BGE 118 IV 142 | |||
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27. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. Juni 1992 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen M. und H. (Nichtigkeitsbeschwerde). | |
Regeste |
Art. 139 Ziff. 1bis StGB; "andere gefährliche Waffe". | |
Sachverhalt | |
A.- Am 6. März 1991, um ungefähr 19.30 Uhr, betraten M. und H. den Kassenraum der X-Tankstelle an der Y-Strasse in Zürich. Dabei hielten sie je einen geladenen Gas-/Schreckschussrevolver "ME Jaguar 80" (Kal. 9 mm Gas-/Knall) in der Hand. M. verlangte von der Kassiererin Geld. Als diese die Kassenschublade schliessen wollte, stiess er sie zur Seite und behändigte Notengeld im Betrag von ca. Fr. 1'700.--. Inzwischen betätigte die Kassiererin die automatische Türverriegelung, öffnete diese aber wieder, nachdem sie von M. mit der Waffe und den Worten "aufmachen oder ich schiesse" bedroht wurde. Danach ergriffen M. und H. die Flucht.
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Am 17. April 1991, gegen 21.15 Uhr, bestiegen M. und H. am Central in Zürich ein Taxi. Sie wünschten, an die Z-Strasse in W. geführt zu werden. Nachdem sie dort angekommen waren, holte H. den geladenen Gas-/Schreckschussrevolver "Python" (Kal. 9 mm Gas-/Knall) hervor und richtete ihn gegen den Körper der Fahrerin. Darauf zog ihr M. zwei Fingerringe ab, riss ihr die Halskette weg und verlangte von ihr das Portemonnaie. In diesem Zeitpunkt gelang es der Taxichauffeuse, aus dem Wagen zu springen.
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B.- Am 11. November 1991 sprach das Obergericht des Kantons Zürich M. und H. des mehrfachen Raubes im Sinne von Art. 139 Ziff. 1 StGB sowie weiterer Straftaten schuldig und verurteilte sie zu je dreissig Monaten Gefängnis.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Verurteilung wegen wiederholten Raubes im Sinne von Art. 139 Ziff. 1bis StGB.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde, soweit es darauf eintritt, gut.
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Aus den Erwägungen: | |
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Weiter legt die Vorinstanz dar, Schusswaffen würden typischerweise nicht im Nahbereich eingesetzt, sondern zur Bedrohung bzw. tatsächlichen Verletzung oder gar Tötung auf Distanz. Gerade dazu seien sie - im Unterschied zu vielen anderen Waffen (wie z.B. Schlagringen, Hieb- und Stichwaffen) - geeignet und gedacht. Wer über eine Schusswaffe verfüge, habe kaum wirksame Gegenwehr zu befürchten, ausser der Angegriffene wäre ebenfalls mit einer Feuerwaffe ausgerüstet. Dieser Vorteil entfalle, wenn sich der Täter dem Opfer mit der Waffe allzu sehr nähere und so in den Wirkungsbereich anderer Abwehrmittel trete. Fragen liesse sich allenfalls, ob das Mitführen solcher Waffen zur Begehung eines Raubes in einem Taxi wegen der darin gegebenen engen räumlichen Verhältnisse anders zu beurteilen sei. Indessen dürfe auch hier angenommen werden, Schusswaffen würden typischerweise auf mehr als zehn bis fünfzehn Zentimeter Distanz zum Opfer eingesetzt, wiederum vor allem, um Abwehrmassnahmen aus dem Weg zu gehen. Die von den Beschwerdegegnern mitgeführten Waffen, mit denen keine scharfe Munition, sondern nur Knall-, Gas- und Signalpatronen verschossen werden könnten, seien nach den Feststellungen des wissenschaftlichen Dienstes bei der für Schusswaffen typischen Einsatzweise nicht geeignet, Menschen gefährliche Verletzungen zuzufügen. Sie gehörten deshalb nicht zu den gefährlichen Waffen im Sinne von Art. 139 Ziff. 1bis StGB. Bei dieser Sachlage erübrige sich eine weitere Auseinandersetzung mit der von den Beschwerdegegnern erhobenen Kritik am Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes und könne auf die beantragte Einholung einer Oberexpertise verzichtet werden.
