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22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 30. April 1999 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 305ter Abs. 1 StGB; mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften. |
Wer die Identität des wirtschaftlich Berechtigten nicht feststellt, obwohl er vermutet, in Wahrheit sei nicht der im Formular A als Berechtigter genannte Inhaber des eröffneten Kontos der wahre Geschäftspartner, sondern ein Dritter, macht sich der mangelnden Sorgfalt bei Finanzgeschäften schuldig (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte L.B. mit Urteil vom 28. August 1997 der mangelnden Sorgfalt bei Finanzgeschäften nach Art. 305ter Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 5'000.--.
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Gegen diesen Entscheid führt L.B. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe seine Sorgfaltspflichten bei der Entgegennahme fremder Vermögenswerte verletzt, weil er die Konten ohne Abklärungen hinsichtlich des wirtschaftlich Berechtigten eröffnete, obwohl der Kontoeröffnungsantrag auf dem Korrespondenzweg erfolgte und R.S., welche die Eröffnungen namens der TRANSCARBON und der ![]() | 5 |
3. a) Nach Art. 305ter StGB macht sich der mangelnden Sorgfalt bei Finanzgeschäften strafbar, wer berufsmässig fremde Vermögenswerte annimmt, aufbewahrt, anlegen oder übertragen hilft und es unterlässt, mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt die Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen. Die Bestimmung wurde zusammen mit dem Tatbestand der Geldwäscherei (Art. 305bis StGB) mit dem Bundesgesetz über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften vom 23. März 1990 eingefügt und ist seit 1. August 1990 in Kraft. Sie geht auf das in der Vernehmlassung zur Revision des Vermögensstrafrechts verschiedentlich formulierte Bedürfnis zurück, den Missbrauch des Finanzplatzes Schweiz durch kriminelle Organisationen strafrechtlich zu erfassen. In diesem Sinne sprach sich der Expertenentwurf vom 15. September 1986 zunächst für eine Verfolgung der Geldwäscherei im Rahmen der Rechtspflegedelikte aus. Neben den sogenannt schweren Fällen sollte auch die grobfahrlässige Begehung strafbar sein. Der Gesetzgeber entschied sich schliesslich aufgrund von strafrechtsdogmatischen wie kriminalpolitischen Überlegungen, die fahrlässige Begehung nicht unter Strafe zu stellen, sondern zusätzlich zum Grundtatbestand der Geldwäscherei eine eigene Strafnorm zu schaffen. Unter dem Randtitel der mangelnden Sorgfalt bei Finanzgeschäften erfasst Art. 305ter StGB nunmehr Geschäfte, welche unter Verletzung der Identifikationspflicht abgeschlossen worden sind. Dieser Auffangtatbestand will wie derjenige der Geldwäscherei verhindern, dass Vermögenswerte dem Zugriff der Rechtspflege entzogen werden (Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [Gesetzgebung über Geldwäscherei und mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften] vom 12.6.1989, BBl. 1989 II S. 1080f.; vgl. ferner URSULA CASSANI, Commentaire ![]() | 6 |
Die Pflicht zur Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten bzw. die Pflicht, von der Vertragspartei eine schriftliche Erklärung über den wirtschaftlich Berechtigten einzuholen, wird auch in Art. 1 lit. a sowie Art. 3 Ziff. 18 ff. der Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB 1987 und 1992; bzw. Ziff. 22 ff. VSB 1998) erhoben. Die Zuwiderhandlung wird mit Konventionalstrafe an die Bankiervereinigung bedroht (Art. 11 VSB). Dieselbe Pflicht statuiert nunmehr auch Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor (Geldwäschereigesetz, GwG; s. auch Empfehlung 11 der FATF [Financial Action Task Force on Money Laundering] vom 7.2.1990; in: BERTI/GRABER, Das Schweizerische Geldwäschereigesetz, Anhang 10; Art. 3 Abs. 5 der Geldwäscherei-Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 10.6.1991, in: BERTI/GRABER, a.a.O., Anhang 9; sowie Ziff. 7 der Geldwäscherei-Richtlinie der Eidgenössischen Bankenkommission vom 18.12.1991, in: MARK PIETH [Hrsg.], Bekämpfung der Geldwäscherei, Basel 1992, S. 213 ff.).
