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2. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Februar 2000 i. S. X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 72 Ziff. 2 StGB; Unterbrechung der Verjährung. |
Art. 164 Ziff. 1 Abs. 3 und Ziff. 2 StGB; Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung, Veräusserung von Vermögenswerten gegen eine Leistung mit offensichtlich geringerem Wert. |
Der Dritte, der die Vermögenswerte erwirbt, bleibt in den Grenzen der notwendigen Teilnahme straflos (E. 2). | |
Sachverhalt | |
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Am 20. November 1998 verurteilte die Gerichtspräsidentin 17 des Gerichtskreises VIII von Bern-Laupen X. wegen betrügerischen Konkurses zu 10 Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von 2 Jahren.
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Auf Appellation von X. und Anschlussappellation der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 15. Januar 1999 dieses Urteil.
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X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zum Freispruch an dieses zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut
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aus folgenden Erwägungen: | |
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b) Gemäss Art. 72 Ziff. 2 StGB wird die Verjährung unterbrochen durch jede Untersuchungshandlung einer Strafverfolgungsbehörde oder Verfügung des Gerichts gegenüber dem Täter, namentlich durch Vorladungen, Einvernahmen, durch Erlass von Haft- oder Hausdurchsuchungsbefehlen sowie durch Anordnung von Gutachten, ferner durch jede Ergreifung von Rechtsmitteln gegen einen ![]() | 7 |
Nach der Rechtsprechung wird die Unterbrechung bewirkt durch Tätigkeiten der Strafverfolgungsbehörden, die dem Fortgang des Verfahrens dienen und nach aussen in Erscheinung treten (BGE 90 IV 62 E. 1 mit Hinweisen). Wie in BGE 115 IV 97 entschieden wurde, unterbricht die Eröffnung des Strafverfahrens gegen eine bestimmte Person in der Schweiz durch Übernahme des gegen sie im Ausland durchgeführten Verfahrens die Verjährung.
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c) Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Tat besteht im Erwerb des Forderungspakets am 26. Juli 1991. Damit begann die Verfolgungsverjährung zu laufen (Art. 71 Abs. 1 StGB). Die relative Verjährungsfrist beträgt unstreitig 5 Jahre, und zwar unabhängig davon, ob hier Art. 163 Ziff. 2 aStGB oder Art. 164 Ziff. 2 nStGB anzuwenden ist (dazu unten E. 2). Die Verjährung wäre somit am 26. Juli 1996 eingetreten, wenn sie vorher nicht unterbrochen worden wäre (zur Berechnung der Frist vgl. BGE 107 Ib 74 E. 3a; BGE 97 IV 238; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art. 70 N. 3).
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Die Vorinstanz legt dar, am 21. Juni 1996 habe der Untersuchungsrichter das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer eröffnet. Damit sei die Verjährung unterbrochen worden. Es spricht im Lichte von BGE 115 IV 97 viel für diese Auffassung. In der kantonalen Rechtsprechung ist der Anordnung der Voruntersuchung unterbrechende Wirkung zuerkannt worden (Recueil de Jurisprudence Neuchâteloise 1984 S. 97 f.), was im Schrifttum Zustimmung gefunden hat (TRECHSEL, a.a.O., Art. 72 N. 2; ELISABETH TRACHSEL, Die Verjährung gemäss den Art. 70-75bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches, Diss. Zürich 1990, S. 151). Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP) hat der Untersuchungsrichter am 21. Juni 1996 nicht nur das Strafverfahren eröffnet, sondern gleichzeitig einen Haftbefehl erlassen. Der Erlass eines Haftbefehls wird in Art. 72 Ziff. 2 Abs. 1 StGB als Unterbrechungsgrund aber ausdrücklich genannt. Damit ist die Verjährung vor Ablauf der Frist von 5 Jahren unterbrochen worden. Die absolute Verjährungsfrist von 7 1/2 Jahren war im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils noch nicht abgelaufen. Die Vorinstanz hat ![]() | 10 |
d) Die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.
