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9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. April 1997 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 251 Ziff. 1 StGB; Falschbeurkundung. | |
Sachverhalt | |
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Gegen diesen Entscheid führt G. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung u.a. von der Anklage der Urkundenfälschung (Falschbeurkundung) an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Obergericht des Kantons Thurgau beantragt in seinen Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau schliesst in ihrer Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde hinsichtlich der Falschbeurkundung gut
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aus folgenden Erwägungen: | |
3. Die Vorinstanz stellte für das Bundesgericht verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1 BStP), A. habe bei der Geschädigten O. AG einen Kredit über Fr. 120'000.-- aufnehmen wollen, wobei weder er noch die (wirtschaftlich ihm gehörende) M. AG über Sachwerte zur Sicherung des Darlehens verfügt hätten. A. sei daher auf die Idee verfallen, den Verkauf eines Lastwagens zu fingieren, um auf diese Weise seine angebliche Zahlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen bzw. den Anschein zu erwecken, er verfüge über ein Pfand. In der Meinung, A. werde ihm später seinen Lastwagen tatsächlich abkaufen, habe sich der Beschwerdeführer zur Mitwirkung bei dem fingierten Geschäft bereit erklärt und durch seine Ehefrau nach seinen Angaben einen in der Folge von ihm und A. unterzeichneten Kaufvertrag mit Datum vom 26. Februar 1993 schreiben lassen. Nach diesem Vertrag habe er von der M. AG den in Wirklichkeit ihm selbst gehörenden Dreiachs-Kipp-Lastwagen IVECO 260-30 H zum Preis von Fr. 106'000.--, zahlbar bis Ende März 1993, gekauft. Gleichzeitig habe A. in einem separaten Schriftstück vom selben Datum dem Beschwerdeführer die Ungültigkeit dieses Kaufvertrages bestätigt und erklärt, die M. AG benötige den Kaufvertrag lediglich für eine interne Überbrückungsfinanzierung. Unter Verwendung dieses Kaufvertrags sowie einer Kopie des annullierten Fahrzeugausweises habe A. erwirkt, dass die O. AG ihm ein persönliches Darlehen von ![]() | 5 |
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Die Vorinstanz nahm an, im fraglichen Kaufvertrag figurierten die M. AG als Verkäuferin und der Beschwerdeführer als Käufer des Lastwagens, obwohl das Fahrzeug in Wahrheit bereits dem Beschwerdeführer gehört habe und A. bzw. die M. AG nie dessen Besitzer oder Eigentümer gewesen seien. Aufgrund dieses Vertrages habe ein Dritter annehmen können, die M. AG habe am 26. Februar 1993 (Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) über einen Lastwagen als Sachwert bzw. nach diesem Datum über eine entsprechende Forderung im Betrag von Fr. 106'000.-- verfügt. Anders als in BGE 120 IV 29 habe dieser Kaufvertrag aus einem einzigen Schriftstück und nicht aus Offerten und entsprechenden Bestellungen bestanden. Die erhöhte Glaubwürdigkeit des Schriftstücks ergebe sich daraus, dass als Käufer ein gewerbsmässiger Nutzfahrzeughändler auftrat, was mit dem Stempel des Beschwerdeführers besonders hervorgehoben worden sei. Ein Dritter dürfe, wenn an einem solchen Kaufgeschäft ein professioneller Händler mitwirke, in der Regel davon ausgehen, dass die aufgrund des Vertragsinhalts als wahr erscheinenden Umstände auch zutreffen. Dass für den fraglichen Kaufvertrag kein vorgedrucktes Formular verwendet und beispielsweise die Gewährleistung nicht wegbedungen oder die Zahlungsmodalitäten nicht festgehalten worden seien, ändere an der erhöhten Glaubwürdigkeit des Kaufvertrages nichts.
