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10. Urteil des Kassationshofes vom 28. Februar 1996 i.S. H. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 55 Abs. 2 StGB; probeweiser Aufschub der Landesverweisung. | |
Sachverhalt | |
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1993 reiste H. illegal in die Schweiz ein und beging erneut Straftaten. Im wesentlichen wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilte ihn das Bezirksgericht Zürich am 20. Oktober 1994 zu 18 Monaten Gefängnis. Den Vollzug dieser neuen Strafe schob es unter Ansetzung einer vierjährigen Probezeit auf. Dagegen erklärte es die bedingte Vorstrafe von 14 Monaten Gefängnis für vollziehbar.
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Am 20. Mai 1995 ersuchte H. um bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug sowie um den probeweisen Aufschub der Landesverweisung.
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Am 30. Juni 1995 verfügte das Amt für Straf- und Massnahmenvollzug des Kantons Zürich, H. werde bedingt aus dem Strafvollzug entlassen, sobald er gemäss der Landesverweisung ausgeschafft werden könne, frühestens jedoch am 12. Juli 1995. Auf das Gesuch um probeweisen Aufschub der Landesverweisung trat es nicht ein.
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Einen von H. dagegen erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich am 24. Oktober 1995 ab.
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H. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben; der Vollzug der Landesverweisung sei unter Ansetzung einer angemessenen Probezeit aufzuschieben.
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Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat auf einen Antrag verzichtet. Es neigt jedoch zur Annahme, dass auch im vorliegenden Fall ein Aufschub der Landesverweisung nicht zum vornherein ausgeschlossen ist.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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b) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verweigerung des probeweisen Aufschubs der Landesverweisung verletze Art. 55 StGB sowie den Gleichheitssatz gemäss Art. 4 BV.
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Nach der Rechtsprechung setzt der probeweise Aufschub des Vollzuges der Landesverweisung voraus, dass der des Landes Verwiesene aus dem Vollzug der Hauptstrafe bedingt entlassen wurde. Die Landesverweisung muss daher die Nebenstrafe zur Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe sein, aus welcher der Verurteilte bedingt entlassen wird. Wird die bedingte Entlassung aus dem Vollzug der Hauptstrafe nicht gewährt, so kann die Landesverweisung, für die der bedingte Strafvollzug nicht bewilligt worden ist, auch nicht probeweise aufgeschoben werden, so dass sie an dem Tag wirksam wird, an dem die Freiheitsstrafe verbüsst ist. Entsprechendes gilt, wenn der Verurteilte - auch wenn er bedingt entlassen und der Vollzug der Landesverweisung probeweise aufgeschoben wurde - sich während der Probezeit nicht bewährt hat; auch in diesem Falle wird die Landesverweisung mit der Verbüssung des Strafrestes wirksam (Art. 55 Abs. 4 StGB). Ist die Landesverweisung auf diese Weise rechtskräftig und vollziehbar geworden, kann auf sie nicht mehr zurückgekommen werden. Selbst die Rehabilitation ist gesetzlich nicht vorgesehen. Vorbehalten bleibt lediglich die Begnadigung. Eine spätere Straffälligkeit in der Schweiz mit nachfolgender bedingter Entlassung kann nicht zum Anlass genommen werden, eine früher verhängte, rechtskräftig und wirksam gewordene Landesverweisung nachträglich aufzuheben. Dies wäre ein gesetzlich nicht vorgesehener Eingriff in ein rechtskräftiges und vollstreckbares Strafurteil. Die für den Vollzug einer später ausgefällten ![]() | 13 |
Art. 55 Abs. 2 StGB findet nur Anwendung bei der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug, nicht auch bei Ablauf der Probezeit für eine bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe (BGE 114 IV 95).
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Die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung aus dem Vollzug der Hauptstrafe waren hier gegeben. Nach dem Wortlaut von Art. 55 Abs. 2 StGB hatte deshalb die zuständige Behörde zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen der Vollzug der Landesverweisung probeweise aufgeschoben werden soll. Es ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 55 Abs. 2 StGB nicht, dass der probeweise Aufschub der Landesverweisung nur bei bedingter Entlassung aus einer von Anfang an unbedingt ausgesprochenen Strafe möglich wäre, nicht aber bei bedingter Entlassung aus einer zunächst bedingt ausgesprochenen und nachher vollziehbar erklärten Strafe.
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Nebst dem Wortlaut sprechen auch Sinn und Zweck von Art. 55 Abs. 2 StGB dafür, in einer Konstellation wie hier die Möglichkeit des probeweisen Aufschubs der Landesverweisung zuzulassen. Ziel des Strafvollzugs ist die Resozialisierung des Verurteilten (Art. 37 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Die bedingte Entlassung ist Teil des Strafvollzuges. Sie bildet die letzte Stufe im Stufenstrafvollzug. Beendet ist der Strafvollzug erst mit der endgültigen Entlassung. Auch bei der bedingten Entlassung ist deshalb das Resozialisierungsziel zu berücksichtigen. Der Entscheid über den probeweisen Aufschub der Landesverweisung steht mit dem über die bedingte Entlassung in engem Zusammenhang. Auch beim Entscheid über den probeweisen Aufschub der Landesverweisung ist dem Resozialisierungsziel Rechnung zu tragen. Massgebend ist, ob in der Schweiz oder im Ausland die besseren Chancen für die Resozialisierung bestehen (BGE 116 IV 283 E. 2a mit Hinweisen; vgl. auch SCHULTZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, 2. Band, 4. Aufl., S. 130; PETER MARTIN TRAUTVETTER, Die ![]() | 17 |
Die unterschiedliche Behandlung des Verurteilten, der sich in der Probezeit in einem Fall wie hier nicht bewährt, und dem, der sich bewährt, ist sachlich gerechtfertigt. Denn nur beim ersteren kommt es zum Strafvollzug und besteht für die Schweizer Behörden damit die Pflicht, die vom Gesetz im Interesse der Resozialisierung vorgesehenen Vorkehren zu treffen. Insgesamt wird der Rückfällige gegenüber dem Nichtrückfälligen nicht bessergestellt. Denn er muss die widerrufene und gegebenenfalls auch die neue Strafe verbüssen. Er hat sodann keine Gewähr, dass es zur bedingten Entlassung kommt, und selbst wenn es dazu kommt, steht immer noch nicht fest, dass die Landesverweisung probeweise aufgeschoben wird. Im Gegenteil stellt die erneute Straffälligkeit in der Schweiz regelmässig ein Indiz dafür dar, dass die Resozialisierungschancen hier nicht gut sind. In Anbetracht dessen erscheint auch die Gefahr gering, dass der Verurteilte einzig deshalb in die Schweiz zurückkehrt und erneut Straftaten begeht, um den probeweisen Aufschub der Landesverweisung zu erreichen. Die fremdenpolizeiliche Ausweisung bleibt im übrigen ohnehin vorbehalten.
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b) Die kantonalen Instanzen haben danach Bundesrecht verletzt, wenn sie davon ausgegangen sind, dass in einem Fall wie hier der probeweise Aufschub der Landesverweisung ausgeschlossen ist. Die Beschwerde ist insoweit gutzuheissen. Nicht eingetreten werden kann auf den Antrag, der Vollzug der Landesverweisung sei unter Ansetzung einer angemessenen Probezeit aufzuschieben. Materiell haben sich die kantonalen Instanzen zur Frage des ![]() | 19 |
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