![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. März 1993 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 4 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 84 OG, Art. 269 BStP; Verletzung des Beschleunigungsgebots im Strafverfahren; staatsrechtliche Beschwerde oder Nichtigkeitsbeschwerde? | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Eine dagegen geführte eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Bundesgericht mit Entscheid vom 15. November 1989 gut, hob das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 20. April 1989 auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
| 2 |
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach S. am 11. Januar 1990 wiederum der groben Verletzung von Verkehrsregeln unter Anwendung anderer Bestimmungen des SVG schuldig und bestätigte die in seinem ersten Urteil ausgesprochene Busse. Gegen diesen und den nachfolgenden gleichlautenden Entscheid des Obergerichts vom 6. Dezember 1990 erhob S. zwei staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, welche das Bundesgericht mit Urteilen vom 29. Juni 1990 und 22. Oktober 1991 guthiess.
| 3 |
![]() | 4 |
Gegen dieses Urteil führt S. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
| 5 |
Das Obergericht des Kantons Aargau hat auf Gegenbemerkungen, die Staatsanwaltschaft auf Vernehmlassung verzichtet. Eine in derselben Sache eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wies der Kassationshof ab.
| 6 |
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
| 7 |
Aus den Erwägungen: | |
8 | |
a) Die Rüge der unmittelbaren Verletzung der EMRK oder der Bundesverfassung ist mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen. Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde können lediglich Rügen einer mittelbaren Verletzung der Bundesverfassung oder der EMRK, d.h. einer nicht verfassungs- bzw. nicht konventionskonformen Auslegung und Anwendung von Bundesrecht, erhoben werden (BGE 116 IV 388 E. 1, BGE 114 Ia 377, BGE 114 IV 26 E. 4, je mit Hinweisen).
| 9 |
10 | |
Demgegenüber betrifft die Frage, welche Folgen eine Verletzung des Beschleunigungsgebots für die Auslegung und Anwendung eidgenössischen Strafrechts hat, die mittelbare Verletzung von Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Wird eine derartige Verletzung festgestellt und der Verfahrensverzögerung im Rahmen der Strafzumessung Rechnung getragen oder dadurch, dass der Täter zwar schuldig gesprochen, aber von Strafe Umgang genommen oder das Verfahren gar eingestellt wird (vgl. BGE 117 IV 129 E. d), handelt es sich um eine verfassungs- und EMRK-konforme Auslegung und Anwendung des in Frage stehenden Bundesstrafrechts. Die Frage, ob eine kantonale Instanz eine bundesrechtliche Strafbestimmung zu Recht nicht angewendet hat, weil die Verurteilung mit der EMRK nicht zu vereinbaren wäre, kann daher mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde aufgeworfen werden (BGE 117 IV 125, BGE 114 IV 119 E. bb). Dasselbe gilt im umgekehrten Fall, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, das Bundesrecht sei nicht verfassungs- bzw. konventionsgemäss ausgelegt und angewendet worden.
| 11 |
c) Soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz habe eine Verletzung des Beschleunigungsgebots gemäss Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu Unrecht verneint, ist danach auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzutreten.
| 12 |
Zu prüfen ist indes, ob die Verfahrensdauer von viereinhalb Jahren besondere Sanktionen nach sich ziehen muss (vgl. dazu BGE 117 IV 129). Dies ist für den zu beurteilenden Fall zu verneinen. Zwar erscheint die Verfahrensdauer für eine grobe Verletzung von Verkehrsregeln, die keine besonderen Beweiserhebungen wie Expertisen erforderte und eine Busse von Fr. 350.-- zur Folge hatte, als überdurchschnittlich lang. Es ist jedoch zu beachten, dass sie für den Beschwerdeführer zu keiner besonderen Belastung geführt hat. Insbesondere ist er keinen Beschränkungen infolge strafprozessualer Massnahmen zur Sicherung des Verfahrens unterworfen worden und hat keine Beeinträchtigung des sozialen Ansehens oder wirtschaftliche Nachteile erlitten. Im übrigen stand auch kein gravierender Schuldvorwurf in Frage, der eine besondere Belastung hätte herbeiführen können. Die Ungewissheit, ob er wegen einer Verkehrsregelverletzung zu einer nicht hohen Busse verurteilt werden würde, wog nicht schwer. In diesem Zusammenhang ist auch der Umstand zu würdigen, dass der Beschwerdeführer sämtliche ![]() | 13 |
14 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |