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46. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. Juni 1992 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen L. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 110 Ziff. 5 Abs. 2, Art. 251 Ziff. 1 StGB; Urkundenfälschung; Selbstbegünstigung mittels eines gefälschten "Unfallprotokolls". |
2. Das Unterzeichnen des Unfallprotokolls mit einem falschen Namen stellt eine Urkundenfälschung dar (E. 4). |
3. Die Absicht, sich mittels einer Urkundenfälschung einer Verurteilung zu entziehen, erfüllt die unrechtmässige Vorteilsabsicht i.S. v. Art. 251 Ziff. 1 StGB (E. 5). |
4. Ein zugleich mit strafloser Selbstbegünstigung begangenes anderes Delikt ist uneingeschränkt strafbar (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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B.- Gegen den Berufungsentscheid führt die Staatsanwaltschaft St. Gallen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Schuldigsprechung von L. wegen Urkundenfälschung und dementsprechend strengerer Bestrafung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Weder das Kantonsgericht St. Gallen noch der Beschwerdegegner reichten Gegenbemerkungen bzw. eine Vernehmlassung ein.
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1. Der Beschwerdegegner fuhr nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz, obwohl ihm der Führerausweis entzogen ![]() | 4 |
Die Vorinstanz geht davon aus, nach der Rechtsprechung (BGE 106 IV 41; Urteil des Strafgerichts Baselland vom 30.05.1951, in SJZ 48/1952, S. 13) werde ein Schriftstück jedenfalls dann zur Urkunde, wenn sein Inhalt durch einen Dritten als eine Art "Gewährsmann" ausdrücklich oder stillschweigend bestätigt, "beglaubigt" wird. Nun verhalte es sich im vorliegenden Fall allerdings so, dass nicht eine gemeinsame Erklärung der Parteien unrichtig wiedergegeben worden sei, sondern der Beschwerdegegner habe in der für ihn bestimmten Rubrik Nr. 9 (Fahrzeuglenker) fälschlicherweise erklärt, C. T. sei gefahren. Für sich allein genommen könnte diese Aussage als schriftliche Behauptung ohne weiteren Beweiswert beurteilt werden. Derjenige nämlich, welcher bei einem Unfall als Lenker beteiligt sei, könne nicht selbst ein Dokument herstellen, welches diese Tatsache beweise. Es lägen hier aber besondere Verhältnisse vor, welche die fragliche Eintragung mit Beweiskraft ausstatten würden. Der Beschwerdegegner habe das Unfallprotokoll im Beisein des Kollisionsgegners H. ausgefüllt, der das Dokument dann auch mit sich genommen habe. Damit habe der Kollisionsgegner die für die Versicherung gedachte Erklärung des Beschwerdegegners durch seine Anwesenheit als eine Art "Gewährsmann" stillschweigend beglaubigt. Zwar sei unbekannt, mit welchem Namen sich der Beschwerdegegner gegenüber H. ausgegeben habe. Jener sei dazu nicht befragt, dieser zur Sache überhaupt nicht einvernommen worden. So oder anders habe sich die Versicherung in der gegebenen Situation aber darauf verlassen dürfen, dass die Erklärung über die Person des Lenkers wahrheitsgetreu sei. Auch dem Beschwerdegegner habe bekannt sein müssen, dass die Versicherung die Angaben auf dem Unfallprotokoll nicht mehr zusätzlich überprüfen würde, diene es doch - wie darauf vermerkt - der Wiedergabe des Unfallherganges "zur schnelleren Schadenregulierung". Das Unfallprotokoll vom ![]() | 5 |
2. Die Beschwerdeführerin wendet dagegen ein, die Vorinstanz gehe bei ihrer Kritik an der Rechtsprechung des Bundesgerichts offenbar davon aus, alles was straflos sei, sei auch rechtmässig, bzw. alles was nicht strafbar sei, sei auch nicht rechtswidrig. Diese Folgerung sei nicht zwingend. Denn ein Verhalten könne rechtswidrig, aber nicht strafbar sein. Insbesondere beim asthenischen Notwehrexzess ![]() | 6 |
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Die Vorinstanz bejahte zu Recht die Urkundenqualität des in Frage stehenden privaten Unfallprotokolls. Das verwendete, vorgedruckte Formular stellt, wie darauf vermerkt ist, keine Schuldanerkennung, sondern eine Wiedergabe des Unfallherganges zur schnelleren Schadenregulierung dar. Darin wurden Ort und Zeit des Unfalls, die daran beteiligten Fahrzeuge und ihre Lenker aufgeführt sowie in einer ![]() | 8 |
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Wo die Täuschung durch das Fälschen des Inhalts einer Urkunde oder das Vorspiegeln eines anderen Ausstellers bewirkt wird, handelt es sich um eine Urkunde im engeren Sinne oder um eine unechte Urkunde. Der Beschwerdegegner erfüllte in diesem Sinne den objektiven Tatbestand der Urkundenfälschung, indem er das Unfallprotokoll mit dem Namen seines Kollegen, T., unterzeichnete.
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Ob die wahrheitswidrige Angabe von T. als Fahrzeuglenker gleichzeitig eine Falschbeurkundung darstellt, das heisst ob allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit dieser Erklärung gewährleisteten (BGE 117 IV 38 E. d und 167), kann offenbleiben. Es genügt für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Urkundenfälschung, dass der Beschwerdegegner mit der Unterzeichnung des Formulars - welches unter anderem C. T. als Fahrzeuglenker aufführte - in der Rubrik "Unterschrift der Fahrzeuglenker" mit dem falschen Namen "T." vortäuschte, dieser und nicht er habe sich am Unfalltag am Steuer eines der Motorfahrzeuge befunden.
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Die bundesgerichtliche Rechtsprechung fasst den Begriff des "unrechtmässigen Vorteils" sehr weit, indem dieser jede Besserstellung erfasst (BGE 74 IV 56; vgl. zudem BGE 81 IV 242; BGE 100 IV 25; BGE 101 IV 59; BGE 102 IV 195; BGE 106 IV 275). Diese Praxis stiess auf Kritik, fand aber auch Zustimmung (vgl. dazu TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, Art. 251 N 16 und STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht, ![]() | 13 |
Denn der Beschwerdegegner hatte keinen Anspruch darauf, wegen Fahrens trotz Führerausweisentzug strafrechtlich nicht verfolgt zu werden. Wenn er mit der fraglichen Urkundenfälschung erreicht hätte, dass er strafrechtlich nicht verfolgt worden wäre, hätte er sich ohne weiteres einen unrechtmässigen Vorteil verschafft; er wäre straflos geblieben, obwohl er eine Strafe verwirkt hatte. Die Absicht eines unrechtmässigen Vorteils ist, wie das Bundesgericht mehrfach entschied (BGE 74 IV 76; BGE 76 IV 107; vgl. auch BGE 96 IV 168; BGE 102 IV 34), gegeben, wenn sich der Täter durch die Urkundenfälschung einer Strafverfolgung entziehen will; dies ungeachtet dessen, dass die Selbstbegünstigung straflos ist. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist es nicht widersprüchlich, trotz der Straflosigkeit der Selbstbegünstigung die unrechtmässige Vorteilsabsicht zu bejahen. Denn es geht nicht darum, ob die Selbstbegünstigung nicht rechtswidrig ist, und die Besserstellung, die sich ein Täter durch die Selbstbegünstigung verschafft, deshalb auch nicht rechtswidrig sein kann. Unrechtmässig ist, dass ein strafbarer Täter ohne Strafe bleibt; wer sich diesen Vorteil mittels Fälschung einer Urkunde verschafft, macht sich der Urkundenfälschung schuldig. Dass der Täter sich dabei nicht auch noch der Begünstigung schuldig macht, weil Selbstbegünstigung straflos ist, ändert nichts daran; wird mit der (straflosen) Selbstbegünstigung zugleich ein anderes Delikt begangen (ein Zeuge ermordet, eine Straftat durch Brandstiftung verdeckt, der Verhaftung gewaltsamer Widerstand geleistet usw.), so bleibt dieses andere Delikt uneingeschränkt strafbar (BGE 102 IV 31 E. 1, mit Hinweisen; STRATENWERTH, a.a.O., S 56 N 14, S. 324 oben).
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Die Vorinstanz verletzte demnach Bundesrecht, wenn sie die unrechtmässige Vorteilsabsicht verneinte, weshalb ihr Entscheid aufzuheben und die Sache an sie zu neuer Entscheidung zurückzuweisen ist. Sie hat den beabsichtigten Vorteil als unrechtmässig zu ![]() | 15 |
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