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5. a) Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts schützen das Vertrauen, welches im Rechtsverkehr einer Urkunde als einem Beweismittel entgegengebracht wird. Mittel zum Beweis kann nur sein, was generell geeignet ist, Beweis zu erbringen. Als Urkunden gelten deshalb unter anderem nur Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen (Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB; BGE 117 IV 35 E. 1a mit Hinweisen; BGE 101 IV 279). Der Urkundencharakter eines Schriftstücks ist relativ. Es kann mit Bezug auf bestimmte Aspekte Urkundencharakter haben, mit Bezug auf andere nicht. So können Rechnungen unabhängig davon, ob sie inhaltlich richtig sind, Urkunden für den Beweis der Tatsache darstellen, dass die entsprechende Erklärung durch den Rechnungssteller abgegeben worden ist. An solchen Rechnungen können deshalb prinzipiell Urkundendelikte begangen werden, etwa durch ihre unzulässige Veränderung (Urkundenfälschung) oder, je ![]() | 8 |
b) Eine Falschbeurkundung begeht sowohl nach der alten wie nach der neuen Fassung von Art. 251 Ziff. 1 StGB, wer eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig beurkundet oder beurkunden lässt, in der Absicht, jemanden am Vermögen oder an anderen Rechten zu schädigen oder sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen. Derselben Strafdrohung untersteht die Verwendung einer von einem Dritten hergestellten Urkunde dieser Art zur Täuschung. Im Unterschied zur Urkundenfälschung im eigentlichen Sinn, welche das Herstellen einer unechten Urkunde erfasst, deren wirklicher Aussteller mit dem aus ihr ersichtlichen Autor nicht identisch ist, betrifft die Falschbeurkundung die Errichtung einer echten, aber unwahren Urkunde, bei der also der wirkliche und der in der Urkunde enthaltene Sachverhalt nicht übereinstimmen, wobei nach allgemeiner Ansicht die einfache schriftliche Lüge keine Falschbeurkundung darstellt (BGE 123 IV 17 E. 2b; BGE 122 IV 332 E. 2a mit weiteren Hinweisen; vgl. schon BGE 68 IV 87 E. 2; BGE 75 IV 166 E. 1; im selben Sinn nun auch Art. 23/24 des Gesetzes über die technischen Handelshemmnisse vom 6. Oktober 1995 [THG; SR 946.51]; ferner Botschaft zum THG vom 15. Februar 1995, BBl 1995 II S. 618 f.). Das Vertrauen darauf, dass über die Person des Ausstellers nicht getäuscht wird, ist und darf grösser sein als das Vertrauen, dass jemand nicht in schriftlicher Form lügt. Aus diesem Grund werden an die Beweisbestimmung und Beweiseignung einer Urkunde bei der Falschbeurkundung höhere Anforderungen gestellt. Eine qualifizierte schriftliche Lüge im Sinne der Falschbeurkundung wird deshalb nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur angenommen, wenn der Urkunde eine erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Dies ist der Fall, wenn allgemeingültige objektive Garantien die Wahrheit der schriftlichen Erklärung gegenüber Dritten gewährleisten und der Adressat deshalb der Erklärung ein besonderes Vertrauen entgegenbringt, so dass eine Überprüfung derselben weder nötig noch zumutbar erscheint. Solche ein besonderes ![]() | 9 |
In seiner neueren Rechtsprechung verneinte das Bundesgericht eine Falschbeurkundung beim Inrechnungstellen von nicht ausgeführten Arbeiten (BGE 117 IV 35 E. 2), beim Erstellen von inhaltlich unwahren Regierapporten (BGE 117 IV 165 E. 2c), bei der Ausstellung von Lohnabrechnungen auf den Namen einer Person, die nicht mit dem wirklichen Arbeitnehmer identisch war (BGE 118 IV 363 E. 2b), bei der Errichtung einer inhaltlich falschen Vertragsurkunde, ohne dass besondere Garantien bestanden, dass die beiden übereinstimmend abgegebenen Erklärungen dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprachen (BGE 120 IV 25 E. 3f) und beim Ausstellen einer fiktiven Rechnung mit dazugehöriger Quittung (BGE 121 IV 131 E. 2c).
