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31. Urteil des Kassationshofes vom 2. Juni 1992 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen F. und S.H. (Nichtigkeitsbeschwerde). | |
Regeste |
Falsches Zeugnis; Strafmilderung nach Art. 308 Abs. 2 StGB. |
Art. 308 Abs. 2 StGB ist auch dann anwendbar, wenn dem Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht und er darauf hingewiesen worden ist (E. 1c). |
Gegenüber demjenigen, welcher zu falschem Zeugnis zu seinen eigenen Gunsten oder zugunsten eines Angehörigen angestiftet hat, ist Art. 308 Abs. 2 StGB nicht anwendbar (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Kriminalgericht des Kantons Luzern sprach F.H. am 26. April 1991 der Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB) und der versuchten Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte ihn unter Zubilligung einer Verminderung der Zurechnungsfähigkeit in leichtem Grade zu 8 Monaten Gefängnis, abzüglich einen Tag Untersuchungshaft. Es sprach S.H. mit gleichem Entscheid des falschen Zeugnisses (Art. 307 Abs. 1 StGB) und der versuchten Anstiftung zu falschem Zeugnis (Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 307 Abs. 1 StGB) schuldig und verurteilte sie zu einer Gefängnisstrafe von 7 Monaten, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von 2 Jahren.
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Die II. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern bestätigte am 15. Oktober 1991 die erstinstanzlichen Schuldsprüche. Sie billigte beiden Verurteilten abweichend von der ersten Instanz aber den Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zu und reduzierte die Strafen auf 5 Monate Gefängnis unbedingt (für F.H.) respektive 5 Monate bedingt (für S.H.).
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des ![]() | 4 |
F. und S.H. beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Die Strafverfolgung gegen den Beschwerdegegner 1 wegen Einbruchdiebstahls war schon im Gange, als die Beschwerdegegnerin 2 ihre falsche Zeugenaussage machte und der Beschwerdegegner 1 sie dazu anstiftete. Durch die falsche Aussage sollte erreicht werden, dass dieses Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls gegen den Beschwerdegegner 1 nicht weitergeführt, sondern eingestellt werde. Eine Gefahr, dass im Falle der wahren Aussage irgendein neues, weiteres Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner 1 oder die Beschwerdegegnerin 2 eröffnet würde, bestand nicht.
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a) Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, unter die in Art. 308 Abs. 2 StGB genannte Gefahr, sich oder seine Angehörigen strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, falle entgegen dem durch den zu engen Gesetzeswortlaut vermittelten Eindruck nicht nur die Gefahr der Eröffnung eines (weiteren) Strafverfahrens gegen den Zeugen oder einen Angehörigen bei wahrer Zeugenaussage, sondern nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung auch die Gefahr der Fortsetzung einer bereits angehobenen Untersuchung bzw. die Gefahr der Bestrafung im bereits hängigen Strafverfahren bei wahrer Zeugenaussage. Sinn und Zweck der Bestimmung sprächen auch für eine Gleichbehandlung des falschen Zeugnisses zur Vermeidung einer Belastung mit dem falschen Zeugnis zur Entlastung (z.B. Verschaffen eines falschen Alibis). Ziel der falschen Zeugenaussage, zu welcher die Beschwerdegegnerin 2 vom Beschwerdegegner 1 angestiftet wurde, sei es gewesen, die Fortsetzung der gegen den Beschwerdegegner 1 aufgrund der belastenden Aussagen von B. bereits angehobenen Untersuchung wegen Einbruchdiebstahls bzw. eine Bestrafung des Beschwerdegegners 1 wegen Einbruchdiebstahls ![]() | 8 |
Die Beschwerdeführerin vertritt demgegenüber die Auffassung, mit der in Art. 308 Abs. 2 StGB genannten Gefahr, sich oder seine Angehörigen strafrechtlicher Verfolgung auszusetzen, sei bloss die Gefahr der Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen den Zeugen oder einen Angehörigen gemeint, nicht auch die Gefahr der Fortsetzung eines bereits eröffneten Strafverfahrens gegen einen Angehörigen des Zeugen. Die Auffassung der Vorinstanz hätte zur Folge, dass jede (falsche) begünstigende Aussage grundsätzlich geeignet wäre, unter Art. 308 Abs. 2 StGB zu fallen; beim Wegfall der begünstigenden Aussage würde ja die Gefahr der Fortsetzung der Strafuntersuchung in aller Regel akut. Die Beschwerdeführerin hält an ihrer Auffassung fest, die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB komme nur dann in Betracht, wenn zwischen der Falschaussage und der drohenden Strafverfolgung ein unmittelbarer Zusammenhang in der Weise bestehe, dass gerade die in der wahrheitsgemässen Aussage liegende Belastung (d.h. die richtige Aussage des Zeugen) die Gefahr einer Bestrafung bzw. strafrechtlichen Verfolgung begründen würde. Gemäss den weiteren Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde hätte sich die Beschwerdegegnerin 2 risikolos auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Schwester des Angeschuldigten berufen können; die Tatsache der Zeugnisverweigerung hätte nicht gegen ihren Bruder, d.h. den Beschwerdegegner 1, verwendet werden können. Wenn sich die Beschwerdegegnerin 2 auf die Zeugenbefragung eingelassen habe, dann könne sie sich nicht nachträglich auf eine Zwangslage berufen, die einen Ehrennotstand begründen könnte.
