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45. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 27. Oktober 1995 i.S. G. Etablissement gegen Schweizerische Zollverwaltung, Oberzolldirektion | |
Regeste |
Anwendbarkeit der schweizerischen Zollgesetzgebung im Fürstentum Liechtenstein. Art. 76 ZG; Art. 46 VStrR. |
Gestützt auf Art. 4 des Vertrages zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 29. März 1923 sind das Zollgesetz und das Verwaltungsstrafrecht im Fürstentum Liechtenstein - auch nach dem Inkrafttreten des EWR - ohne nachträgliche integrale Publikation anwendbar (E. 5 und 6). | |
Sachverhalt | |
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Die Sendungen (per Lastwagen oder Bahn) waren mit einer Proforma-Rechnung der Firma P. S.A. begleitet; für die weitere Spedition händigte die Firma P. S.A. dem tschechischen Empfänger Rechnungen aus, die auf die Firma B. Enterprises Ltd./Zypern, deren Geschäfte aber in Athen abgewickelt werden, ausgestellt waren, und deren Aktionäre und Direktoren jugoslawische Staatsangehörige sein sollen; es besteht der Verdacht, dass sämtliche Zigarettensendungen, die an die B. Enterprises Ltd. fakturiert sind, in Montenegro eingeführt wurden.
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B.- Da die erwähnten Untersuchungsergebnisse darauf hindeuteten, dass die Zigaretten bereits ab der Schweiz für Montenegro bestimmt waren, und damit der Verdacht bestand, dass die Zigaretten in Verletzung des Embargos und unter unrichtiger Deklaration aus- oder durchgeführt wurden und dadurch auch der Tatbestand des Bannbruchs im Sinne von Art. 76 Ziff. 1 Zollgesetz (ZG) erfüllt wurde, eröffnete die Oberzolldirektion am 15. September 1995 eine Strafuntersuchung gegen die Firma P. S.A., Glarus; am 21. September 1995 wurde die Untersuchung auf die Firma E. Inc., Zürich, ausgedehnt.
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Die bei den beiden Firmen vorgenommene Untersuchung ergab, dass auch die Firmen G. Etablissement, T. Establishment und A. Establishment, alle mit Sitz in Schaan/Lie, Zigaretten-Käufer und/oder -Lieferanten der E. Inc. ![]() | 4 |
C.- Der Direktor des Zollkreises Schaffhausen erliess am 27. September 1995 einen Durchsuchungsbefehl für die Räumlichkeiten der drei erwähnten liechtensteinischen Firmen bzw. deren Repräsentanz, die sich alle an derselben Adresse bei der P. Patent-Treuhand-Anstalt in Schaan in den Geschäftsräumen der Verwaltungsrätin mit Einzelzeichnungsrecht, U.G., Schaan, befinden. Es wurden 14 Ordner der Firma G. Etablissement und 28 Ordner der beiden anderen Firmen beschlagnahmt. Die Inhaberin erhob lediglich gegen die Durchsuchung der letzteren Einsprache, worauf diese versiegelt wurden.
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D.- Mit Beschwerde vom 2. Oktober 1995 beantragt die Firma G. Etablissement der Anklagekammer des Bundesgerichts im Hauptantrag, es sei festzustellen, dass der Durchsuchungsbefehl, die Durchsuchungen und die Beschlagnahme rechtswidrig und nichtig und ihr die Akten unverzüglich zurückzugeben seien.
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Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
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Aus den Erwägungen: | |
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4. a) Gemäss Art. 4 der Verordnung über Wirtschaftsmassnahmen sind insbesondere die Aus- und Durchfuhr (lit. b) sowie die Vermittlung von Waren (lit. c) in die betroffenen Gebiete verboten. Nach Art. 10 (Strafbestimmungen) Abs. 4 findet das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR) Anwendung. Liegt neben einer Widerhandlung im ![]() | 9 |
b) Das im vorliegenden Fall in Frage stehende Verwaltungsstrafverfahren hat seinen Ursprung in der am 15. September 1995 durch die Oberzolldirektion gegen die Firma P. S.A., Glarus (mit Geschäftsstelle in Lugano), eingeleiteten Strafuntersuchung, die am 21. September 1995 auf die Firma E. Inc., Zürich, ausgedehnt wurde.
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Der erwähnten Meldung des SAMCOMM ist zu entnehmen, dass beim tschechischen Lagerhaushalter vorgefundene Fax-Kopien erkennen lassen, dass diese Firmen die Gegenstand der Untersuchung bildenden Handlungen in der Schweiz verübten.
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Das Ergebnis der gegen diese beiden Firmen geführten Untersuchung zeigte, dass auch die Beschwerdeführerin von der Firma E. Inc. Zigaretten gekauft bzw. an diese verkauft hat; auch von der SAMCOMM ging am 26. September 1995 bei der Oberzolldirektion eine Information ein, wonach die Beschwerdeführerin einerseits von der Firma B. Enterprises Ltd. Zigaretten gekauft und andererseits Zigaretten nach Montenegro geliefert habe.
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Wie die Beschwerdegegnerin ausführt, besteht der Verdacht, dass die Zigaretten bereits ab der Schweiz für Montenegro bestimmt waren, weshalb die Waren nicht nur entgegen dem UNO-Embargo sondern auch unter unrichtiger Deklaration aus- oder durchgeführt wurden und damit der Tatbestand des Bannbruchs im Sinne von Art. 76 Ziff. 1 ZG in Frage kommt.
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Infolge der bestehenden Geschäftsbeziehungen zwischen der Firma E. Inc. und der Beschwerdeführerin besteht der Verdacht, dass sie an den von der Schweiz aus erfolgten Sendungen beteiligt war.
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c) Da es damit auch um Sendungen geht, die unter Umgehung der Deklarationsvorschriften aus der Schweiz ausgeführt oder durch die Schweiz geführt wurden (Art. 76 Ziff. 1 ZG), finden auf das vorliegende Verfahren ausschliesslich die Strafbestimmungen des Zollgesetzes Anwendung, welche durch die Eidg. Zollverwaltung zu verfolgen und zu beurteilen sind; anwendbar ist das Verwaltungsstrafrecht (Art. 87 ZG).
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5. a) Gemäss Art. 4 des Vertrages zwischen der Schweiz und Liechtenstein über den Anschluss des Fürstentums Liechtenstein an das schweizerische Zollgebiet vom 29. März 1923 (SR 0.631.112.514; nachfolgend: Zollanschlussvertrag) finden im Fürstentum in gleicher Weise Anwendung wie ![]() | 16 |
b) Gemäss Art. 4 Abs. 1 des liechtensteinischen Einführungsgesetzes vom 13. Mai 1924 zum Zollanschlussvertrag hat die Regierung das Inkrafttreten aller auf Grund des Zollanschlussvertrages anwendbaren eidgenössischen Bestimmungen rechtzeitig in den Landesblättern unter Angabe des vollen Titels bekanntzugeben und einen bezüglichen Regierungsbeschluss in das Landesgesetzblatt aufzunehmen.
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c) Mit Bekanntmachung vom 28. August 1979 betreffend die Neuausgabe der Anlage I zum Zollanschlussvertrag machte die Fürstliche Regierung gestützt auf Art. 4 und 10 des Zollanschlussvertrages und das Einführungsgesetz die im Anhang angeführten und mit dem Inkrafttreten in der Schweiz auch auf dem Gebiete des Fürstentums Liechtenstein mit sofortiger Wirkung anwendbaren schweizerischen Erlasse bekannt (Liechtensteinisches Landesgesetzblatt [LGBl.] 1979 Nr. 47). Unter den aufgezählten Erlassen befinden sich sowohl das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht wie auch das Zollgesetz.
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d) In einem Urteil vom 10. Februar 1982 betreffend die Anwendbarkeit von Art. 19 BetmG (SR 812.121) erkannte der Staatsgerichtshof des Fürstentums Liechtenstein (LES 1983 S. 39 ff.), zur Rechtsgültigkeit eines Gesetzes, und zwar auch eines auf Grund des Zollanschlussvertrages übernommenen Schweizer Gesetzes, gehöre die integrale Kundmachung im Landesgesetzblatt; der blosse Verweis auf die schweizerische Amtliche Gesetzessammlung genüge ![]() | 19 |
e) Der liechtensteinische Gesetzgeber erliess in der Folge das Kundmachungsgesetz vom 17. April 1985 (LGBl. 1985 Nr. 41). Dieses bestimmt in Art. 3 lit. c, dass "Staatsverträge" und "Rechtsvorschriften, die aufgrund völkerrechtlicher Verträge anwendbar sind" im Landesgesetzblatt kundzumachen sind; darunter fallen insbesondere der Zollanschlussvertrag - der "Anlass- und Gestaltungsgrund der Neuregelung des Kundmachungsrechtes" war - und alle durch ihn anzuwendenden oder in seinem Gefolge einzuführenden schweizerischen Rechtsvorschriften (LES 1990 S. 6). Gemäss Art. 10 des Kundmachungsgesetzes enthält die Kundmachung den vollständigen Wortlaut der Rechtsvorschriften; ausnahmsweise kann die Kundmachung gemäss Art. 11 des Kundmachungsgesetzes mit Ausnahme von Gesetzen und Beschlüssen des Landtages (LES 90 S. 2 und insb. 6) bei Rechtsvorschriften wegen ihres besonderen Charakters nur in Titel und Fundstelle oder Bezugsquelle bestehen, wenn sie u.a. aufgrund von Verträgen in Liechtenstein gelten (lit. a). Gemäss Art. 19 des Kundmachungsgesetzes sind Rechtsvorschriften, die nach altem Recht nicht im Landesgesetzblatt kundgemacht worden sind, innert fünf Jahren kundzumachen, wenn sie die Voraussetzungen des neuen Rechts erfüllen.
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f) Da die im vorliegenden Fall anwendbaren Erlasse (ZG und VStrR) zur schweizerischen Zollgesetzgebung gehören bzw. deren Anwendung durch den Zollanschluss bedingt ist (dies im Gegensatz zum lediglich gestützt auf Art. 33 des Zollanschlussvertrages übernommenen ANAG: vgl. LES 1990 S. 1 ff.), wurden sie mit der unter Angabe der vollständigen Titel sowie SR-Nummer erfolgten Bekanntmachung vom 28. August 1979 (LGBl. 1979 Nr. 47) betreffend Neuausgabe der Anlage I zum Zollanschlussvertrag, d.h. vor dem Inkrafttreten des Kundmachungsgesetzes, nach altem Recht im Landesgesetzblatt in rechtsgenügender Weise kundgemacht; die im Kundmachungsgesetz vorgesehene nachträgliche Kundmachung innert fünf Jahren entfällt damit. Die beiden Erlasse sind daher auch im Fürstentum Liechtenstein ohne weitere Publikation anwendbar.
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