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7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 13. März 1992 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen S. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 140 StGB. Veruntreuung; Absicht unrechtmässiger Bereicherung, Ersatzfähigkeit. | |
Sachverhalt | |
1 | |
Das Obergericht des Kantons Luzern sprach S. auf dessen Appellation mit Urteil vom 8. März 1991 schuldig des fortgesetzten Betruges, der fortgesetzten Gebührenüberforderung sowie der wiederholt fortgesetzten Falschbeurkundung im Amt und verurteilte ihn zu fünf Monaten Gefängnis, teilweise als Zusatzstrafe, mit bedingtem Strafvollzug (Probezeit zwei Jahre). Es sprach ihn von verschiedenen Anklagepunkten frei, insbesondere von der Anklage der wiederholt fortgesetzten Veruntreuung. Bei der Strafzumessung wandte es Art. 64 Abs. 8 StGB an.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes insoweit aufzuheben, als es S. von der wiederholt fortgesetzten Veruntreuung freigesprochen und soweit es Art. 64 Abs. 8 StGB angewandt hat, und die Sache insoweit zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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S. beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten wird.
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Aus den Erwägungen: | |
2. a) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil hat der Betreibungsbeamte die Zahlungen der Schuldner an das Betreibungsamt auf Rechnung der Gläubiger entgegenzunehmen und - nach Abzug der eigenen Kosten des Betreibungsamtes - im Verteilungsverfahren an die Gläubiger etc. weiterzuleiten. Die Weiterleitung der Zahlungen habe "jeweils innert Kürze" zu erfolgen; mehr, d.h. eine sofortige Leistung, könne aus rein praktischen Gründen der Arbeitsorganisation und der für die Abrechnung und Überweisung einzusetzenden Zeit vom Betreibungsbeamten nicht verlangt werden. Die Vorinstanz verweist in diesem Zusammenhang auf zwei ![]() | 5 |
Die Vorinstanz hält sodann fest, dass der Beschwerdegegner auch ersatzwillig gewesen sei. Damit sei aber die erforderliche Absicht unrechtmässiger Bereicherung nicht gegeben und der Beschwerdegegner daher vom Vorwurf der Veruntreuung freizusprechen.
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b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, Ersatzfähigkeit sei nur gegeben, wenn der Täter das Geld griffbereit habe, nicht aber dann, wenn er es erst noch bei Dritten, die ihm gegenüber zu keiner Leistung verpflichtet seien, beschaffen müsse. Der Beschwerdegegner habe keinen Anspruch auf einen Hypothekarkredit gehabt.
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3. a) Wer anvertrautes Gut dem Berechtigten jederzeit zur Verfügung zu halten hat, bereichert sich unrechtmässig, wenn er es in seinem Nutzen verwendet, ohne fähig und gewillt zu sein, es jederzeit ![]() | 8 |
War der Beschwerdegegner nach Meinung der Vorinstanz in seiner Stellung als Betreibungsbeamter verpflichtet, die Zahlungen der Schuldner bloss jeweils innert Kürze weiterzuleiten, dann musste er auch nur jeweils innert Kürze ersatzfähig sein, zumal nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid dem Beschwerdegegner bzw. seinem (vormals ebenfalls als Betreibungsbeamter tätigen) Vater von der Aufsichtsbehörde erlaubt worden war, für betreibungsamtliche und private Zahlungen dasselbe Postcheckkonto zu benutzen und damit betreibungsamtliche und private Gelder miteinander zu vermischen.
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b) Ersatzfähigkeit darf nur dann bejaht werden, wenn das Geld für den Täter griffbereit ist, nicht aber dann, wenn er es erst noch bei Dritten, die ihm gegenüber zu keiner Leistung verpflichtet sind, beschaffen muss (BGE 91 IV 134). Der Kassationshof brachte damit zum Ausdruck, dass eine Fähigkeit des Täters zur Zahlung, die nur dank Leistungen Dritter zustande kommt, auf die der Täter keinen Anspruch hat, keine die Absicht unrechtmässiger Bereicherung ausschliessende Ersatzfähigkeit darstellt. Ersatzfähigkeit setzt voraus, dass der Täter aus eigenen Mitteln leisten kann; sie fehlt, wenn der Dritte zur Leistung nicht verpflichtet ist (TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 140 StGB N. 17). Blosse Aussichten, das für den Ersatz benötigte Geld von Dritten zu erhalten, reichen nicht aus (REHBERG, Strafrecht III, 5. Aufl., S. 92 unten). Der Beschwerdegegner hatte keinen Anspruch darauf, dass ein Kreditinstitut mit ihm einen Darlehensvertrag abschloss. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdegegner als Sicherheit ein Grundpfand anbieten konnte. Auch die Gelder, die dem Täter in Form eines Hypothekarkredits zufliessen, sind entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht eigene, sondern fremde Mittel und vermögen, da ein Anspruch auf Abschluss ![]() | 10 |
Die Fähigkeit zum zeitgerechten Ersatz der fehlenden Gelder lässt sich somit nicht damit begründen, dass der Beschwerdegegner zeitgerecht einen Hypothekarkredit beschaffen konnte.
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c) Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdegegner in seiner Eigenschaft als Betreibungsbeamter entsprechend der Ansicht der Vorinstanz die von den Schuldnern einbezahlten Gelder tatsächlich bloss "jeweils innert Kürze" - was immer die Vorinstanz darunter verstehen mag - weiterleiten musste. Immerhin sei auf folgendes hingewiesen: Auch wenn es hinzunehmen ist, dass der Betreibungsbeamte die auf dem Amt eingehenden Zahlungen aus organisatorischen/technischen Gründen jeweils nur innert Kürze an die Gläubiger weiterleitet, so ändert dieser Umstand an sich nichts daran, dass der Betreibungsbeamte die Gelder den Berechtigten jederzeit zur Verfügung halten muss. Ob sich allenfalls etwas anderes daraus ergibt, dass dem Beschwerdegegner von der Aufsichtsbehörde die Benutzung desselben Postcheckkontos für betreibungsamtliche und für private Zahlungen erlaubt worden war, kann hier dahingestellt bleiben.
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Die Sache ist daher in Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Punkt zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird sich erneut mit der Frage befassen müssen, ob der Beschwerdegegner durch die Verwendung von betreibungsamtlichen Geldern den Tatbestand der Veruntreuung erfüllt habe.
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