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14. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 27. März 1992 i.S. C. gegen Generaldirektion PTT | |
Regeste |
Art. 46 ff. VStrR; Durchsuchung und Beschlagnahme; Funktelefon (Basisstation mit schnurlosem Mobilgerät). |
2. Die Überwachung von für den Fernmeldeverkehr nicht freigegebenen und damit geschützten Frequenzbereichen durch die PTT-Betriebe (hier jener der privaten und militärischen Flugfunkdienste) bildet eine betriebsbedingte Schranke des Fernmeldegeheimnisses und stellt keine - durch den Richter zu bewilligende - Telefonüberwachung dar; eine solche ist im Verwaltungsstrafverfahren grundsätzlich unzulässig (E. 3). | |
Sachverhalt | |
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Mit Beschwerde vom 24. Januar 1992 wendet sich C. gegen die Durchsuchung an die Anklagekammer des Bundesgerichts. Er beantragt, "die bisherigen Handlungen der PTT als illegal und demzufolge nichtig und ungültig" zu erklären. Die Generaldirektion PTT beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, einen in der Schweiz nicht zugelassenen Funktelefonapparat verwendet zu haben; er erklärte sogar anlässlich der Durchsuchung ausdrücklich, ein solches Gerät benutzt zu haben; dieses habe sich jedoch als unbrauchbar erwiesen und sei daher vernichtet worden. Eine Beschlagnahme konnte denn auch nicht stattfinden, da das Gerät nicht vorgefunden ![]() | 4 |
c) Soweit sich die Beschwerde gegen die Durchsuchung als solche ("illegal durchsucht (Hausfriedensbruch)", "zwangsweise Hausdurchsuchung", "Androhung von Gewalt") und die Abhörung und Aufnahme telefonischer Gespräche richtet, ist darauf mangels eines aktuellen Rechtsschutzbedürfnisses nicht einzutreten, da diese abgeschlossen sind und der Beschwerdeführer dadurch heute nicht mehr beschwert ist (BGE 103 IV 117 E. 1a).
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d) Dies gilt grundsätzlich auch für die Ermittlung und Aufzeichnung der hier in Frage stehenden Funktelefongespräche, die mit der Durchsuchung in engem Zusammenhang stehen. Das Bundesgericht verzichtet indessen ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen praktischen Interesses, wenn sich die gerügte Rechtsverletzung jederzeit wiederholen könnte, eine rechtzeitige gerichtliche Überprüfung im Einzelfall kaum je möglich wäre, sich die aufgeworfenen Fragen jederzeit unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten und an deren Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht (BGE 116 Ia 150 E. 2a; BGE 116 II 729 E. 6; 111 Ib 59 E. 2b).
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Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, setzt doch die Durchsuchung voraus, dass der Benutzer eines nicht zugelassenen Funktelefons zunächst durch entsprechende Messungen ermittelt wird. Diese Ermittlungshandlung ist indessen bereits abgeschlossen, wenn es zur Durchsuchung bzw. Beschlagnahme kommt. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Abhörung und Aufzeichnung seiner über das nicht zugelassene Funktelefon geführten Gespräche richtet.
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b) In diesem Zusammenhang rügt er eine Verletzung von Art. 6 und 8 EMRK, indem das Prinzip der Verhältnismässigkeit verletzt werde.
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Inwieweit Art. 6 EMRK durch die Feststellung und Aufzeichnung der Telefongespräche verletzt sein soll, ist nicht ersichtlich; der ![]() | 10 |
c) Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, dass die Verwaltungsbehörden gestützt auf die gesetzliche Regelung (Art. 66, 72 BStP; Art. 45-60 VStrR) nicht befugt sind, im Verwaltungsstrafverfahren die Überwachung des Post-, Telefon- und Telegrafenverkehrs anzuordnen, denn es wird dafür weder eine Verwaltungsbehörde zuständig erklärt, noch diese Massnahme zur Verfügung gestellt; eine echte Gesetzeslücke liegt nicht vor (Bericht des Schweizerischen Bundesgerichts vom 6. Februar 1990 über seine Amtstätigkeit im Jahre 1989, S. 442; SCHUBARTH, Kommentar StGB, Art. 179octies/Art. 400bis StGB N 15; PETER, Das neue Bundesgesetz über den Schutz der persönlichen Geheimsphäre, SJZ 1979, 309).
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d) Von einer Telefonüberwachung, die nur mit Zustimmung des Richters bewilligt werden könnte, kann indessen im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.
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aa) Soweit wie hier ein Eingriff in das Post-, Telefon- und Telegrafengeheimnis durch Angestellte der Postverwaltung in Frage steht, betrifft dieser die Bestimmung von Art. 36 Abs. 4 BV, welcher in Form eines eigenständigen verfassungsmässigen Rechts als Bestandteil des Persönlichkeitsschutzes und damit des verfassungsmässigen Rechts auf persönliche Freiheit die Unverletzlichkeit des Post-, Telefon- und Telegrafengeheimnisses gewährleistet; es richtet sich sowohl gegen die Angehörigen der PTT-Betriebe als auch gegen andere Strafverfolgungsorgane des Bundes, der Kantone und der Gemeinden (BGE 115 IV 70 E. 2a und b, mit Hinweisen; BGE 109 Ia 279 E. 4a; vgl. zum Schutzbereich auch ZBl 86 [1985] 22, mit Hinweisen). Dem Geheimnis unterliegen alle Informationen, die einer Übermittlungseinrichtung, die zum Post-, Telefon- und Telegrafenwesen zählt, übergeben werden.