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b) Der Wortlaut von Art. 308 Abs. 2 StGB spricht zwar (auch in der französischen und in der italienischen Fassung) für die Ansicht der Beschwerdeführerin, doch ist er zu eng und wird er Sinn und Zweck dieses Strafmilderungsgrundes, der gewisse Parallelen zu ![]() | 10 |
Auch in der Literatur wird, soweit sie zu dieser Frage überhaupt Stellung nimmt, die Ansicht vertreten, Art. 308 Abs. 2 StGB erfasse entgegen seinem zu engen Wortlaut auch das falsche Zeugnis zur Begünstigung eines bereits angeschuldigten Angehörigen (PAUL PFÄFFLI, Das falsche Zeugnis, Diss. Bern 1962, S. 102; ANDREAS HAUSWIRTH, Die Selbstbegünstigung im schweizerischen Strafrecht, S. 219/220; wohl auch SCHULTZ, Über das falsche Zeugnis, ZStrR 76/1960 S. 348 ff., 351; ebenso für das deutsche Recht SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, Kommentar, 24. Aufl. 1991, § 157 dt.StGB N 9 in fine). Dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob das falsche Zeugnis zur Vermeidung einer Belastung oder aber zur Entlastung (Alibi) des bereits angeschuldigten Angehörigen abgegeben wird. Eine die Gefahr der Fortsetzung eines bereits eröffneten ![]() | 11 |
c) Die Beschwerdegegnerin 2 war als Schwester des Beschwerdegegners 1 im gegen diesen eröffneten Strafverfahren wegen Einbruchdiebstahls gemäss § 92 Ziff. 2 StPO/LU zur Zeugnisverweigerung berechtigt, und sie wurde auf dieses Zeugnisverweigerungsrecht ausdrücklich aufmerksam gemacht. Die Frage, ob ihr dennoch im Falle falscher Zeugenaussage zugunsten ihres Bruders der Strafmilderungsgrund gemäss Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt werden kann, ist mit der Vorinstanz zu bejahen. Diese Auffassung entspricht der herrschenden Lehre (TRECHSEL, a.a.O., Art. 308 StGB N 7, mit Hinweis auf BGE 87 IV 22; STRATENWERTH, Strafrecht Bes. Teil II, 3. Aufl., § 55 N 53; PAUL PFÄFFLI, op.cit., S. 103; ANDREAS HAUSWIRTH, op. cit., S. 222; GEORG MESSMER, a.a.O., S. 438; SCHULTZ, Falsche Anschuldigung, Irreführung der Rechtspflege und falsches Zeugnis, ZStrR 73/1958 S. 213 ff., 260; WALTER UFENAST, Das falsche Zeugnis in rechtsvergleichender Darstellung, Diss. Zürich 1927, S. 99; andere Auffassung: HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV, S. 326; OLIVIER CORNAZ, SJK Nr. 1012 S. 8 oben). Zwar befindet sich der Zeuge, dem ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht, nicht aus rechtlichen Gründen in der Zwangslage, entweder falsch auszusagen oder aber den Angehörigen zu belasten bzw. nicht in der gewünschten Weise entlasten zu können. Der Zeuge, der über ein Zeugnis- oder Antwortverweigerungsrecht verfügt, befindet sich aber faktisch weiterhin in einem gewissen Dilemma, welches die Anwendung von Art. 308 Abs. 2 StGB rechtfertigt. Denn die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts, d.h. das Schweigen des Zeugen, kann je nach den Umständen von der Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung als eine Verdacht begründende bzw. erhärtende Tatsache gewürdigt werden. Ob eine solche Beweiswürdigung zulässig sei (dazu eingehend ROBERT HAUSER, Der Zeugenbeweis im Strafprozess ..., S. 158 ff.), kann hier dahingestellt bleiben; entscheidend ist insoweit, dass der Zeuge subjektiv glaubt (vgl. dazu BGE 75 IV 65 ff.), sein Schweigen in Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts könne sich zum Nachteil des Angehörigen auswirken (vgl. dazu auch KLAUS BÜTTIKOFER, Die falsche Zeugenaussage aus kriminologischer Sicht, Diss. Zürich 1975, S. 109 ff.).
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b) Wohl ist es nach der insoweit zutreffenden Ansicht der Vorinstanz entgegen einer Bemerkung in BGE 73 IV 245 E. 2 nicht entscheidend, dass in Art. 308 Abs. 2 StGB lediglich vom Täter und nicht auch vom Teilnehmer am falschen Zeugnis die Rede ist; denn die Bestimmungen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches sprechen in der Regel nur vom Täter. Entscheidend ist indessen ![]() | 15 |
Die Vorinstanz hat dem Beschwerdegegner 1 somit zu Unrecht den Strafmilderungsgrund von Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt.
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c) Die Vorinstanz hat auch der Beschwerdegegnerin 2 zu Unrecht den Strafmilderungsgrund von Art. 308 Abs. 2 StGB zugebilligt, soweit diese sich der versuchten Anstiftung (ihrer Freundin) zum falschen Zeugnis zugunsten des Beschwerdegegners 1 schuldig machte.
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3. Die Sache ist demnach in teilweiser Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese gegenüber dem Beschwerdegegner 1 die Strafe ohne Zuerkennung des Strafmilderungsgrundes von Art. 308 Abs. 2 StGB neu bemesse und der Beschwerdegegnerin 2 diesen Strafmilderungsgrund nur insoweit zubillige, als sie sich des falschen Zeugnisses schuldig gemacht hat, nicht aber auch insoweit, als sie wegen versuchter Anstiftung zu falschem Zeugnis verurteilt worden ist.
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