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42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Juli 1994 i.S. S. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 19 Ziff. 1 Satz 1 BetmG; Cannabis. | |
Sachverhalt | |
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Das Strafamtsgericht von Bern verurteilte S. am 27. April 1993 wegen gewerbsmässiger Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 ![]() | 2 |
S. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das Bundesgericht habe zwar in BGE 117 IV 314 in Abänderung seiner früheren Praxis erkannt, bei Cannabis bzw. Haschisch sei nach dem derzeitigen Erkenntnisstand die Annahme eines schweren Falles im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG ausgeschlossen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das Bundesgericht bei Haschisch auch in grossen Mengen - im Vergleich zu anderen Drogen wie Heroin - bloss die naheliegende und ernstliche Gefahr für die seelische und körperliche Gesundheit vieler Menschen verneint habe; darüber hinaus könne dem Entscheid nicht entnommen werden, Haschisch sei geradezu ungefährlich; gegenteils werde ausdrücklich die Schlussfolgerung gezogen, die Droge Cannabis sei nicht unbedenklich. Hinzu komme, dass gemäss diesem Entscheid Verkehr und Konsum mit und von Cannabis-Produkten weiterhin strafbar seien; das Bundesgericht habe ausdrücklich die Qualifikationsgründe des bandenmässigen und des gewerbsmässigen Vorgehens bei Cannabis (weiterhin) für anwendbar erklärt.
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Auch eine verfassungskonforme Auslegung führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass kein Auslegungsraum hinsichtlich Prüfung einer allfälligen Verletzung der verfassungsmässigen Rechte der persönlichen Freiheit und der Handels- und Gewerbefreiheit bleibe, könne ohnehin keine Rede davon sein, das gemäss Betäubungsmittelgesetz unter Strafe gestellte Verbot (auch) des Handels mit Haschisch verletze die genannten verfassungsmässigen Rechte.
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a) Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung unterstehen die verschiedenen Handelsformen des Cannabis (Marihuana, Haschisch, Haschischöl usw.) dem Betäubungsmittelgesetz (BGE 95 IV 179 E. 1; BGE 106 IV 227 E. 3; BGE 117 IV 314 E. 2e, f/cc; Urteil vom 29. August 1991, veröffentlicht in SJ 114/1992 S. 90; unveröffentlichter Entscheid des Kassationshofs vom 20. Dezember 1993 in Sachen R. T., E. 3c). Dabei ist unbestritten, dass die verschiedenen Produkte der Hanfpflanze unterschiedliche Wirkstoffkonzentrationen aufweisen (BGE 117 IV 314 E. 2f/cc).
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b) Das Bundesgericht hat sich in BGE 117 IV 314 mit dem Cannabis unter dem Gesichtspunkt des schweren Falles nach lit. a von Art. 19 Ziff. 2 BetmG auseinandergesetzt. Zusammenfassend führte es dazu aus (E. 2g/aa), dieses Betäubungsmittel sei zwar nicht unbedenklich. Es könne insbesondere bei lange dauerndem und übermässigem Gebrauch durchaus zu psychischen und ![]() | 10 |
c) Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Auszugehen ist nach wie vor davon, dass Cannabis zwar nicht geeignet ist, die körperliche und seelische Gesundheit vieler Menschen in eine naheliegende und ernstliche Gefahr zu bringen. Trotzdem ist Cannabis in gesundheitlicher Hinsicht nicht unbedenklich, auch wenn eine "Schrittmacherfunktion" zum Gebrauch härterer Drogen nicht anzunehmen ist (BGE 117 IV 314 E. 2g/aa). In diesem Sinn äussern sich auch die einschlägige Fachliteratur (THOMAS GESCHWINDE, Rauschdrogen, 2. Aufl., Berlin usw. 1990, N. 155 ff.; HARALD KÖRNER, Betäubungsmittelgesetz, 3. Aufl. München 1990, S. 1067 Ziff. 46 lit. g; HANS KIND, Die Gefährlichkeit der Drogen und die heutige Drogenpolitik, Neue Wege in der Drogenpolitik, Zürich 1991, S. 123; ANDREAS MANZ, Medizinische Aspekte des Cannabis-Gebrauchs, Neue Wege in der Drogenpolitik, Zürich 1991, S. 112 ff.; KARL-LUDWIG TÄSCHNER, Probleme der Aussagetüchtigkeit bei Drogenabhängigen, NStZ 1993, S. 322 f.; weniger weitgehend STEFAN QUENSEL, Wirkungen und Risiken des Cannabis-Gebrauchs, Drogen und Drogenpolitik, herausgegeben von SEBASTIAN SCHEERER und IRMGARD VOGT, Frankfurt/New York 1989, S. 379 ff.) und das Deutsche Bundesverfassungsgericht (Beschluss des zweiten Senats vom 9. März 1994, S. 45 ff.).
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Zu Unrecht beruft sich der Beschwerdeführer auf verfassungskonforme Auslegung des Betäubungsmittelgesetzes. Denn der Sache nach will er die Verfassungsmässigkeit der Unterstellung des Cannabis unter das BetmG überhaupt in Frage stellen, was über verfassungskonforme Auslegung hinausgeht und mit Art. 113 Abs. 3 BV nicht zu vereinbaren ist.
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