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48. Urteil des Kassationshofs vom 3. Juni 1992 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 84 Ziff. 1 und Ziff. 2 ZSG; Art. 63 ZSV; Zivilschutzverweigerung, ne bis in idem. Art. 68 Ziff. 2 StGB; Zusatzstrafe. |
2. Wurde eine Nichtbefolgung eines Aufgebotes zu Zivilschutzdienst als schwerer Fall qualifiziert und eine Strafe von einem Monat Gefängnis ausgesprochen, unter Berücksichtigung der generellen Verweigerung des Schutzdienstes und damit auch der künftigen Nichtbefolgungen von Aufgeboten, verstösst eine neuerliche Verurteilung und Bestrafung wegen Nichtbefolgung eines Aufgebots zu Zivilschutzdienst gegen das Doppelbestrafungsverbot (E. 4). |
3. Ist bei der ersten Bestrafung die generelle Verweigerung des Zivilschutzdienstes abschliessend berücksichtigt worden, dürfte auch nur eine Zusatzstrafe der Grösse Null ausgesprochen werden (E. 5). | |
Sachverhalt | |
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Einem erneuten Aufgebot für einen Zivilschutzkurs vom 24. bis 28. April 1989 leistete B. wiederum keine Folge. Aufgrund dieses Sachverhalts verurteilte ihn die Bezirksanwaltschaft Winterthur mit Strafbefehl vom 17. August 1989 erneut wegen Widerhandlung gegen Art. 84 Ziff. 1 Abs. 3 lit. a und Ziff. 2 ZSG zu einer Strafe von 30 Tagen Gefängnis unbedingt. Das Bezirksgericht Winterthur (Einzelrichter) sprach demgegenüber in Abänderung der Strafverfügung eine Zusatzstrafe zum Urteil des Obergerichts Zürich vom 18. September 1989 von 15 Tagen Gefängnis unbedingt aus. Mit Urteil vom 5. Februar 1990 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich diesen Entscheid.
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Die Staatsanwaltschaft hat auf Vernehmlassung, das Obergericht auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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C.- Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Kassationsgericht des Kantons Zürich insofern gut, als es einen Satz des angefochtenen Entscheids anders fasste; im übrigen wies es die Beschwerde ab.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Das Prinzip besagt, dass niemand wegen der gleichen Straftat zweimal verfolgt werden darf oder dass mit anderen Worten einem zweiten Strafverfahren respektive einer zweiten Beurteilung der gleichen Tat der Verbrauch der Strafklage aufgrund des ersten Urteils entgegensteht (BGE 116 IV 264 E. 3). Derselbe Schutz folgt aus dem Institut der materiellen Rechtskraft, welche bewirkt, dass die formell rechtskräftig beurteilte Tat nicht mehr Gegenstand eines späteren Verfahrens gegen dieselbe Person bilden kann. Eine neue Entscheidung ist sowohl prozessual als auch inhaltlich ausgeschlossen. Voraussetzung für diese Sperrwirkung sind die Identität der Person sowie die Identität der Tat (ROBERT HAUSER, Schweizerisches Strafprozessrecht, 2. Aufl., S. 241; GÉRARD PIQUEREZ, Précis de procédure ![]() | 8 |
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Gemäss Art. 63 der Verordnung über den Zivilschutz (ZSV; SR 520.11) wird von der Zivilschutzdienstleistung u.a. ausgeschlossen (Art. 43 Abs. 2 ZSG), wer sich weigert, die ihm im Zivilschutz übertragenen Aufgaben zu übernehmen, und deswegen zu unbedingten Freiheitsstrafen von insgesamt mindestens 30 Tagen Gefängnis verurteilt wird.
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Das Zivilschutzgesetz trifft im Gegensatz zum Militärstrafgesetz (Art. 81 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 MStG) keine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Dienstverweigerung und Dienstversäumnis.
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b) In BGE 112 IV 130 E. 1 hielt das Bundesgericht fest, die generelle Verweigerung der Schutzdienstpflicht stelle die denkbar schwerwiegendste einmalige Handlung dar. Die Absicht, die Erfüllung der Schutzdienstpflicht überhaupt zu verweigern, offenbare einen besonders intensiven deliktischen Willen sowie eine besonders zu missbilligende Einstellung gegenüber der Gemeinschaft, die verschärfter Strafe riefen. Es würdigte die generelle Verweigerung demgemäss als schweren Fall im Sinne von Art. 84 Ziff. 2 ZSG. Hinsichtlich der Strafzumessung führte es aus, das Verschulden wiege schwer, da eine für die Gemeinschaft notwendige, wiederkehrende Leistung an diese verweigert werde. Es brachte dabei die Anzahl Diensttage, die der Täter in Zukunft voraussichtlich hätte leisten müssen, in Anschlag (BGE 112 IV 131 E. 2).
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Der Beschwerdeführer teilte mit Schreiben vom 6. Juli 1986 dem Zivilschutzamt der Stadt Winterthur seinen Entschluss mit, das an ![]() | 13 |
c) Das Obergericht des Kantons Zürich qualifizierte mit Urteil vom 18. September 1989 die Widerhandlung des Beschwerdeführers gegen das Zivilschutzgesetz vom November 1988 als schweren Fall im Sinne von Art. 84 Ziff. 2 ZSG. Es verwies in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf BGE 112 IV 130. Im Rahmen der Strafzumessung ging es davon aus, der Beschwerdeführer sei nicht gewillt, unter den bestehenden Verhältnissen seine Schutzdienstpflicht zu erfüllen, und verweigere grundsätzlich den Zivilschutzdienst. Aufgrund dieser Umstände setzte es die Strafe auf einen Monat Gefängnis unbedingt fest.