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b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Gefährlichkeit der von den Beschwerdegegnern mitgeführten Revolver ergebe sich aus dem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes. Die Beschwerdegegner hätten bei beiden Raubüberfällen Gaspatronen mit dem Reizstoff CN-Chlorazetophenon verwendet. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sei beim CN-Gas die Unterstellung unter den Begriff der gefährlichen Waffe im Sinne von Art. 139 Ziff. 1bis StGB gerechtfertigt.
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Der Räuber wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter einem Jahr bestraft, wenn er zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt (Ziff. 1bis).
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Der Räuber wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn er den Raub als Mitglied einer Bande ausführt, die sich zur fortgesetzten Verübung von Raub oder Diebstahl zusammengefunden hat, oder wenn er sonstwie durch die Art, wie er den Raub begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart (Ziff. 2).
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Die Strafe ist Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt (Ziff. 3).
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b) Die Systematik von Art. 139 StGB zeigt, dass zwischen vier verschiedenen Graden der Gefahr für das Leben des Opfers zu unterscheiden ist: jenem des Grundtatbestandes (Ziff. 1) und jenen der drei verschiedenen Stufen der Steigerung entsprechend den drei verschiedenen Qualifizierungsgründen. Lediglich der Grundtatbestand ist erfüllt, wenn der Täter bloss eine abstrakte Gefahr schuf, indem er das Opfer etwa mit einem nicht besonders gefährlichen Gegenstand bedrohte. Führt der Täter eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich, ohne sie einzusetzen, liegt eine erhöhte abstrakte Gefahr vor, die zur Anwendung der Ziff. 1bis führt. Eine im Ausmass erheblich grössere Gefährdung und mithin eine konkrete Gefahr setzt sodann die Ziff. 2 voraus, die in aller Regel zu bejahen sein dürfte, wenn der Räuber eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe zur Bedrohung des Opfers einsetzt. Bei der Ziff. 3 muss es sich um eine stark erhöhte konkrete Gefahr oder um eine konkrete, sehr naheliegende Lebensgefahr handeln, in die der Täter das Opfer bringt (BGE 117 IV 424 f. E. 4b).
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c) Ziff. 1bis setzt voraus, dass der Täter zum Zweck des Raubes eine Schusswaffe oder eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. Mit dem Wort "mitführen" wird klargestellt, dass nicht erst das Verwenden, sondern schon das Bereithalten der Waffe als Qualifikationsgrund gelten soll, weil der Täter wenigstens damit rechnet, sie bei der Tat zu verwenden, sei es auch nur zur Drohung oder zur Sicherung der Flucht (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Gewaltverbrechen] vom 10. Dezember 1979, BBl 1980 I, S. 1256). Der Grund der Strafschärfung in Ziff. 1bis liegt in der Verfügbarkeit der Waffe, in der Gefahr also, dass sich der Täter dazu entschliessen könnte, sie zu gebrauchen, wenn er sie bei sich hat (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 3. Aufl., § 8 N 115; SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, 2. Band, Art. 137 N 144; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Art. 137 N 18). Die Bestimmung soll Verbrechen verhüten und mögliche Täter davon abhalten, Tatmittel, die gefährliche Verletzungen hervorrufen können, auf sich zu tragen (NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, S. 141/2; TRECHSEL, a.a.O.).
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d) In Ziff. 1bis erfasst sind Schusswaffen oder andere gefährliche Waffen. Waffen sind nach der Rechtsprechung Gegenstände, die nach ihrer Bestimmung dem Angriff oder der Verteidigung dienen (BGE 117 IV 138 /9 mit Hinweis). Ob eine Waffe gefährlich und deshalb einer Schusswaffe gleichzustellen ist, hängt von objektiven Gegebenheiten ab und nicht vom subjektiven Eindruck, den das Opfer oder ein Dritter von ihr haben kann (BGE 111 IV 50 E. 3 mit Hinweis). Entscheidend ist, ob sie geeignet ist, gefährliche Verletzungen zu bewirken (BGE 113 IV 61 mit Hinweisen). Das trifft nach der Botschaft des Bundesrates vom 10. Dezember 1979 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes (Gewaltverbrechen) zu auf Handgranaten, Bomben, Gaspetarden, Sprühmittel, Schlagringe und andere gefährliche Hieb- und Stichwaffen (BBl 1980 I, S. 1256).