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Umgekehrt bejahte das Bundesgericht den Tatbestand der Falschbeurkundung im Falle der falschen Buchführung einer Aktiengesellschaft durch die unrichtige Verbuchung von Vergünstigungen und Ausgaben privater Art als geschäftsbedingte Auslagen sowie durch die Verbuchung von Lohnzahlungen auf einem sachfremden Aufwandkonto (BGE 122 IV 25 E. 2b und c), ferner im Falle der Erstellung eines unrichtigen Protokolls einer Generalversammlung (BGE 120 IV 199 E. 3c) sowie der Herausgabe eines freiwillig herausgegebenen Emissionsprospekts anlässlich der Kapitalerhöhung einer Aktiengesellschaft nach dem Verfahren der Simultangründung (BGE 120 IV 122 E. 4 d/bb). Falschbeurkundung nahm das Bundesgericht auch an bei einem Grossisten, der afrikanisches Antilopenfleisch als europäisches Wildfleisch deklariert hatte (BGE 119 IV ![]() | 11 |
c) aa) Der Beschwerdeführer stellt zunächst in Frage, ob der Kaufvertrag überhaupt geeignet gewesen sei, das Eigentum am Lastwagen zu beweisen. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war der Vertrag jedoch nicht derart dilettantisch und unprofessionell abgefasst, dass die Geschädigte sofort hätte Verdacht schöpfen müssen, so dass die Beweiseignung grundsätzlich ohne weiteres bejaht werden kann. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Kaufvertrag sei schon in grundsätzlicher Hinsicht nicht zum Beweis dafür geeignet, dass die M. AG ihm den Lastwagen verkauft habe und somit Eigentümerin desselben gewesen sei, und ihm von daher kein Urkundencharakter zukomme, erweist sich seine Beschwerde somit als unbegründet. Indes ist damit noch nichts darüber gesagt, ob dem Vertrag in der konkreten Konstellation des Falles Urkundenqualität zukommt, denn nach der Rechtsprechung ist der Urkundencharakter eines Schriftstücks relativ und werden an Beweiseignung und Beweisbestimmung im Rahmen der Falschbeurkundung höhere Anforderungen gestellt (vgl. E. 5a und b). Dass der Vertrag auch zum Beweis bestimmt war, kann sodann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht ernsthaft in Frage stehen, da er eigens deswegen erstellt worden ist, um der Geschädigten eine Sicherheit für das erstrebte Darlehen vorzutäuschen. Deshalb ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, dass der Vertrag hinsichtlich des Eigentums am Lastwagen nichts Unwahres beweisen konnte, weil dieser auch in Wirklichkeit dem Beschwerdeführer gehörte. Der Vertrag war offensichtlich dazu bestimmt, gegenüber der Geschädigten Beweis über die Vermögensverhältnisse von A. bzw. dessen Firma zu erbringen und nicht über das Eigentum des Beschwerdeführers. Ob er hiezu unter den konkreten Umständen auch geeignet war, ist nachfolgend zu prüfen.
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bb) Das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Wahrheit einer in ![]() ![]() | 13 |
cc) Zu prüfen ist schliesslich, ob dem simulierten schriftlichen Vertrag als solchem erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Ein simuliertes Rechtsgeschäft im Sinne von Art. 18 OR liegt vor, wenn beide Parteien darüber einig sind, dass die gegenseitigen Erklärungen nicht ihrem Willen entsprechende Rechtswirkungen haben sollen, weil sie entweder ein Vertragsverhältnis vortäuschen oder mit dem Scheingeschäft einen wirklich beabsichtigten Vertrag verdecken wollen (BGE 112 II 337 E. 4a mit Hinweisen). Der simulierte Vertrag ist sowohl zwischen den Parteien als auch im Verhältnis zu Dritten (mit gewissen Einschränkungen) unwirksam (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allg. Teil, 6. Aufl. 1995, Bd. I, N. 1019 und 1022). Nach der neueren Rechtsprechung beweist eine einfachschriftliche Vertragsurkunde, dass zwei Personen übereinstimmend eine bestimmte Willenserklärung abgegeben haben. Hingegen beweist sie für sich allein nicht, dass die beiden übereinstimmend abgegebenen Erklärungen dem wirklichen Willen der Vertragsparteien entsprechen. Insbesondere beweist sie nicht, dass Willensmängel bei den Vertragsparteien auszuschliessen sind und dass keine Simulation vorliegt (BGE 120 IV 25 E. 3e und f).
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