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32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. September 1994 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 148 Abs. 1 StGB; Arglist, Opfermitverantwortung. | |
Sachverhalt | |
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Die Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betruges stützt sich auf folgenden Anklagevorwurf: B. habe durch Vorspiegelung falscher Tatsachen in der Zeit von Dezember 1991 bis März 1992 insgesamt ca. Fr. 191'000.-- von Landsleuten erhältlich gemacht. In zehn Fällen habe er sich als Kontaktperson zur Fremdenpolizei ausgegeben und dadurch das Vertrauen seiner Landsleute erschlichen. Sein Vorgehen habe sich jeweils nach dem gleichen Muster abgespielt. Durch Vorzeigen von Papieren bzw. einer Visitenkarte mit dem Stempelaufdruck "Fremdenpolizei" oder mit dem Hinweis "Generalvertreter für Jugoslawien" habe er seinen Opfern Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen gegen Vorausbezahlung von Fr. 10'000.-- bis Fr. 25'000.-- pro Bewilligung versprochen. Quittungen für die einkassierten Beträge habe er grundsätzlich keine ausgestellt. Er habe die Erteilung der Bewilligungen seinen Geldgebern innert weniger Wochen zugesichert, obwohl er nicht in der Lage gewesen sei, solche zu beschaffen. In einem weiteren Fall habe er ein Darlehen von Fr. 10'000.-- für den geplanten Aufbau eines Import-Export- Geschäftes auf betrügerische Weise erwirkt.
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B.- B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben; die Sache sei zur Freisprechung vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betruges und zur Aufhebung der Landesverweisung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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C.- Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Für die Erfüllung des Tatbestandes des Betrugs gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB genügt nicht jede, sondern nur die arglistige Täuschung. Wer sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen, den Irrtum durch ein Minimum zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können, ist strafrechtlich nicht geschützt.
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Bei der Beantwortung der Frage, ob Arglist gegeben sei, ist auch der Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung zu berücksichtigen. So hat das Bundesgericht in BGE 119 IV 28 die Arglist unter anderem mit der Begründung verneint, das Opfer - eine Bank - hätte bei Beachtung der grundlegendsten Sorgfaltsmassnahmen die Täuschung entdecken können (E. 3f). In BGE 119 IV 210 bejahte das Bundesgericht demgegenüber die Arglist in einem Fall, wo das Opfer geistig beeinträchtigt war und die Täuschung für einen verständigen Dritten offensichtlich gewesen wäre (E. 3d). Diese Entscheide widersprechen sich nicht. Bei der Prüfung der Frage der Arglist ist nicht aufgrund einer rein objektiven Betrachtungsweise darauf abzustellen, wie ein durchschnittlich vorsichtiger und erfahrener Dritter auf die Täuschung reagiert hätte. Zu berücksichtigen ist auch die Lage des Opfers im Einzelfall, soweit der Täter diese kennt und ausnützt. Das gilt insbesondere bei geistesschwachen, unerfahrenen oder aufgrund des Alters oder einer (körperlichen oder geistigen) Krankheit beeinträchtigten Opfern, ferner bei solchen, die sich in einem Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis oder in einer Notlage befinden und deshalb kaum imstande sind, dem Täter zu misstrauen. Das Ausnützen einer derartigen Lage ist gerade eine der Erscheinungsformen der Arglist.
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b) Nach den Darlegungen im angefochtenen Urteil untermauerte der Beschwerdeführer in neun Fällen seine falschen Angaben bezüglich Vermittlung von Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen durch Vorlage eines gefälschten Ausweises mit dem Stempelaufdruck "Fremdenpolizei" und dem Hinweis "Generalvertreter für Jugoslawien" und/oder eines gefälschten Schreibens mit dem Stempelaufdruck "Polizei".
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Mit Hilfe dieser fingierten Dokumente habe er sich gegenüber seinen wenig rechtskundigen Landsleuten den Anschein einer mit staatlicher Genehmigung ![]() | 10 |
Gesamthaft kommt die Vorinstanz zum Schluss, das Tatbestandsmerkmal der Arglist sei erfüllt aufgrund der Intensität der breit abgestützten und raffiniert inszenierten Lügengeschichten. Die Arglist könne auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung in Frage gestellt werden. Die Opfer seien durchwegs Bürger aus Ex-Jugoslawien, bei denen infolge der Greueltaten im jugoslawischen Bürgerkrieg ein grosses Sicherheitsbedürfnis bestanden habe. Aufgrund ihres starken verwandtschaftlichen Zusammenhalts seien sie daran interessiert gewesen, auch anderen Familienangehörigen das Verlassen ihrer Heimat zu ermöglichen und ihnen mittels Aufenthaltsbewilligungen in der Schweiz Sicherheit zu verschaffen. Diese Opfersituation habe der Beschwerdeführer hemmungslos ausgenützt. Aufgrund der vorgelegten gefälschten Dokumente hätten sich für die Opfer keine Nachforschungen bei der Fremdenpolizei aufgedrängt. Auch beim Darlehensbetrug habe das Opfer keinen Anlass zur Überprüfung der gemachten Angaben gehabt, da der Beschwerdeführer deren Richtigkeit durch das Vorzeigen der gedruckten Visitenkarte seiner angeblich ihm gehörenden Firma bestätigt habe.
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c) Die Vorinstanz hat damit die Arglist zutreffend bejaht. Wer, wie der Beschwerdeführer, die Unterlegenheit seiner Opfer derart ausnützt, handelt arglistig. Der Fall unterscheidet sich deutlich von BGE 119 IV 28, wo sich ![]() | 12 |
Der Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung darf insbesondere nicht zur Verneinung der Arglist mit dem Argument führen, das Opfer hätte sich theoretisch durch geeignete Rückfragen Klarheit verschaffen können. Arglist ist auch dann zu bejahen, wenn diese theoretische Möglichkeit besteht, die Opfer jedoch nicht rückfragen, weil sie - wie hier - unerfahren sind, sich rechtlich und tatsächlich nicht auskennen und dem Täter vertrauen. Gerade bei Ausländern in der Situation der Opfer ist die unter Umständen gegebene Scheu, mit Amtsstellen Kontakt aufzunehmen, zu berücksichtigen. Unbehelflich ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, ein kritisches Opfer hätte sich nicht täuschen lassen, da er in einzelnen Fällen ausdrücklich darauf hingewiesen habe, die Zahlungen würden als Schmiergelder verwendet. Opfern aus Ländern, wo Schmiergelder nicht unüblich sind, kann dieser Einwand nicht entgegengehalten werden.
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