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27. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. September 1997 i.S. D. gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Merkmale der Lotterie und des lotterieähnlichen Wettbewerbs (Art. 1, 38 und 56 Abs. 2 LG; Art. 43 Ziff. 2 LV). |
Einsatz: Die im Vergleich zu den normalen Telefongebühren höhere Gebühr für die Benützung einer 156er-Telefonnummer (Telekiosk), über welche der Wettbewerbsteilnehmer die Lösung zu übermitteln hat, ist jedenfalls im Umfang des darin enthaltenen Anbieteranteils ein Einsatz. Unerheblich ist, ob der Einsatz dem Veranstalter des Wettbewerbs oder einem Dritten zufliesst (E. 2a). |
Gewinn: Darunter fallen nicht nur Waren und Geld, sondern vermögensrechtliche Vorteile jeder Art, z.B. auch Gratisreisen (E. 2b). |
Planmässigkeit: Sie ist unter anderem gegeben, wenn der Veranstalter sein Spielrisiko durch vorgängige Festlegung der in Aussicht gestellten Gewinne ausschliesst. Unerheblich ist, ob die ausgesetzten Gewinne vom Veranstalter oder von Dritten finanziert werden (E. 2c). |
Zufall: Bedeutung dieses Merkmals für die Abgrenzung zwischen Lotterie und lotterieähnlichem Wettbewerb (E. 2d). | |
Sachverhalt | |
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Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich verurteilte D. am 30. Januar 1997 wegen (vorsätzlicher) Widerhandlung gegen das Bundesgesetz betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen ![]() | 2 |
Das Obergericht des Kantons Zürich wies die von D. dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde am 22. Mai 1997 ab.
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D. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu ihrer Freisprechung von Schuld und Strafe an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht hat die Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen
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aus folgenden Erwägungen: | |
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Der bundesrätliche Entwurf eines Lotteriegesetzes (BBl 1918 IV 356 ff.) verzichtete auf eine Definition des Lotteriebegriffs, weil sie sich erstens in der Expertenkommission als schwierig erwiesen hatte und weil zweitens "gerade eine Legaldefinition unter Umständen die Umgehung des Gesetzes erleichtern könnte, indem man Unternehmungen, ![]() | 7 |
a) Die Legaldefinition der Lotterie in Art. 1 Abs. 2 LG enthält vier Merkmale, nämlich (1.) den Einsatz des Teilnehmers oder den Abschluss eines Rechtsgeschäfts, (2.) die Aussicht auf einen Gewinn, (3.) die Planmässigkeit und (4.) das aleatorische Moment (BGE 103 IV 213 E. 4a S. 218; BGE 85 I 168 E. 5 S. 176 f. mit weiteren Hinweisen). Auch die den Lotterien gleichgestellten Wettbewerbe im Sinne von Art. 43 Ziff. 2 LV setzen einen Einsatz und die Aussicht auf einen Gewinn sowie die Planmässigkeit (siehe zu letzterem BGE 99 IV 25 E. 5b S. 33 ff.) voraus; hingegen genügt es, dass der Erwerb oder die Höhe der ausgesetzten Gewinne "wesentlich" vom Zufall oder von Umständen abhängig ist, "die der Teilnehmer nicht kennt".
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b) Die Beschwerdeführerin macht wie bereits im kantonalen Verfahren geltend, die von ihr angekündigte Veranstaltung erfülle keines der vier Merkmale einer Lotterie.
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2. a) Einsatz im Sinne der Lotteriegesetzgebung ist der Vermögenswert, den der Einleger als Gegenleistung für die Teilnahme an der Verlosung der in Aussicht gestellten Gewinne erbringen muss. Unerheblich ist, ob die Einsätze letztlich dem Veranstalter oder einem Dritten zufliessen und ob aus der Veranstaltung ein Gewinn resultiert. Auch ganz kleine Beträge von einigen Rappen stellen ![]() | 10 |
aa) Die Wettbewerbs-Lösung konnte nur über eine 156er-Telefonnummer (sogenannter Telekiosk) übermittelt werden. Die Höhe der dem Benützer einer 156er-Nummer von der Telecom PTT belasteten Gebühr hängt von der vierten Ziffer der Telefonnummer ab; ist dies, wie im vorliegenden Fall, eine 4, so beträgt die Gebühr Fr. -.86/Min. Diese Gebühr ist unstreitig höher als die normale Telefongebühr, was dem durchschnittlichen Telefonbenützer unbestrittenermassen bekannt ist. Sie enthält u.a. einen sogenannten "Anbieteranteil", den die Telecom PTT dem Abonnenten überweist, der über die fragliche 156er-Nummer etwas "anbietet". Jedenfalls dieser in der Telefongebühr enthaltene Anbieteranteil ist ein Einsatz im Sinne der Lotteriegesetzgebung.
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bb) Was die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, ist unbegründet.
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Wohl sind die Kosten der Übermittlung der Wettbewerbs-Lösung, d.h. die "Transportkosten", als solche kein Einsatz im Sinne der Lotteriegesetzgebung; denn nicht "gegen" diese Leistung werden den Teilnehmern die Gewinne in Aussicht gestellt. Kein Einsatz ist somit das gewöhnliche Briefporto bei postalischer Einsendung der Wettbewerbs-Lösung (siehe LUCAS DAVID, op.cit., S. 203; CHRISTIAN KLEIN, op.cit., S. 92). Kein Einsatz ist folgerichtig auch die normale Telefongebühr bei telefonischer Übermittlung der Wettbewerbs-Lösung. Die im Vergleich zur normalen Telefongebühr unstreitig höhere Gebühr für die Benützung einer 156er-Nummer unterscheidet sich aber wegen des darin enthaltenen Anbieteranteils wesentlich von der normalen Gebühr; im Umfang dieses Anbieteranteils dient die Gebühr nicht der Finanzierung des "Transports" der Wettbewerbs-Lösung. Unerheblich ist, dass die Übermittlung der Wettbewerbs-Lösung über die 156er-Telefonnummer nach der Darstellung in der Beschwerde für die Teilnehmer gesamthaft betrachtet jedenfalls nicht teurer und insbesondere auch einfacher ist als die schriftliche ![]() | 13 |
Ob in einem Fall der vorliegenden Art entsprechend den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil "die Gefahr des unüberlegten Mitspielens" besonders gross ist, weil der (erst mit der Telefonrechnung zu zahlende) Einsatz kreditiert wird und der Teilnehmer nicht einmal genau weiss, was ihn die Teilnahme kostet, kann dahingestellt bleiben. Die Gefahr des unüberlegten Mitspielens ist nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid kein wesentliches Merkmal der Lotterie. Die Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde, mit denen die fragliche Gefahr bestritten wird, gehen somit an der Sache vorbei.
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Wohl sind die Lotterien gerade auch aus sozialen Gründen verboten und kann unter diesem Gesichtspunkt ein Einsatz von einigen Rappen nicht ins Gewicht fallen. Das Gesetz verlangt aber weder für den Begriff der Lotterie noch für die Strafbarkeit der Durchführung einer Lotterie gewisse Mindesteinsätze.
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Im übrigen sei der Vollständigkeit halber folgendes festgehalten: Das Telefonat dauerte 1-2 Minuten, wenn der Wettbewerbs-Teilnehmer die Namen der gesuchten fünf "James Bond"-Darsteller durch Wählen bzw. Tippen der diesen beigeordneten zweistelligen Zahlen, also einer insgesamt zehnstelligen Zahl, auf der Wählscheibe bzw. Tastatur seines Telefonapparates angab. Wenn die Eingabe des Teilnehmers "nicht richtig verstanden" wurde, erhielt er ![]() | 16 |
b) Als 1. Preis winkte eine Flugreise nach London samt Übernachtung in einem Erstklasshotel und Tickets für die Filmpremiere von "Golden Eye" für zwei Personen, als 2.-6. Preis das Probefahren eines BMW Z3 roadster während eines Wochenendes; der 7.-16. Preis bestand in einer CD und der 17.-21. Preis in einem Mehrzweckwerkzeug. Alle diese in Aussicht gestellten Gewinne sind offensichtlich "vermögensrechtliche Vorteile" im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LG.
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Der Einwand der Beschwerdeführerin, dass nur nutz- bzw. verwertbare Vermögensgegenstände lotterierechtlich relevante Gewinne seien, ist unbegründet. Zwar sprechen die in der Nichtigkeitsbeschwerde zitierten Autoren in diesem Zusammenhang von Vermögensgegenständen (so CHRISTIAN KLEIN, op.cit., S. 78 f.) bzw. von Waren oder Geld (so WILLY STAEHELIN, op.cit., S. 44 unten). Sollten diese Autoren damit tatsächlich anderweitige vermögensrechtliche Vorteile, wie etwa üblicherweise nur gegen Entgelt erbrachte Dienstleistungen, als lotterierechtlich unerhebliche Gewinne betrachten, könnte ihnen nicht gefolgt werden. Andere Autoren erwähnen denn auch als Beispiele für vermögensrechtliche Vorteile u.a. Gratisreisen (so LUCAS DAVID, op.cit., S. 204; ANNE-CATHERINE IMHOFF-SCHEIER, La validité des jeux-concours publicitaires envoyés par correspondance, ZSR 104/1985 I S. 25 ff., 38 f.). Eine Beschränkung der relevanten Gewinne auf nutz- oder verwertbare Gegenstände bzw. auf Waren und Geld unter Ausschluss etwa von Dienstleistungen findet im Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 LG - "ein vermögensrechtlicher Vorteil als Gewinn", "un avantage matériel consistant en un lot", "un lucro sotto forma di premio" - keine Stütze. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern sich eine solche Beschränkung aus Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben könnte. Im übrigen ist in Art. 43 Ziff. 2 LV betreffend die den Lotterien gleichgestellten Preisausschreiben und Wettbewerbe schlicht von "Gewinnen" die Rede.
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c) Das Merkmal der Planmässigkeit ist u.a. und jedenfalls dann gegeben, wenn der Veranstalter Art und Umfang der in Aussicht gestellten Gewinne von vornherein festlegt und damit sein eigenes ![]() | 19 |
Was die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, ist unbegründet. Es ist unerheblich, dass die vom Veranstalter in Aussicht gestellten Gewinne nicht von ihm selbst finanziert, sondern von Dritten gestiftet worden sind. Der Begriff der Lotterie setzt nicht voraus, dass der Veranstalter die Preise auch selber finanziert. Daher ist es unerheblich, dass der Veranstalter schon deshalb keinen Verlust erleiden konnte, weil Dritte die in Aussicht gestellten Preise stifteten. Ohne Bedeutung ist auch, wem die von den Teilnehmern geleisteten Einsätze zufliessen und ob aus der Veranstaltung ein Reingewinn resultiert. Unerheblich ist ferner, dass die Veranstaltung für den Veranstalter angeblich "ökonomisch in jedem Fall indifferent" war und es für ihn daher nichts zu berechnen gegeben habe und deshalb auch kein Plan habe erstellt werden müssen. Die Planmässigkeit betrifft nicht unmittelbar die Frage von Einnahmen und Ausgaben bzw. von Gewinn und Verlust, sondern die Frage des Spielrisikos, des Zufalls. Auf welche Weise das Spielrisiko ausgeschlossen werden kann, hängt wesentlich auch von der Art der Veranstaltung ab; bei einer wöchentlich veranstalteten Zahlenlotterie beispielsweise sind dazu andere Massnahmen erforderlich als bei einem Wettbewerb. Die Planmässigkeit besteht im hier zu beurteilenden Fall eines Wettbewerbs, bei dem die Teilnehmer, deren Zahl ungewiss ist, eine bestimmte Frage beantworten müssen, schlicht darin, dass durch vorgängige Festlegung der Gewinne das Spielrisiko für denjenigen, welcher dessen Folgen zu tragen hätte, ausgeschlossen wird.
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d) Auch die vierte Voraussetzung, das aleatorische Moment, ist vorliegend erfüllt. Was die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, ist zum einen unbegründet und geht zum anderen an der Sache vorbei.
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Zwar setzt die richtige Beantwortung der gestellten Wettbewerbsfrage ein Wissen bzw. eine gewisse geistige Anstrengung voraus und ist die Richtigkeit der übermittelten Lösung insoweit von wesentlicher Bedeutung, als der Teilnehmer ohne richtige Lösung von vornherein keinen Gewinn erwerben kann. Andererseits hat aber ein Teilnehmer mit der Übermittlung der richtigen Lösung noch nichts gewonnen. Da bei Wettbewerben der vorliegenden Art erfahrungsgemäss mehr richtige Lösungen eingehen als Preise - ![]() | 22 |
Allerdings wurde in dem in der Nichtigkeitsbeschwerde zitierten BGE 55 I 53 ff. u.a. erkannt, die Voraussetzung des Zufalls im Sinne des Gesetzes fehle, wenn im Unternehmen bei der Entscheidung über den Gewinnanfall Faktoren mitwirkten, "welche in der teilweisen Betätigung des Einlegers oder Unternehmers oder eines Dritten liegen"; denn dann entscheide nicht mehr, wie bei der Los- oder Nummernziehung, "etwas Unberechenbares, etwas ausserhalb jeder menschlichen Einwirkung stehendes, über den Gewinnanfall, sondern die menschliche Betätigung in Verbindung mit Unberechenbarem und Unbekanntem" (S. 64). Wie es sich damit im einzelnen verhält, kann hier dahingestellt bleiben. Denn ein Wettbewerb wird gemäss Art. 43 Ziff. 2 LV u.a. schon dann als lotterieähnliche Unternehmung (s. Art. 56 Abs. 2 LG) den Lotterien gleichgestellt, wenn der Erwerb oder die Höhe der ausgesetzten Gewinne "wesentlich vom Zufall... abhängig ist". Art. 43 LV in dieser Fassung wurde erst durch Bundesratsbeschluss vom 10. Mai 1938, in Kraft seit 1. Juli 1938, eingefügt, bestand also zur Zeit der Ausfällung des vorstehend wiedergegebenen Bundesgerichtsentscheides vom 11. Februar 1929 noch nicht. Bei Wettbewerben aller Art, bei denen eine Frage beantwortet oder ein Lösung gefunden werden muss und unter den richtigen Einsendungen das Los über Erwerb oder Höhe des Gewinns entscheidet, mag es zweifelhaft sein, ob der Zufall allein massgebend sei. Auch aus diesem Grunde ist der Bundesrat gemäss Art. 56 Abs. 2 LG befugt, "lotterieähnliche Unternehmungen" den im Lotteriegesetz enthaltenen Bestimmungen zu unterwerfen, und werden in Art. 43 Ziff. 2 LV Wettbewerbe den Lotterien gleichgestellt, wenn u.a. Erwerb oder Höhe des Gewinns immerhin "wesentlich" vom Zufall abhängt. Gerade in bezug auf die Bedeutung des Zufallsmoments unterscheidet sich die lotterieähnliche Unternehmung von der Lotterie (s. dazu WILLY STAEHELIN, op.cit., S. 68 ff.; WERNER MEILI, op.cit., S. 57 f.).
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