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e) Die Beschwerdegegner haben beim Raub vom 6. März 1991 je einen und bei jenem vom 17. April 1991 einen Gas-/Schreckschussrevolver mitgeführt, der mit CN-Gas enthaltenden Patronen geladen war. Diese Revolver dienen nach ihrer Bestimmung dem Angriff oder der Verteidigung und sind damit Waffen im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Da mit ihnen nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) keine kompakten Projektile von scharfer Munition verfeuert werden können, sind sie nicht als Schusswaffen gemäss Ziff. 1bis anzusehen.
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Aus dem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich vom 5. Juli 1991 ergibt sich, dass
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- die Revolver bzw. die dazu
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verwendbare Munition im Nahbereich gefährliche Eigenschaften besitzen,
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- bei "aufgesetzten" Schüssen die Wirkung erheblich ist und selbst
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tödliche
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Verletzungen nicht auszuschliessen sind, diese gefährliche Wirkung aber
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bei zunehmender Entfernung rasch, schon nach wenigen Zentimetern, abnimmt,
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- bei Verwendung von Gaspatronen das Risiko schwerer oder gar tödlicher
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Verletzungen wesentlich herabgesetzt ist, wobei beim verwendeten Modell
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"Jaguar" die Verletzungsmöglichkeiten nur bedingt verringert sind,
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- dabei besonders die Augen gefährdet sind, wo es bis auf eine
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Schussdistanz
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von etwa einem Meter zu ernsten Verletzungen kommen kann,
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- mit Verletzungen ausserdem gerechnet werden muss, wenn während der
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Schussabgabe die Waffe bzw. die Laufmündung mit der Hand umfasst wird.
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Stellt man darauf ab, fallen die von den Beschwerdegegnern verwendeten Revolver unter den Begriff der anderen gefährlichen Waffe gemäss Ziff. 1bis. Denn sie sind danach geeignet, bei bestimmungsgemässem Gebrauch - der Schussabgabe - gefährliche Verletzungen hervorzurufen. Zwar sind solche Verletzungen gemäss dem Gutachten nur zu befürchten, wenn die Revolver im Nahbereich eingesetzt werden. Ein derartiger Einsatz ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz jedoch keinesfalls auszuschliessen, insbesondere dann nicht, wenn, wie beim Raub vom 17. April 1991 in einem Taxi, enge räumliche Verhältnisse bestehen. Der Täter, der beim Raub einen Revolver von der Art der hier verwendeten auf sich trägt, schafft demnach jene erhöhte abstrakte Gefahr, die zur Strafschärfung nach Ziff. 1bis führt. Bereits in BGE 113 IV 60 ff. hat das Bundesgericht im übrigen ausgeführt, dass Pistolen, mit denen Tränengaspatronen verschossen werden können, und Tränengassprays als gefährliche Waffen zu betrachten sind, wenn damit CN-Gas eingesetzt wird. Es stützte sich auf einen Bericht der Kantonspolizei Thurgau, wonach CN-Gas bei unsachgemässer Verwendung Lungenödeme und bleibende Augenschäden verursachen kann. Daran ist festzuhalten: Die Voraussetzungen einer anderen gefährlichen Waffe sind erfüllt, wenn die Waffe bei unsachgemässer Anwendung Lungenödeme oder schwere Augenschäden bewirken kann. Dass bei den von den Beschwerdegegnern verwendeten Revolvern die Wirkung eine andere sei, stellt die Vorinstanz nicht fest. Sie verletzte deshalb Bundesrecht, wenn sie die Anwendbarkeit von Art. 139 Ziff. 1bis StGB mit der wiedergegebenen Begründung (E. 2a) verneinte.
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