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31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Juni 1998 i.S. R. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 91 Abs. 3 SVG; Vereitelung einer Blutprobe. |
Fall eines Fahrzeuglenkers, der nach einer lautstarken Auseinandersetzung mit seiner Freundin wegfährt und mangels Eintritts eines Drittschadens nicht verpflichtet ist, sich der Polizei für weitere Abklärungen zur Verfügung zu halten, auch wenn diese eine Blutprobe angeordnet hätte. | |
Sachverhalt | |
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Gegen diesen Entscheid führt R. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es sei die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner stellt er das Gesuch, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu verleihen.
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Das Obergericht des Kantons Bern hat auf Gegenbemerkungen, der Generalprokurator auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Der Beschwerdeführer war am Freitagabend, den 27. Oktober 1995, mit seiner damaligen Freundin S. beim Altersheim in Uetendorf verabredet. Nachdem sich die beiden dort getroffen hatten, begaben sie sich mit dem Personenwagen des Beschwerdeführers zunächst nach Münsingen in ein Restaurant und anschliessend nach Rubigen in die Bar «1001». In beiden Lokalen konsumierten sie alkoholische Getränke. Beim Verlassen der Bar «1001» kam es zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Freundin zu Unstimmigkeiten, welche sich zu einem Streit ausweiteten, der während der gesamten Rückfahrt nach Uetendorf andauerte. Nachdem sie auf dem Parkplatz beim Altersheim angelangt waren, forderte der Beschwerdeführer seine Begleiterin auf, sein Fahrzeug zu verlassen und mit ihrem eigenen, dort zurückgelassenen Auto nach Hause zu fahren. Hierauf kam es zwischen den beiden zu einem Handgemenge, in dessen Folge Frau S. in ihren Wagen stieg und in langsamer ![]() | 5 |
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3. a) Nach Art. 91 Abs. 3 SVG in der Fassung gemäss Bundesgesetz vom 6. Oktober 1989, in Kraft seit 1. Februar 1991, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer sich vorsätzlich einer Blutprobe, die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung er rechnen musste, oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt. Mit dieser Fassung des Gesetzes sollte der langjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe Rechnung getragen werden (BGE 120 IV 73 E. 1a und 2). Nach dieser Rechtsprechung gelangte Art. 91 Abs. 3 aSVG nur dann zur Anwendung, wenn nach den Umständen kein ernstlicher Zweifel daran bestehen konnte, dass die Polizei eine Blutprobe angeordnet hätte. Die Unterlassung erfüllte dann den objektiven Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe, wenn der Fahrzeuglenker gemäss Art. 51 SVG zur Meldung verpflichtet und die Benachrichtigung der Polizei möglich war und wenn bei objektiver Betrachtung aller Umstände die Polizei bei Meldung des Unfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet hätte. Zu diesen Umständen gehören einerseits der Unfall als solcher (Art, Schwere, Hergang) und anderseits der Zustand sowie das Verhalten des Fahrzeuglenkers ![]() | 8 |
b) Die Vorinstanz nahm an, der Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe falle, wenn der Sachverhalt im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beurteilt werde, mangels gesetzlicher Verpflichtung des Fahrzeuglenkers, bei der Polizei bzw. beim Geschädigten einen Unfall zu melden, ausser Betracht. Da nach ihrer Auffassung im zu beurteilenden Fall bei objektiver Betrachtung aller Umstände eine Blutprobe mit hoher Wahrscheinlichkeit angeordnet worden wäre, weil der Verdacht auf eine alkoholbedingte Einschränkung der Fahrfähigkeit des Beschwerdeführers geradezu auf der Hand gelegen habe, gelangte sie dennoch zu einem Schuldspruch wegen Vereitelung einer Blutprobe. Sie stützte sich hiefür auf ein unveröffentlichtes Urteil derselben Kammer des Obergerichts vom 7. Februar 1997, in dem diese sich gegen die Auslegung des Tatbestandes von Art. 91 Abs. 3 SVG, wie sie das Bundesgericht vornimmt, wendet. Denn Art. 51 Abs. 3 SVG schreibe den Beizug der Polizei nicht zwingend vor. Entstehe bei einem Unfall nämlich nur Sachschaden und setze sich der Schädiger mit dem Geschädigten ohne Verzug in Verbindung, so bleibe die Polizei, sofern letzterer auf deren Benachrichtigung verzichte, aus dem Spiel. Der Zustand des Lenkers sei in diesem Fall kein Thema mehr, und ![]() | 9 |
