassene Exportnachweisverordnung. Art. 20 Abs. 2 TVG richtet sich indessen, wie in der Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend eingewendet wird, ausdrücklich an den Teilnehmer. Dieser darf ohne Zustimmung der PTT-Betriebe keine andern Leitungen oder Apparate mit denen der PTT-Betriebe verbinden; dies dient der Vermeidung von Störungen des Telefonverkehrs (siehe BGE 73 I 341). Aus Art. 20 Abs. 2 TVG kann nicht ein Verbot des Handels beispielsweise mit nicht genehmigten Sprechapparaten abgeleitet werden (KARIN SUTTER-SOMM, op.cit., S. 444). Art. 20 Abs. 2 TVG bildet damit entgegen der von der Generaldirektion PTT in der Vernehmlassung zur Nichtigkeitsbeschwerde vertretenen Ansicht keine gesetzliche Grundlage für Art. 4c der bundesrätlichen Telefonordnung bzw. für die gestützt darauf vom EVED erlassene Exportnachweisverordnung. Ein solches Verbot bzw. ein rechtliches Monopol des Bundes in bezug auf den Handel mit Sprechapparaten ergibt sich auch nicht aus dem im angefochtenen Urteil am Rande erwähnten Art. 18 Abs. 1 TVG, wonach die PTT-Betriebe unter anderem "für die Lieferung und den Unterhalt der beim Teilnehmer aufzustellenden Apparate eine jährliche Abonnementstaxe" beziehen. Durch diese Bestimmung wird nicht einmal ein Installationsmonopol (vgl. KARIN SUTTER-SOMM, op.cit., S. 444 oben), geschweige denn ein Monopol in bezug auf den Handel mit Sprechapparaten geschaffen. Es kann höchstens allenfalls gesagt werden, dass Art. 18 Abs. 1 TVG, entsprechend den ![]() | 36 |
f) Es ginge im übrigen auch nicht an, unter Berufung auf die "ratio legis", die unter anderem in der Verhinderung von Störungen des Telefonverkehrs durch nicht genehmigte Sprechapparate besteht, den Verkauf von nicht zum Export bestimmten bzw. von zum Anschluss an das schweizerische Netz bestimmten nicht genehmigten Apparaten als nach dem TVG verboten zu betrachten. Darin läge nicht mehr eine - extensive - Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen (etwa von Art. 1, 18 Abs. 1, 20 Abs. 2 TVG), sondern eine Lückenfüllung "praeter legem"; die Schaffung neuen Rechts und damit der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für die Verordnungsbestimmung, aufgrund welcher der Beschwerdeführer verurteilt worden ist, durch Lückenfüllung "praeter legem" ist im Strafrecht unzulässig.
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g) Es ergibt sich demnach zusammenfassend, dass der Handel mit Sprechapparaten im TVG nicht geregelt ist. Er ist nicht regalisiert, sondern nach dem TVG vielmehr frei. Die Einschränkung des Handels mit Sprechapparaten durch Art. 4c der bundesrätlichen Telefonordnung und durch die vom EVED gestützt darauf erlassene Exportnachweisverordnung, gemäss welcher der Beschwerdeführer verurteilt worden ist, entbehrt der gesetzlichen Grundlage. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die in Art. 4c der bundesrätlichen Telefonordnung enthaltene Subdelegation den bundesrechtlichen Anforderungen an eine solche genüge.
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