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50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. September 1993 i.S. I. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 5 BetmG; unbefugter Besitz von Betäubungsmitteln. | |
Sachverhalt | |
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen beantragt in ihrer Vernehmlassung Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Das Kantonsgericht St. Gallen hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Aufgrund dieses Sachverhalts erklärte die Vorinstanz den Beschwerdeführer der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a BetmG schuldig. Sie führte aus, der Beschwerdeführer habe die Betäubungsmittel im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 5 BetmG besessen. Das ebenfalls in Frage kommende unbefugte Lagern gemäss Abs. 3 derselben Bestimmung werde von der Tathandlung des unbefugten Besitzens mitumfasst. Der Tatbestand des unbefugten Besitzens liege stets vor, wenn der Täter Betäubungsmittel anders als auf dem vom Gesetz vorgeschriebenen Weg erlangt habe. Der Beschwerdeführer habe die von A. mitgeführten Drogen spätestens zu dem Zeitpunkt in diesem Sinne erlangt, als sich jener verabschiedet habe, um seinen Stoff später wieder abzuholen. Er habe ![]() | 5 |
c) Der Beschwerdeführer räumt ein, dass er sich der Gehilfenschaft zur Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gemacht habe, indem er A. behilflich gewesen sei, die Betäubungsmittel zu portionieren. Indes wendet er sich gegen den Schuldspruch der Mittäterschaft zum qualifizierten Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz. Er macht geltend, für eine Verurteilung gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 und 5 BetmG genüge eine blosse faktische Herrschaftsmöglichkeit über die Betäubungsmittel nicht. Aus der bestehenden Herrschaftsmöglichkeit könne zudem auch nicht auf einen diesbezüglichen Herrschaftswillen geschlossen werden. Der Herrschaftswille sei nicht bereits dann gegeben, wenn ein Gegenstand im Zugriffsbereich eines anderen liege. Der subjektive Tatbestand sei nur dann erfüllt. wenn sich die Tathandlung nicht auf ein blosses Dulden beschränke, sondern zusätzlich ein eigener Herrschaftswille gegeben sei.
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Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, er habe Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 und 5 BetmG auch nicht durch Unterlassen im Sinne eines unechten Unterlassungsdelikts erfüllt. Er habe von der Existenz der Drogen erst Kenntnis erhalten, als diese sich bereits in seiner Wohnung befunden hätten. A. sei nicht bereit gewesen, diese wieder mitzunehmen. In dieser Situation könne die Duldung der Lagerung nicht strafbar sein.
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3. a) Gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 und 5 BetmG macht sich strafbar, wer unbefugt Betäubungsmittel lagert, versendet, befördert, ein-, aus- oder durchführt bzw. unbefugt besitzt, aufbewahrt, kauft oder sonstwie erlangt. Dem Beschwerdeführer wird zur Last gelegt, dass er seinem Bekannten A. erlaubt habe, für kurze Zeit in seinem Zimmer und in der Wohnung seines Bruders Betäubungsmittel zu verstecken. Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer dadurch selbständig einen der in Art. 19 Ziff. 1 BetmG umschriebenen Tatbestände erfüllt oder als Gehilfe lediglich einen untergeordneten, vom Gesetz nicht als selbständiges Delikt erfassten Beitrag geleistet hat. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass Art. 19 Ziff. 1 BetmG nahezu alle Unterstützungshandlungen, die bei anderen Tatbeständen ![]() | 8 |
b) In Frage kommen im zu beurteilenden Fall die Tathandlungen des Lagerns und Besitzens bzw. Aufbewahrens gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 und 5 BetmG. Die romanischen Gesetzestexte sprechen in diesem Zusammenhang von "entreposer", "posséder" und "détenir" bzw. von "depositare", "possedere" und "detenere". Besitz und Lagerung sind schon im Gesetz betreffend Betäubungsmittel vom 2. Oktober 1924 als strafbare Handlungen bezeichnet worden (AS 41 [1925] 439, Art. 11 Abs. 1; vgl. auch Art. 33 und 36 Ziff. 1 des Einheits-Übereinkommens über die Betäubungsmittel vom 30. März 1961, für die Schweiz in Kraft getreten am 22. Februar 1970 [SR 0.812.121.01]). Die Tathandlung des Aufbewahrens wurde durch die Gesetzesrevision vom 8. Oktober 1951 eingefügt (AS 1952 241, Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3).
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c) Besitz im Sinne des BetmG meint nicht den Zustand als solchen, sondern ein dafür kausales Verhalten, nämlich die Herbeiführung und Aufrechterhaltung des illegalen Zustands. Der Tatbestand ist demnach erfüllt, wenn der Täter anders als auf dem im Gesetz vorgeschriebenen Weg Betäubungsmittel erlangt hat (ALFRED SCHÜTZ, Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel ..., Diss. Zürich 1980, S. 123 f.; ebenso GÜNTER HEINE, Landesbericht Schweiz, S. 569, in JÜRGEN MEYER, Betäubungsmittelstrafrecht in Westeuropa, Freiburg i.Br. 1987). Besitz im Sinne des BetmG setzt entsprechend dem Gewahrsamsbegriff beim Diebstahl Herrschaftsmöglichkeit und Herrschaftswille voraus. Dabei umfasst Herrschaftsmöglichkeit die tatsächliche Möglichkeit des Zugangs zur Sache und das Wissen darum, wo sie sich befindet, und bezeichnet Herrschaftswille den Willen, die Sache der tatsächlichen Möglichkeit gemäss zu beherrschen (BGE 115 IV 104 f. E. 1c aa; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, 4. Aufl., Bern 1993, § 13 N 79 ff.; vgl. auch MARTIN SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht, Bes. Teil, 2. Band, N 54 f. zu Art. 137). Bei Sachen innerhalb der eigenen Herrschaftssphäre, deren Vorhandensein jederzeit festgestellt werden kann, genügt ein entsprechender genereller Herrschaftswille (STRATENWERTH, a.a.O., § 13 N 88).
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d) Ob der Tatbestand des Lagerns ebenfalls erfüllt ist, kann offenbleiben, da die Vorinstanz dies dem Beschwerdeführer nicht zur Last legte. Sie ging (irrtümlicherweise) davon aus, der Besitz von Drogen umfasse immer auch das Lagern (vgl. SCHÜTZ, a.a.O., S. 111). Sie zog damit einen selbständigen Tatbestand des Lagerns - im Ergebnis hier wohl zu Recht - gar nicht in Betracht.
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