c) Die Vorinstanz verweist für ihre von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweichende Auffassung auf die Lehrmeinungen von Rehberg und Schultz. Schultz geht davon aus, dass das Fahren in Angetrunkenheit als Verletzung der von Art. 31 Abs. 2 SVG gebotenen Verkehrsregel unabhängig davon strafbar ist, ob der angetrunkene Lenker einen Unfall verursacht oder eine andere Verkehrsregel verletzt hat. Er stellt sich daher gegen die Verknüpfung des Tatbestandes der Vereitelung einer Blutprobe mit der Verletzung der Benachrichtigungspflicht gemäss Art 51 SVG. Dies auch deshalb, weil aus dieser Bestimmung keine Pflicht abgeleitet werden könne, den tatbestandsmässigen Erfolg von Art. 91 Abs. 3 SVG, nämlich die Zweckvereitelung, zu verhindern bzw. die Durchführung der Blutprobe zu gewährleisten und sich in irgendeiner Weise zu einer Blutprobe zur Verfügung zu halten oder deren Durchführung zu sichern. Der Schuldspruch wegen Vereitelung einer Blutprobe müsse daher von der Beteiligung an einem Unfall mit Meldepflicht gelöst werden. Hiefür spreche auch, dass das Verletzen der Meldepflicht von Art. 92 SVG mit Strafe bedroht werde. Die Auslegung von Art. 91 Abs. 3 SVG solle daher davon ausgehen, dass der Beschuldigte vor, während oder während eines Unterbruchs der Fahrt alkoholische Getränke genossen habe. Hinzu müssten weitere Umstände treten, die die Annahme rechtfertigten, der Lenker wolle sich der Blutprobe entziehen. Solche könnten etwa in der Fahrweise des Beschuldigten, aber auch in der Beteiligung an einem selbst nicht meldepflichtigen Unfall, im Verstecken vor der Polizei oder in der Flucht vor einer bekannt gewordenen Polizeikontrolle liegen. Dass einer bloss möglichen oder einer etwas höher ![]() | 10 |
Die Verknüpfung des Tatbestandes von Art. 91 Abs. 3 SVG mit der Meldepflicht gemäss Art. 51 Abs. 3 SVG wird auch von Rehberg kritisiert. Art. 51 Abs. 3 SVG diene nicht dazu, den Behörden die Durchführung einer Blutprobe zu ermöglichen, sondern schreibe lediglich die sofortige Benachrichtigung des Geschädigten vor und verlange allein für den Fall ihrer Unmöglichkeit eine Meldung an die Polizei. Die Bestimmung wolle offensichtlich nur die Schadenersatzansprüche des Geschädigten gegenüber dem Lenker bzw. Fahrzeughalter schützen. Die entsprechende Vorschrift für Unfälle mit Personenschaden nach Art. 51 Abs. 2 SVG diene wohl zusätzlich zur Abklärung des Hergangs, nicht aber unmittelbar zur allfälligen Veranlassung einer Blutprobe beim meldepflichtigen Lenker (REHBERG, Neuere Bundesgerichtsentscheide zum Thema «Alkohol am Steuer», recht 1996, S. 87; ders., Aktuelle Fragen des Strassenverkehrs-Strafrechts, ZStR 101/1984, S. 365 f.). Nach der Auffassung von Rehberg genügt für die Erfüllung des Tatbestands ein aktives Verhalten des Lenkers, welches klar zum Ausdruck bringt, dass er sich einer von ihm befürchteten Blutprobe entziehen will. Vorauszusetzen sei dabei zunächst, dass der Lenker einen Unfall verursacht habe oder auch nur von der Fahrbahn geraten und stecken geblieben sei, wobei der Hergang einen alkoholisierten Zustand nahelege. Dazu müsse ein Verhalten kommen, das nur damit plausibel erklärt werden könne, dass sich der Fahrer für den Fall einer Intervention der Polizei rechtzeitigen Ermittlungen über seinen Zustand entziehen wolle. Dass die Polizei auf Meldung des Unfallgeschehens hin sehr wahrscheinlich eine Blutprobe angeordnet hätte, gehört danach nicht zum objektiven Tatbestand (REHBERG, recht 1996, S. 88).