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Gemäss Art. 63 lit. c ZSV wird von der Schutzdienstleistung ausgeschlossen, wer sich weigert, die ihm im Zivilschutz übertragenen Aufgaben zu übernehmen, und deswegen zu unbedingten Freiheitsstrafen von insgesamt mindestens 30 Tagen verurteilt wird. Setzt das Gericht, wie dies das Obergericht Zürich mit Urteil vom 18. September 1989 getan hat, die Strafe auf einen Monat Gefängnis fest, ist es sich darüber im klaren, dass der Verurteilte nach der genannten Verordnungsbestimmung von der Schutzdienstleistung ausgeschlossen werden und folglich keinen weiteren Dienst zu leisten haben wird. Es ist somit anzunehmen, dass das Gericht, wenn es in Kenntnis dieser Folge die generelle Verweigerung von Zivilschutzdienst bei der Qualifikation als schweren Fall berücksichtigt und die ![]() | 16 |
b) Indem das Obergericht Zürich den Beschwerdeführer mit Urteil vom 18. September 1989 im Anschluss an die Nichtleistung des Dienstes im November 1988 in Anwendung von Art. 84 Ziff. 1 Abs. 3 lit. a und Ziff. 2 ZSG zu einer Strafe von einem Monat Gefängnis verurteilte, beurteilte es aus diesen Gründen seine generelle Verweigerung des Zivilschutzdienstes abschliessend, d.h. es berücksichtigte auch die Nichtbefolgung der Aufgebote zu den Zivilschutzkursen, die der Beschwerdeführer voraussichtlich in Zukunft würde leisten müssen. Die Nichtbefolgung des Aufgebotes zum Zivilschutzkurs vom April 1989 - die sich erst während des hängigen Berufungsverfahrens für jene vom November 1988 ereignete und formell daher nicht Gegenstand jenes Verfahrens bildete - muss daher als mitberücksichtigt und mitbeurteilt gelten. Wenn die Vorinstanz den Beschwerdeführer wegen seiner Weigerung, im April 1989 einen Dienst zu leisten, erneut bestrafte, dann verurteilte sie ihn wegen einer Tat, die bereits Gegenstand der Verurteilung vom 18. September 1989 bildete. Die Identität der Tat ist zu bejahen aufgrund der Besonderheit des Tatbestandes der generellen Dienstverweigerung, die auch künftige Nichtbefolgungen von Aufgeboten erfasst.
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Die in der Lehre bestehende Kontroverse um die Voraussetzungen der Tatidentität im Zusammenhang mit dem Grundsatz ne bis in idem ist im zu beurteilenden Fall ohne Bedeutung, da der Richter im in Frage stehenden ersten Urteil vom 18. September 1989 den historischen Sachverhalt umfassend prüfen konnte und, wie dargelegt wurde, tatsächlich auch geprüft und berücksichtigt hat.
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Ebenfalls offenbleiben kann die Frage, ob die generelle Verweigerung des Zivilschutzdienstes aus Gewissensgründen trotz unter Umständen zeitlich weit auseinanderliegender konkreter Verweigerungshandlungen aufgrund der gleichbleibenden ablehnenden Haltung des Täters als eine einzige Handlung anzusehen ist (so unter Verweis auf die Fixierung des äusseren Verhaltens durch die Bindung an die Gewissensentscheidung das deutsche BVerfG, Beschluss vom 7. März 1968, JZ 1968, S. 523 mit krit. Anm. Evers; vgl. auch KARL PETERS, Strafprozess, 4. Aufl. 1985, S. 511 d; ferner CLAUS ![]() | 19 |
c) Die Vorinstanz verletzte somit den Grundsatz ne bis in idem, weil sie den Beschwerdeführer wegen der gleichen Tat zweimal bestrafte. Die voraussichtlichen künftigen Dienstleistungen und damit auch jene vom April 1989 wirkten sich in ihrem ersten Urteil bei der Qualifikation der Tat als schwerer Fall und bei der Höhe der Strafe aus (vgl. Art. 63 lit. c ZSV), weshalb ein erneutes Verfahren und eine erneute Verurteilung wegen der Nichtbefolgung des Aufgebotes für den Kurs vom April 1989 eine unzulässige doppelte Bestrafung darstellt. Die erste Verurteilung des Beschwerdeführers erfasste den Unrechts- und Schuldgehalt seiner ganzen in Frage stehenden Verhaltensweise allein bereits völlig, so dass ein erneutes Verfahren und eine erneute Verurteilung eine doppelte Bestrafung bedeutet (vgl. dazu DONATSCH, a.a.O., S. 317/8, der dies bei unechter Konkurrenz im Sinne der Konsumtion bejaht); dies nicht nur, weil er zweimal wegen der Nichtleistung des Dienstes im April 1989 bestraft wurde, sondern weil auch zweimal seine generelle Verweigerung von Zivilschutzdienst in Anschlag gebracht wurde, indem im angefochtenen zweiten Urteil erneut gestützt darauf ein schwerer Fall angenommen wurde.
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Die Vorinstanz hat somit sowohl durch die Ausfällung eines erneuten Schuldspruchs als auch mit der neuen Strafe Bundesrecht verletzt.
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Wollte man bei der gegebenen Sachlage eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem verneinen, würde das angefochtene Urteil, im übrigen zumindest was die erneute Strafe betrifft, Bundesrecht verletzen. Dies ergibt sich aus denselben Überlegungen, die zur Annahme der Verletzung von ne bis in idem geführt haben, in Verbindung mit Art. 68 Ziff. 2 StGB. Nach dieser Bestimmung bemisst der Richter, wenn er eine mit Freiheitsstrafe bedrohte Tat zu ![]() | 23 |
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