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b) Der Tatbestand von Art. 305ter StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Die verbotene Handlung liegt in der Vornahme von Geldgeschäften ohne Identifikation des wirtschaftlich Berechtigten trotz besonderer Anhaltspunkte für die Nichtidentität zwischen Vertragspartner und wirtschaftlich Berechtigtem. Dabei genügt die Verletzung der Identifikationspflicht für sich allein. Ob die Vermögenswerte durch den wirtschaftlich Berechtigten allenfalls in strafrechtlich relevanter Weise erworben wurden, ist demnach ohne Bedeutung (Botschaft, BBl. 1989 II S. 1087; ferner statt vieler CASSANI, a.a.O., Art. 305ter N. 2 mit Hinweisen; ARZT, a.a.O., S. 190/192). Art. 305ter Abs. 1 StGB ist ein Begehungsdelikt. Der Schwerpunkt des Tatbestandes liegt bei den Tätigkeiten des ![]() | 8 |
c) Gegenstand der in Art. 305ter Abs. 1 StGB statuierten Sorgfaltspflicht ist die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten. Der Begriff des wirtschaftlich Berechtigten ist Art. 3 der Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB) entnommen. Danach ist für die Zuordnung der Vermögenswerte auf wirtschaftliche Gesichtspunkte abzustellen und sind formaljuristische Konstruktionen ohne Bedeutung; wirtschaftlich berechtigt ist somit derjenige, der über die Vermögenswerte faktisch bestimmen kann, dem sie mithin aus wirtschaftlicher Sicht gehören (CASSANI, a.a.O., Art. 305ter N. 16; TRECHSEL, a.a.O., Art. 305ter N. 9). Ist dem Sorgfaltspflichtigen die Identität des «wahren Geschäftspartners» (Botschaft, BBl. 1989 II S. 1089) bekannt, so scheidet eine Strafbarkeit nach Art. 305ter Abs. 1 StGB aus, selbst wenn sich nachträglich etwa die deliktische Herkunft des Vermögens herausstellen sollte. Prüft der Pflichtige sie trotz entsprechender Anhaltspunkte nicht, so macht er sich auch dann nach Art. 305ter StGB strafbar, wenn sich kein Grund ergeben sollte, an der unverfänglichen Herkunft der Vermögenswerte zu zweifeln (so STRATENWERTH, a.a.O., § 54 N. 53; GRABER, SZW 1995, S. 165).
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Das Mass der gebotenen Sorgfalt bei der Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten richtet sich nach den konkreten Umständen. Nach der Botschaft trägt diese Umschreibung den Besonderheiten der einzelnen Berufe Rechnung und liegt darin ganz allgemein eine gesetzliche Verweisung auf das Verhältnismässigkeitsprinzip. Damit soll die Grenze der zumutbaren Abklärungen markiert werden. Nach den Worten der Botschaft lässt die gesetzliche Regelung Platz für die VSB und begünstigt die Ausarbeitung von Standesregeln ![]() | 10 |
d) Die Pflicht zur Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten gilt nach der Sorgfaltspflichtsvereinbarung der Banken nur mit der Einschränkung, dass im Anschluss an die Identifikation des Vertragspartners Zweifel entstehen (Art. 1 lit. a, Art. 3 VSB 1987 und 1992). Grundsätzlich besteht die Vermutung, dass Vertragspartner und wirtschaftlich Berechtigter übereinstimmen. Diese Vermutung wird jedoch umgestossen, wenn ungewöhnliche Feststellungen gemacht werden (Art. 3 Ziff. 18 VSB 1987 und VSB 1992; ebenso VSB 1998 Art. 3 Ziff. 22). Zwar verweist die Botschaft hinsichtlich der Anforderungen an die Überprüfung der Identität auf die Vorbildfunktion der VSB (Botschaft, BBl. 1989 II S. 1089) und sollen die nunmehr im Geldwäschereigesetz eingeführten Sorgfaltspflichten der Finanzintermediäre nach den Worten der Botschaft den Massstab für die nach Art. 305ter Abs. 1 StGB im Rahmen von Finanzgeschäften zu beachtende Sorgfalt bilden (Botschaft zum Bundesgesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei im Finanzsektor vom 17.6.1996, BBl. 1996 III S. 1116, vgl. auch S. 1125 und 1155 f.). Dies kann nun freilich nicht bedeuten, dass das von der Strafnorm geforderte Mass der Sorgfalt bei der Entgegennahme von Vermögenswerten gleichsam in den diesbezüglichen Regeln der VSB aufgeht. Bei den VSB handelt es sich um Standesregeln, welche von der Schweizerischen Bankiervereinigung abgefasst werden und denen sich die unterzeichnenden Banken unterwerfen. Sie sind ein Instrument der ethischen Selbstregulierung (DE CAPITANI, SJZ 89/1993, S. 21) und dienen in erster Linie der Wahrung des Ansehens des Berufsstandes (Art. 1 VSB) und somit den Interessen der Banken, schützen aber auch im Sinne eines Selbstschutzes vor unklaren Situationen, die Schadenersatzforderungen auslösen könnten (WERNER DE CAPITANI, Praktische Auswirkungen der neuen Vorschriften über die Geldwäscherei [Art. 305bis und 305ter] auf die Banken, in: Geldwäscherei und Sorgfaltspflicht, Schriftenreihe SAV/8, Zürich 1991, S. 94). Dass sie überdies für sich in Anspruch nehmen, «den Begriff der 'nach den Umständen gebotenen Sorgfalt' bei der Entgegennahme von Vermögenswerten (Art. 305ter StGB) zu konkretisieren», bindet den Strafrichter - bei aller Anerkennung selbstregulierender Anstrengungen - nicht (vgl. auch BGE 111 Ib 126 zum Verhältnis von VSB und Art. 3 Abs. 2 ![]() | 11 |
