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Informationen zum Dokument  BGE 121 IV 297  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Zu beurteilen ist einzig, ob der Beschwerdegegner nach Art. 43 ...
2. Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Ges ...
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48. Urteil des Kassationshofes vom 19. Oktober 1995 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen M. (Nichtigkeitsbeschwerde)
 
 
Regeste
 
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB; Notwendigkeit einer Verwahrung.  
Der Richter muss auch bei der zweiten Täterkategorie prüfen, ob eine Verwahrung notwendig ist; er darf nicht allein wegen einer noch vorhandenen Therapiewilligkeit und -fähigkeit von einer Verwahrung absehen (E. 2c).  
 
Sachverhalt
 
BGE 121 IV, 297 (298)A.- Am 2. Juli 1986 wurde M. unter anderm wegen Sexualdelikten gegen 24 Mädchen im Alter von 7 bis 17 Jahren zu 2 1/4 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht ordnete eine ambulante psychiatrische Behandlung während des Strafvollzugs an.
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Am 11. Januar 1988 folgte eine Verurteilung zu 40 Tagen Freiheitsstrafe wegen fortgesetzter unzüchtiger Belästigung. Das Gericht ordnete keine Massnahme an, weil sich M. bereits in einer Gesprächs-Psychotherapie befand.
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Am 21. Juni 1991 wurde M. wegen Sexualdelikten gegen ein fünfzehn- und ein zwölfjähriges Mädchen zu 6 1/2 Jahren Zuchthaus verurteilt. Das Gericht ordnete eine ambulante Massnahme nach Art. 43 StGB während des Strafvollzugs an.
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Drei Tage nach dieser letzten Tat wurde M. inhaftiert. Seither befindet er sich ununterbrochen in Untersuchungshaft, Sicherheitshaft oder im Strafvollzug, ab November 1990 in Bostadel, wo er seit Januar 1991 bis heute psychotherapeutisch behandelt wird. Ab Januar 1993 wurde eine Hafterleichterung angeordnet, so dass er ohne Aufsicht und ausserhalb der Anstalt in Zürich arbeiten konnte.
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B.- Am 23. und 24. Juni sowie am 8. September 1993 verging sich M. an einem drei-, einem zehn- sowie einem dreizehnjährigen Mädchen.
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Das Bezirksgericht Zürich verurteilte ihn am 21. Juni 1994 wegen versuchter sexueller Nötigung und mehrfachen sexuellen Handlungen mit Kindern zu 3 Jahren Zuchthaus und ordnete eine ambulante Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB während des Strafvollzugs an.
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Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 14. März 1995 auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin das Urteil des Bezirksgerichts im Schuld-, Straf- und Massnahmenpunkt.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Obergerichts wegen Verletzung von Art. 43 StGB aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung (Anordnung einer Verwahrung im Sinn von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) an die kantonale Behörde zurückzuweisen.
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BGE 121 IV, 297 (299)Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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a) Die Vorinstanz ordnete entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht eine Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB an, sondern in Bestätigung des bezirksgerichtlichen Urteils eine ambulante Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB während des Strafvollzugs. Eine Verwahrung komme als ultima ratio nicht in Frage, solange eine Behandlung noch sinnvoll erscheine. Die Beurteilung des Gutachtens und der Ausführungen des Therapeuten ergebe, dass der Beschwerdegegner - bei unbestritten vorhandener schwerwiegender Gefährdung der öffentlichen Sicherheit - eindeutig therapiewillig sei und noch nicht alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft seien. Nach den überzeugenden Ausführungen des Therapeuten bleibe die bisherige Einzeltherapie eine Trockenübung und vermöge die Spaltungsmechanismen des Beschwerdegegners nicht genügend zu erfassen. In einer Gruppentherapie lasse sich die markante Persönlichkeitsstörung mit besseren Erfolgschancen behandeln als in einer erheblich weniger lebensnahen Einzeltherapie. Zwar weise die Beschwerdeführerin zu Recht darauf hin, dass der Beschwerdegegner die Vorfälle vom 23. und 24. Juni 1993 mit seinem Therapeuten nicht besprochen habe. Das sei mehr als nur bedenklich und lasse Zweifel an einer Massnahmewilligkeit aufkommen. Es sei aber davon auszugehen, dass er ernsthaft behandelt werden wolle; andernfalls hätte er sich längst der Behandlung entzogen, statt sich engagiert um eine intensivere Behandlung zu bemühen. Es erscheine durchaus sinnvoll, die therapeutische Behandlung weiterzuführen und die bereits erheblich intensivierte Therapie auszubauen, soweit das angesichts der nicht zu verkennenden praktischen Schwierigkeiten bei gleichzeitigem Strafvollzug möglich sei. Zurzeit sei daher keine Verwahrung anzuordnen.