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cc) Die PTT-Betriebe haben gemäss Art. 1 TVG das ausschliessliche Recht, Sende- und Empfangsanlagen sowie Anlagen jeder Art, die der elektrischen oder radioelektrischen Zeichen-, Bild- oder Lautübertragung dienen, zu erstellen und zu betreiben. Im Rahmen ihres allgemeinen Leistungsauftrages (Art. 4 TVG) und der ihnen übertragenen Aufgaben haben die PTT-Betriebe dafür zu sorgen, dass Fernmeldeanlagen so erstellt, betrieben und unterhalten werden, dass weder Personen noch Sachen gefährdet werden (Art. 22 Verordnung 1 zum Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetz; SR 784.101); die PTT-Betriebe sind daher auch berechtigt, Leitungen und Apparate, die den Betrieb stören oder Personen und Sachen gefährden, jederzeit abzuschalten oder zu entfernen; zu diesem Zweck ist ihren Organen der freie Zutritt zur Kontrolle der an das öffentliche Telefonnetz angeschlossenen Leitungen und Apparate zu gewähren; Anlageteile, die den Telefonbetrieb stören oder Personen ![]() | 15 |
dd) Aus dem gesetzlichen Auftrag, den Fernmeldeverkehr technisch störungsfrei abzuwickeln und den ordnungsgemässen Gebrauch der Fernmeldeeinrichtungen im Zusammenhang mit dem Telefonbetrieb zu überwachen, ergeben sich betriebsbedingte Schranken des Fernmeldegeheimnisses (vgl. für das deutsche Recht MAUNZ-DÜRIG, Kommentar zum Grundgesetz, N 67 f.).
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Wird daher die durch die Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetzgebung angestrebte gute Ordnung (vgl. BGE 103 IV 120) - deren Einhaltung nur bei Benützung der von den PTT-Betrieben zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten oder bewilligten Fernmeldeanlagen vermutet werden kann - gestört, so haben die PTT-Betriebe gestützt auf die erwähnten Bestimmungen den Störer zu ermitteln und die Störung zu beseitigen. Die Ermittlung des Störers geschieht nicht durch eine eigentliche Überwachung und Aufzeichnung des künftigen (PETER HUBER, Der Schutz der Geheimsphäre gemäss Bundesgesetz vom 23. März 1979, ZStrR 1980, 296 f.) Fernmeldeverkehrs einer bestimmten Person zur Aufklärung von Straftaten (RUDOLPHI/FRISCH/ROGALL/SCHLÜCHTER/WOLTER, Systematischer Kommentar zur StPO und zum GVG, § 100a N 1), sondern durch Überwachung des zu diesem Zwecke nicht freigegebenen und damit geschützten Frequenzbereiches bereits aus betriebstechnischen Gründen auch ausserhalb eines Strafverfahrens. Im vorliegenden Fall benutzte das fragliche mobile Gerät einen den zivilen und militärischen Flugfunkdiensten vorbehaltenen geschützten Frequenzbereich. Dass die Verwendung eines solchen Gerätes unter Umständen eine Gefährdung von Personen und Sachen bewirken kann, liegt auf der Hand; das fernmeldepolizeiliche Eingreifen der PTT-Betriebe war somit geboten.
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ee) Von einer Verletzung des Fernmeldegeheimnisses kann deshalb keine Rede sein, weil die Aufzeichnungen der PTT-Betriebe rein dienstlicher bzw. betriebstechnischer Natur sind (vgl. Art. 7 Abs. 1 TVG) und lediglich dazu dienen, die unzulässige Verwendung der geschützten Frequenz zu beweisen. Der Inhalt der geführten Gespräche, der ohnehin nur soweit zur Kenntnis genommen werden darf, als es zur Erfüllung der Kontrollaufgabe erforderlich ist (vgl. SPITZER, Das Post- und Telefongeheimnis, ZBl 1955, 547), ist für das Verwaltungsstrafverfahren daher ohne jeden Belang. Er unterläge in jedem Fall bezüglich allfälliger anderer Verfahren einem ![]() | 18 |
Es kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer durch die Verwendung eines Funktelefons, welches nicht die von den PTT-Betrieben zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten und damit geschützten Frequenzen benutzt, damit rechnen musste, dass er in den anderen Benutzern von Fernmeldeeinrichtungen vorbehaltenen Frequenzbereich gelangt und seine Gespräche daher von diesen mitgehört werden können. Von einer Verletzung des persönlichen Geheimbereichs könnte auch aus diesem Grund kaum die Rede sein.
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