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39. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 11. Juli 1994 i.S. S. gegen Eidg. Zollverwaltung | |
Regeste |
Art. 36 VStrR. Akteneinsicht im Verwaltungsstrafverfahren. | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Beschwerde vom 20. Dezember 1993 beantragte der Anwalt von S. der Oberzolldirektion, die Verfügung vom 6. Dezember 1993 aufzuheben und festzustellen, dass ihm die Akten zur korrekten Vorbereitung der Verteidigung zuzustellen seien.
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Mit Entscheid vom 25. Februar 1994 wies die Oberzolldirektion die Beschwerde ab.
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C.- Mit Beschwerde vom 10. März 1994 gelangte S. entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Entscheides der Oberzolldirektion vom 25. Februar 1994 an die Eidg. Zollrekurskommission mit dem Begehren, sowohl den Entscheid der Zollkreisdirektion Basel vom 6. Dezember 1993 als auch den Beschwerdeentscheid der Oberzolldirektion aufzuheben. In ihrer Vernehmlassung bestand die Oberzolldirektion auf der Zuständigkeit der Eidg. Zollrekurskommission. Mit Verfügung vom 3. Juni 1994 trat der Präsident der Eidg. Zollrekurskommission als Einzelrichter auf die Beschwerde nicht ein; gleichzeitig überwies er die Sache zuständigkeitshalber der Anklagekammer des Bundesgerichts. Diese Verfügung wurde nicht angefochten.
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Da sich die Oberzolldirektion zur Beschwerde bereits vor der Eidg. Zollrekurskommission vernehmen liess, verzichtete die Anklagekammer des Bundesgerichts auf das Einholen einer neuen Vernehmlassung.
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Aus den Erwägungen: | |
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Da die Beschwerde nicht durch die Instanz behandelt wird, an die sie ursprünglich gerichtet war, ist zu prüfen, ob deswegen ein zweiter ![]() | 7 |
b) Dem Beschwerdeführer wurde die vollständige Akteneinsicht gewährt: Weder im Schreiben vom 8. September 1993 noch in der Verfügung vom 6. Dezember 1993 werden irgendwelche inhaltliche Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts erwähnt.
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Die Verwaltung machte einzig die Auflage, dass die Akten am Sitz der Behörde, d.h. bei der Zollkreisdirektion Basel oder beim Zollamt Luzern, einzusehen seien. Beizufügen ist, dass dem Beschwerdeführer auch angeboten wird, die benötigten Kopien kostenlos anfertigen zu lassen.
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c) Der Beschwerdeführer beruft sich für die von ihm verlangte Zustellung der Akten in die Kanzlei seines Anwalts auf Art. 6 Ziff. 3 lit. b und c EMRK, da er wegen der Auflage nicht genügend Zeit habe, die Verteidigung vorzubereiten. Zudem bestehe kein sachlicher Grund, die Akten dem Anwalt nicht herauszugeben; darin liege eine Verletzung des Willkürverbotes (Art. 4 BV).
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aa) Die von der Zollverwaltung gewählte Form der Akteneinsicht entspricht der gesetzlichen Regelung von Art. 26 VwVG, auf welche Bestimmung Art. 36 VStrR verweist.
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In Art. 26 ff. VwVG haben die allgemeinen, aus Art. 4 BV abgeleiteten Grundsätze zum Akteneinsichtsrecht Ausdruck gefunden; Rechtsprechung und Doktrin zum minimalen verfassungsrechtlichen Akteneinsichtsrecht nach Art. 4 BV einerseits und nach den Art. 26 bis 28 VwVG andererseits beeinflussen sich somit gegenseitig (BGE 115 V 297 E. 2d mit Hinweisen).
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bb) Ob sich aus dem Akteneinsichtsrecht als Minimalgarantie nach Art. 4 BV (vgl. dazu BGE 116 Ia 325 E. 3d, aa mit Hinweis; KARL SPÜHLER, Die Praxis der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1994, N. 449; SCHMID, Strafprozessrecht, N. 267; J.P. MÜLLER, Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, Bern 1991, ![]() | 13 |
cc) Bei den sehr umfangreichen Akten (vier Bundesordner und 40 Speditionsdossiers), wie sie hier unbestrittenermassen vorliegen, durften die zuständigen Zollbehörden in Anwendung von Art. 26 VwVG eine Zusendung an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers somit ablehnen, ohne das ihnen zustehende Ermessen zu überschreiten, weil die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist. Denn der Beschwerdeführer wird mit Eröffnung des Schlussprotokolls Gelegenheit erhalten, die Akten vollständig einzusehen und allenfalls eine Ergänzung der Untersuchung zu beantragen (Art. 61 Abs. 2 VStrR). Bei ausserordentlich umfangreichen Akten kann der Verwaltung - auch wenn sie, wie hier die Zollkreisdirektion, in ihrer Praxis Anwälten Akten in der Regel zusendet - nicht zugemutet werden, diese einem Anwalt mehr als einmal zur Einsichtnahme zuzustellen. Ein weitergehender Anspruch ergibt sich, wie oben dargelegt, auch nicht aus Art. 4 BV und Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK.
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