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b) Auch für die Beschwerdeführerin kommt eine Verwahrung als ultima ratio so lange nicht in Frage, als eine Behandlung sinnvoll erscheint. Allerdings sei diese nur dann sinnvoll, wenn begründet erwartet werden dürfe, dass sich dadurch die Rückfallgefahr entscheidend vermindern lasse. Dies sei nicht der Fall. Bereits im Gutachten aus dem Jahre 1990 werde ein Abwehr- und Bagatellisierungsverhalten des Beschwerdegegners geschildert; er weiche Themen gerne aus, die seine Gefühlswelt und seine Delikte beträfen. Ähnlich äussere sich der heutige Therapeut: Der Umgang mit Gefühlen verlaufe BGE 121 IV, 297 (300)unbefriedigend; der Beschwerdegegner entziehe sich der bewussten Wahrnehmung und Integrierung. Dass er trotz mehrjähriger therapeutischer Beziehung die Vorfälle vom Juni 1993 mit seinem Therapeuten nicht besprochen habe, belege diesen Befund. Wer sich einer Einzeltherapie derart entziehe, könne sich nicht mit begründeter Erfolgsaussicht in der Gruppe besser öffnen. Ferner seien an die Erfolgsaussichten umso höhere Anforderungen zu stellen, je länger die therapeutischen Bemühungen bereits gedauert hätten. Angesichts der Umstände, der sehr ungünstigen gutachterlichen Prognose und einer schwachen, zeitlich praktisch nicht limitierten Hoffnung lasse sich die geforderte Erfolgsaussicht nicht begründen. Es bleibe vielmehr bei einer vagen Hoffnung. Die Entwicklung des Beschwerdegegners sei völlig ungewiss; nichts deute auf eine wirkliche Besserung hin. Es seien denn auch nicht alle Therapiemöglichkeiten in dem Sinn als Voraussetzung einer Verwahrung auszuschöpfen, dass alle (unzähligen) Therapieformen durchgeführt werden müssten; entscheidend sei vielmehr, dass keine begründet erfolgversprechende Therapie mehr möglich sei.
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Letztlich frage sich nur noch, ob eine langjährige Zuchthausstrafe dem offenkundigen Sicherungsbedürfnis ebensogut diene. Es sei dringlich, potentielle Opfer möglichst lange zu schützen. Die Entlassung aus dem Strafvollzug sei jedoch nach zwei Drittel oder ganz verbüsster Strafe unabwendbar. Das Gutachten führe dazu aus: "Wenn sich unter der Behandlung erkennbare Fortschritte eingestellt haben, wird hinsichtlich einer damit verbundenen, verminderten Rückfallgefährdung nur eine sorgfältige fachgerechte Beurteilung Aussagen machen können, ob diese Rückfallgefährdung tatsächlich - auch ausserhalb des Strafvollzugs - deutlich vermindert ist." Diese Verbesserung möge zwar möglicherweise eintreten, aber es sei eben mindestens auch denkbar und aufgrund der bisherigen Erfahrungen sogar wahrscheinlich, dass der Beschwerdegegner sich nicht ändere: Dann bleibe er eine akute und ernste Gefahr für die Sicherheit, und für diesen Fall müsse es möglich sein, ihn auf unbestimmte Zeit in Gewahrsam zu halten. Nach Abwägen der massgebenden Rechtsgüter sei die Verwahrung im Sinn von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anzuordnen.
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2. Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im Zusammenhang steht, ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist anzunehmen, dadurch lasse sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter Taten verhindern oder vermindern, so kann der Richter Einweisung in eine BGE 121 IV, 297 (301)Heil- oder Pflegeanstalt anordnen (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Gefährdet der Täter infolge seines Geisteszustandes die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise, so wird vom Richter seine Verwahrung angeordnet, wenn diese Massnahme notwendig ist, um ihn von weiterer Gefährdung anderer abzuhalten (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB).
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a) Die Vorinstanz und die Beschwerdeführerin nahmen an, der Beschwerdegegner gefährde die öffentliche Sicherheit schwerwiegend. Die Vorinstanz vertrat aber die Auffassung, die Verwahrung sei subsidiär und komme nicht in Frage, solange eine Behandlung noch sinnvoll erscheine.