4. Im zu beurteilenden Fall ging der Beschwerdeführer nach der damals gültigen Sorgfaltspflichtsvereinbarung des Jahres 1987 vor, indem er die Identität der Vertragspartner NOVUM und TRANSCARBON anhand der beigelegten Handelsregisterauszüge überprüfte (Art. 2 Ziff. 14 VSB 1987). Dabei stellte er fest, dass als ![]() | 12 |
Dem Beschwerdeführer war bekannt, dass R.S. eine langjährige Kundin der damaligen Österreichischen Länderbank in Wien war. Die Geschäftsverbindung zur BFZ in Zürich kam durch Vermittlung des Direktors der Länderbank, P.F., zu Stande. Ein direkter Kontakt zu R.S. bestand zumindest im Zeitpunkt der Kontoeröffnungen nicht; der Beschwerdeführer erhielt sämtliche Unterlagen und Informationen von P.F. Er wusste auch, dass es sich bei den Handelsgesellschaften NOVUM und TRANSCARBON um Gesellschaften mit Sitz in der DDR handelte und dass der verstorbene Ehegatte von R.S. Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs gewesen war. In diesem Zusammenhang versicherte ihm P.F., dass R.S. über die Werte der beiden Gesellschaften verfügen dürfe. Der Beschwerdeführer nahm daher keine eigenen Nachforschungen vor, sondern verliess sich auf die aus Wien erhaltenen Informationen. Gestützt auf die Gesellschafterliste, auf welcher einzig der Name von R.S. aufgeführt war, nahm der Beschwerdeführer an, die beiden Gesellschaften NOVUM und TRANSCARBON gehörten der Geschäftsführerin und Gesellschafterin. Als wirtschaftlich Berechtigte waren auf den beiden Formularen A die NOVUM und TRANSCARBON aufgeführt. Der Beschwerdeführer vermutete indes nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz, dass die fraglichen Vermögenswerte ![]() | 13 |
Nicht zu entlasten vermag den Beschwerdeführer, dass er - wenn auch nicht rechtlich abhängig - so doch wirtschaftlich auf das Mutterhaus in Wien angewiesen war. Es mag zutreffen, dass insbesondere bei Kontoeröffnungen auf dem Korrespondenzweg zuweilen eine Nachfrage durch kompetente Leute vor Ort unerlässlich ist, um den Prüfungspflichten zu genügen. Ein solches Vorgehen kann aber nicht zu einer eigentlichen Delegation der strafrechtlichen Verantwortung führen. Dies wäre mit Art. 305ter StGB nicht zu vereinbaren, welcher nur diejenige Person, die den jeweiligen Geschäftsabschluss vornimmt, zur Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten verpflichtet (a.M. DE CAPITANI, SJZ 89/1993, S. 22 ff.; KISTLER, a.a.O., S. 211 ff., 216). Eine eigentliche Delegation der Prüfungspflicht ist im vorliegenden Fall im Übrigen gar nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer hätte somit selbst die Informationen über die NOVUM und die TRANSCARBON prüfen, und nötigenfalls mit aus eigenen Recherchen und allenfalls einer persönlichen Kontaktnahme gewonnenen Erkenntnissen ergänzen und zur Grundlage der Feststellung machen müssen, wer an den Vermögenswerten wirtschaftlich berechtigt sei. Auf die informellen Angaben von P.F. durfte er sich nicht blindlings verlassen.
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Mit dieser Vorgehensweise nahm der Beschwerdeführer trotz seiner Zweifel hinsichtlich der Identität des wirtschaftlich Berechtigten in Kauf, den ihm obliegenden Sorgfaltspflichten zuwiderzuhandeln. Trifft der Täter die Massnahmen zur Klärung der Identität, die ein sorgfältiger Bankier aufgrund der konkreten Umstände getroffen hätte, nicht, darf nach der Fassung des Tatbestandes auf Vorsatz geschlossen werden (ARZT, a.a.O., S. 192; KISTLER, a.a.O., S. 221 f.; EGGER TANNER, a.a.O., S. 285). Der Schuldspruch der Vorinstanz ist daher nicht zu beanstanden. Im Übrigen betrifft die Frage, was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, sogenannte innere Tatsachen, die als Tatfrage nur im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde aufgeworfen werden kann, im Rahmen der eidgenössischen ![]() | 15 |
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