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Beide Autoren weisen schliesslich darauf hin, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichts in Fällen, wo der Lenker keinen Unfall verursacht und daher keine Meldepflicht besteht, zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Beschränkung der Strafbarkeit führe (REHBERG, recht 1996, S. 87; ders., ZStR 101/1984, S. 365 f.; SCHULTZ, ZStR 109/1992, 319/324 f.; ders., Rechtsprechung, S. 291 f.).
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4. a) Für die Frage, wann der Tatbestand der Vereitelung der Blutprobe erfüllt ist, ist davon auszugehen, dass sich nach einem allgemeinen Grundsatz der Fehlbare den Strafverfolgungsbehörden ![]() | 13 |
Das strafbare Verhalten liegt beim Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe gerade darin, dass der Täter für allfällige weitere Abklärungen nicht zur Verfügung steht (vgl. BGE 114 IV 154 E. 2b; s. aber auch BGE 95 IV 144). Die Strafbestimmung knüpft daher an einen Sachverhalt an, der die Pflicht, sich zur Verfügung zu halten, auferlegt. Ein solcher auslösender Sachverhalt liegt grundsätzlich nur in der Verletzung der in Art. 51 SVG statuierten Meldepflichten bei Unfällen mit Personen- oder mit Sachschäden. Nur in einem solchen Fall, wo weitere Abklärungen über den Unfallhergang naheliegen, lässt sich sagen, der Fahrzeuglenker müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Anordnung einer Blutprobe rechnen. Dabei erscheint es als zweckmässig, für die Bestimmung der Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe vom mutmasslichen Verhalten der Polizei, wenn sie Kenntnis vom Vorfall gehabt hätte, auszugehen. Nur bei dieser Konstellation besteht im übrigen auch das Bedürfnis, denjenigen Automobilisten, der sich nach einem Verkehrsunfall korrekt verhält und sich deshalb der Gefahr einer amtlichen Anordnung der Blutprobe aussetzt, nicht schlechter zu stellen, als denjenigen, der im Hinblick auf die befürchtete Anordnung der Blutprobe seine Pflichten verletzt (SCHUBARTH, a.a.O., ![]() | 14 |
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz besteht somit kein Anlass, auf die bisherige Rechtsprechung zu Art. 91 Abs. 3 SVG zurückzukommen.
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b) Die Vorinstanz hat zu Recht erkannt, dass der Tatbestand der Vereitelung einer Blutprobe im zu beurteilenden Fall ausser Betracht fällt, wenn der Sachverhalt im Lichte der bisherigen Rechtsprechung gewürdigt wird. Der Beschwerdeführer hat sich vor Eintreffen der Polizei vom Parkplatz entfernt. Ausschlaggebend für die rechtliche Würdigung ist dabei, dass sich kein Unfall ereignet hat. Der Beschwerdeführer war somit nicht verpflichtet, nach Art. 51 SVG zu verfahren und musste sich auch nicht für allfällige weitere Abklärungen zur Verfügung halten. Die Polizei ist denn auch weniger wegen des Fahrverhaltens des Beschwerdeführers denn wegen der lautstarken Auseinandersetzung zwischen diesem und seiner damaligen Freundin herbeigerufen worden. Das eingeschlagene Seitenfenster am Wagen von Frau S. ist hier nicht von Bedeutung, da dieser Schaden nicht durch ein Fahrmanöver, sondern durch einen Schlag mit dem Ellenbogen entstanden ist. Im übrigen erscheint es als fraglich, ob das Verhalten des Beschwerdeführers allein damit plausibel erklärt werden kann, dass er sich Abklärungen über seine Fahrfähigkeit entziehen wollte. Wäre dem so, wäre nicht einzusehen, weshalb er nach den Aussagen des Zeugen A., der die Polizei avisiert hatte, nach zweimaligem Wegfahren wieder an den Ort des Geschehens zurückkehrte, bevor er sich endgültig entfernte. Aus welchem Grund der Beschwerdeführer den Ort des Geschehens verliess, kann hier jedoch offenbleiben, da diese Frage die tatsächlichen Feststellungen betrifft.
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Aus dem Gesagten folgt, dass die Vorinstanz mit dem Schuldspruch der Vereitelung einer Blutprobe Bundesrecht verletzt hat. Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich daher als begründet.
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