![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Februar 1998 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 69 StGB und Art. 110 Ziff. 7 StGB; Art. 13b ANAG; Ausschaffungshaft, Anrechnung auf die Freiheitsstrafe. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
2 | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
3 | |
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Art. 69 und Art. 110 Ziff. 7 StGB. Für die Anrechenbarkeit sei der freiheitsentziehende Charakter einer Massnahme entscheidend. Er habe die Ausschaffungshaft ab Anfang März 1996 abwechslungsweise mit der Untersuchungshaft im Ausschaffungsgefängnis Flughafen Kloten sowie im Zentralgefängnis Luzern erlitten. Die Ausschaffungshaft in Kloten sei als Einzelhaft vollzogen worden und habe ihn in seiner persönlichen Freiheit stärker eingeschränkt als die Untersuchungshaft. Zwischen der Ausschaffungshaft und dem Strafverfahren bestehe ein Sachzusammenhang. Die Ausländerbehörde habe ihn wegen der Strafverfügung vom 8. März 1996 in Ausschaffungshaft genommen, und die Vorinstanz habe zu dieser Strafverfügung eine Zusatzstrafe ausgesprochen.
| 4 |
5 | |
Von der Anrechnung der Untersuchungshaft darf nach der Rechtsprechung nur abgesehen werden, soweit der Beschuldigte durch sein Verhalten nach der Tat die Untersuchungshaft in der Absicht herbeigeführt oder verlängert hat, dadurch den Strafvollzug zu verkürzen oder zu umgehen (BGE 117 IV 404 E. 2).
| 6 |
![]() | 7 |
Nach der Rechtsprechung sind ebenso anstelle der Untersuchungshaft angeordnete freiheitsentziehende Ersatzmassnahmen - wie etwa die Unterbringung in einem Männerheim - analog der Untersuchungshaft auf die zu verbüssende Freiheitsstrafe anzurechnen. Bei der Bestimmung der anrechenbaren Dauer der Ersatzmassnahme hat der Richter den Grad der Beschränkung der persönlichen Freiheit im Vergleich zum Freiheitsentzug bei der Untersuchungshaft zu berücksichtigen. Ist der Vollzug der Ersatzmassnahme dem Vollzug von Untersuchungshaft ungefähr gleichzusetzen, so ist grundsätzlich die ganze Dauer anrechenbar; wird die Ersatzmassnahme hingegen in einer Institution vollzogen, welche die persönliche Freiheit wesentlich weniger beschränkt, kann nur eine entsprechend gekürzte Dauer in Rechnung gestellt werden (BGE 113 IV 118).
| 8 |
b) Zur Frage der Anrechnung von Ausschaffungshaft, deren Voraussetzungen in Art. 13b des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) geregelt sind, äussert sich das Gesetz nicht.
| 9 |
Anzurechnen ist die Ausschaffungshaft in Fällen wie hier auf die Freiheitsstrafe jedenfalls dann, wenn der Beschuldigte, hätte er sich nicht in Ausschaffungshaft befunden, in Untersuchungshaft genommen worden wäre, also in einer Konstellation, wo konkurrierend die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und der Ausschaffungshaft gegeben sind. In derartigen Fällen übernimmt die Ausschaffungshaft faktisch die Funktion der Untersuchungshaft. Die Ablehnung der Anrechnung wäre deshalb stossend. Für die Anrechnung gilt hier allerdings der gleiche Vorbehalt wie bei der Untersuchungshaft: Die Anrechnung unterbleibt, soweit der Beschuldigte durch sein Verhalten nach der Tat die Haft herbeigeführt oder verlängert hat in der Absicht, dadurch den Strafvollzug zu verkürzen oder zu umgehen.
| 10 |
Die grundsätzliche Anrechnung der Ausschaffungshaft jedenfalls in den Fällen, wo diese faktisch an die Stelle der Untersuchungshaft tritt, entspricht der Tendenz der Rechtsprechung, vor dem Strafvollzug erlittene Freiheitsbeschränkungen nach Möglichkeit auf die Strafe anzurechnen. Nach der Rechtsprechung sind, wie dargelegt, ![]() | 11 |
c) Nach dem Gesagten verletzt die grundsätzliche Ablehnung der Vorinstanz, die Ausschaffungshaft anzurechnen, Bundesrecht. Ob und wieweit die Ausschaffungshaft im vorliegenden Fall anzurechnen ist, kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen über Zeitpunkt und Dauer der Ausschaffungshaft und insbesondere darüber, ob der Beschwerdeführer die Ausschaffungshaft anstelle einer sonst notwendigen Untersuchungshaft erstanden hat, nicht beantwortet werden.
| 12 |
Die Beschwerde wird deshalb gutgeheissen und die Sache zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen und zur Neubeurteilung im Sinne der obigen Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
| 13 |
14 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |