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41. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. Juli 1994 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 36 Abs. 2 u. 4, Art. 26 Abs. 1 SVG; Nichtgewähren des Vortritts, Vertrauensgrundsatz. |
Auch der Wartepflichtige kann sich auf das Vertrauensprinzip berufen, wenn sich der Vortrittsberechtigte in einer für den Wartepflichtigen nicht vorhersehbaren Weise verkehrswidrig verhält (Bestätigung der Rechtsprechung). | |
Sachverhalt | |
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Der Einzelrichter des Bezirks Küssnacht sprach H. mit Urteil vom 24. September 1993 des Nichtgewährens des Vortritts im Sinne von Art. 36 Abs. 2 und 4 in Verbindung mit Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 350.--. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kantonsgericht des Kantons Schwyz mit Beschluss vom 11. November 1993 ab.
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Gegen diesen Beschluss führt H. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Anordnung und Würdigung einer verkehrstechnischen Expertise über die vom Kollisionsgegner X. gefahrene Geschwindigkeit und zum Freispruch von Schuld und Strafe.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz beantragt in ihrer Vernehmlassung Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, soweit es darauf eintritt, und hebt das angefochtene Urteil in Anwendung von Art. 277 BStP auf.
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Aus den Erwägungen: | |
2. d) aa) Der Beschwerdeführer beruft sich sodann auf den Vertrauensgrundsatz. Nach diesem aus der Grundregel von Art. 26 Abs. 1 SVG abgeleiteten Grundsatz darf jeder Strassenbenützer, sofern nicht besondere ![]() | 6 |
Auf den Vertrauensgrundsatz kann sich nur stützen, wer sich selbst verkehrsregelkonform verhalten hat. Wer gegen die Verkehrsregeln verstösst und dadurch eine unklare oder gefährliche Verkehrslage schafft, kann nicht erwarten, dass andere diese Gefahr durch erhöhte Vorsicht ausgleichen (BGE 118 IV 277 E. 4a mit weiteren Hinweisen; SCHAFFHAUSER, a.a.O., S. 117 N. 312; VON WERRA, Du principe de la confiance dans le droit de la circulation routière ..., RVJ 1970, S. 200). Jedoch gilt diese Einschränkung dort nicht, wo gerade die Frage, ob der Verkehrsteilnehmer eine Verkehrsvorschrift verletzt hat, davon abhängt, ob er sich auf den Vertrauensgrundsatz berufen kann oder nicht. Denn es wäre zirkelschlüssig, in einem solchen Fall den Vertrauensgrundsatz nicht anzuwenden mit der Begründung, der Täter habe eine Verkehrsregel verletzt. Dies hängt ja gerade davon ab, ob und inwieweit er sich auf das verkehrsgerechte Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer verlassen darf (vgl. auch unten E. bb).
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Das Vertrauensprinzip kann auch der Wartepflichtige anrufen. Erlaubt die Verkehrslage dem Wartepflichtigen das Einbiegen ohne Behinderung eines Vortrittsberechtigten, so ist ihm auch dann keine Vortrittsverletzung vorzuwerfen, wenn dadurch ein Vortrittsberechtigter in seiner Weiterfahrt behindert wird, weil dieser sich in einer für den Wartepflichtigen nicht vorhersehbaren Weise verkehrswidrig verhält. Im Interesse einer klaren Vortrittsregelung wird jedoch nicht leichthin anzunehmen sein, der Wartepflichtige habe nicht mit der Vorbeifahrt eines Vortrittsberechtigten bzw. mit dessen Behinderung rechnen müssen. Nach der Rechtsprechung darf nach dem Vertrauensprinzip der vortrittsbelastete Fahrzeuglenker, der in die Hauptstrasse einbiegen will, auf Hauptstrassen ausserorts davon ausgehen, dass keine Motorfahrzeuge mit einer 80 km/h erheblich überschreitenden Geschwindigkeit herannahen (BGE 118 IV 277 E. 5b mit Hinweisen).
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bb) Die Vorinstanz nahm an, der Beschwerdeführer dürfe sich nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen, weil er sich selbst nicht verkehrsregelkonform verhalten habe. Wenn sie die Verkehrsregelverletzung indes u.a. damit begründet, den Beschwerdeführer könnte auch ein allfälliges Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit des vortrittsberechtigten Fahrzeuglenkers X. ![]() | 9 |
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Satz, das Strafrecht kenne keine Schuldkompensation. Wo die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Verkehrsteilnehmers, wie beim Vertrauensgrundsatz, davon abhängt, ob sich ein anderer in einer Weise verkehrsregelwidrig verhalten hat, mit der nicht gerechnet werden musste, kann auch nicht mit der Begründung, eine Schuldkompensation sei ausgeschlossen, von der Prüfung der Frage abgesehen werden, ob sich der Andere verkehrsregelwidrig verhielt oder nicht.
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