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Sie stützte sich dabei auf TRECHSEL (Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1989, Art. 43 N. 15), der seinerseits auf BGE 102 IV 236 und BGE 109 IV 76 verweist. Aus diesen Entscheiden ergibt sich nur, dass eine Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nicht in Betracht fällt, wenn eine entsprechende Behandlung des Täters von vornherein aussichtslos ist oder keinen Erfolg verspricht. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, eine Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sei anzuordnen, solange sie noch sinnvoll erscheint, und in diesem Fall sei unerheblich, wie gross die vom Täter während des Vollzugs dieser Massnahme ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit ist. Vielmehr sind bei der Prüfung einer Massnahme Ausmass und Nähe dieser Gefahr mitzuberücksichtigen.
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b) Die Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB hat zwei Typen von Tätern im Auge. Es sind dies einmal diejenigen Täter, die weder heilbar noch pflegebedürftig sind, also die hochgefährlichen Täter, die keiner Behandlung zugänglich sind (vgl. BGE 118 IV 108 E. 2a). Diese Massnahmenart findet ihre Rechtfertigung im Sicherungsbedürfnis der Gesellschaft und deren notwehrähnlichen Lage (GÜNTHER KAISER, Kriminologie, 9. Auflage, Heidelberg 1993, S. 609). Doch auch diese bloss zur Sicherung Verwahrten dürfen von den sozialisierenden oder heilenden Angeboten der Verwahrungseinrichtungen nicht ausgeschlossen werden (KAISER, a.a.O.; ferner BGE 118 IV 108 E. 2c mit Hinweis auf Art. 46 Ziff. 2 StGB).
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Die andere Kategorie bilden Täter, die zwar behandlungsbedürftig und behandlungsfähig sind, von denen aber auch während einer Behandlung schwere Delikte zu befürchten wären, wenn sie im Sinn von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ambulant oder in einer Heil- und Pflegeanstalt behandelt würden. Es sind dies Täter, bei denen trotz ärztlicher Behandlung oder Pflege BGE 121 IV, 297 (302)ernstlich die Gefahr schwerer Straftaten und vor allem von Gewaltdelikten bleibt, sei es innerhalb oder bei entsprechender Fluchtgefahr ausserhalb der Anstalt (BGE 118 IV 108 E. 2a mit Hinweis auf STRATENWERTH, Strafrechtliche Massnahmen an geistig Abnormen, ZStrR 89/1973 S. 131, 143). Im Gegensatz zu den in BGE 109 IV 73 und BGE 102 IV 234 beurteilten Tätern ist bei diesen Delinquenten eine Behandlung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB nicht nutz- und sinnlos, aber die Heilchancen sind kurz- oder mittelfristig derart ungewiss, dass in diesem Zeitraum schwere Delikte zu befürchten wären. Die Beurteilung der Notwendigkeit im Sinn von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB muss daher sowohl dem Sicherungsaspekt (Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern) wie dem Heilungsaspekt (Behandlung im Hinblick auf Heilung und Entlassung) Rechnung tragen, wobei diese Behandlung im Vergleich zu jener nach Art. 46 Ziff. 2 StGB qualitativ höherwertig sein soll.
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c) Diese Zusammenhänge verkannte die Vorinstanz, wenn sie allein wegen der noch vorhandenen Therapiewilligkeit und Therapiefähigkeit von einer Verwahrung absah. Sie prüfte nicht, ob es gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB notwendig sei, eine Verwahrung anzuordnen; d.h. sie unterliess es, Nähe und Ausmass der Gefahr sowie Art und Bedeutung des gefährdeten Rechtsguts gegenüber den Heilungschancen einer ärztlichen Behandlung abzuwägen (BGE 118 IV 108 E. 2a). Sie hätte zu dieser Prüfung um so mehr Anlass gehabt, als sie nicht zwischen der Behandlung in einer Heil- oder Pflegeanstalt und einer Verwahrung abwägen musste, sondern zwischen einer dem Heilungsaspekt möglichst Rechnung tragenden Verwahrung (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB) und dem Strafvollzug mit ambulanter Behandlung (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB); in diesem Fall besteht - jedenfalls theoretisch - eine weit geringere Möglichkeit, den Täter zu beeinflussen.
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Ist dem Bundesgericht nach dem Gesagten die Nachprüfung der Gesetzesanwendung nicht möglich, ist der angefochtene Entscheid gemäss Art. 277 BStP aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen.
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