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Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer sei zu bestrafen wegen betrügerischen Konkurses nach Art. 163 aStGB. Der am 1. Januar 1995 in Kraft getretene Tatbestand der Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung nach Art. 164 nStGB sei nicht milder.
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b) Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Auffassung verletze Bundesrecht. Zwar werde bei weiter Auslegung sein Verhalten allenfalls von Art. 163 aStGB erfasst. Nach Art. 164 nStGB sei das aber nicht mehr der Fall. Nach dieser neuen Bestimmung sei sein Verhalten straflos. Die Vorinstanz hätte Art. 164 nStGB als milderes Recht anwenden und ihn freisprechen müssen. Er beruft sich auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Peter Albrecht (Basel) vom 11. Januar 1999, das im vorinstanzlichen Verfahren zu den Akten gegeben wurde.
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c) Am 1. Januar 1995 ist das neue Vermögensstrafrecht in Kraft getreten. Hat jemand ein Konkursdelikt vor diesem Datum verübt, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so sind die neuen Bestimmungen anzuwenden, wenn sie für den Täter milder sind (Art. 2 Abs. 2 StGB). Ob eine neue Bestimmung im Vergleich zur alten milder sei, entscheidet sich nicht aufgrund eines abstrakten Vergleichs. Massgebend ist die konkrete Betrachtungsweise. Es kommt darauf an, nach welcher Bestimmung der Täter für die zu beurteilende Tat besser wegkommt (BGE 119 IV 145 E. 2c; BGE 114 IV 81 E. 3b mit Hinweisen).
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d) Bei der Revision des Vermögensstrafrechtes sind die Konkurs- und Betreibungsdelikte teilweise neu gegliedert worden. Bei der vorsätzlichen Gläubigerschädigung unterscheidet das Gesetz nicht mehr, wie das alte Recht, nach der Art der Betreibung (auf Konkurs oder Pfändung, Art. 163 und 164 aStGB), sondern danach, ob der Schuldner sein Vermögen nur zum Schein oder wirklich vermindert ![]() | 16 |
1. Der Schuldner, der zum Schaden der Gläubiger sein Vermögen vermindert, indem er Vermögenswerte beschädigt, zerstört, entwertet oder unbrauchbar macht, Vermögenswerte unentgeltlich oder gegen eine Leistung mit offensichtlich geringerem Wert veräussert, ohne sachlichen Grund anfallende Rechte ausschlägt oder auf Rechte unentgeltlich verzichtet, wird, wenn über ihn der Konkurs eröffnet oder gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.
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2. Unter den gleichen Voraussetzungen wird der Dritte, der zum Schaden der Gläubiger eine solche Handlung vornimmt, mit Gefängnis bestraft.
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Der Grund für die geringere Strafdrohung beim Dritten liegt darin, dass dieser im Gegensatz zum Schuldner keine unmittelbaren Pflichten gegenüber den Gläubigern hat. Auch wenn der Dritte als Gehilfe oder Anstifter des Schuldners handelt, unterliegt er - in Anwendung von Art. 26 StGB - der geringeren Strafdrohung von Ziff. 2 (vgl. BGE 112 Ib 225 E. 3a S. 229).
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In der Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 24. April 1991 wird zu Art. 164 nStGB Folgendes gesagt:
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Im Unterschied zum geltenden Recht ist der Katalog der Varianten der Tathandlung ("Vermögen vermindert") abschliessend; das wird durch den Wegfall des Begriffs "namentlich" gekennzeichnet. Diese Änderung wurde im Vernehmlassungsverfahren mitunter beanstandet; insbesondere wurde die Befürchtung ausgesprochen, durch den Wegfall von "namentlich" würden andere denkbare Begehungsweisen von der Strafbarkeit ausgeschlossen. Dieser Systemwechsel ist allerdings bewusst vollzogen worden. Unter Art. 164 sollen nur klare, schwere Sachverhalte fallen, die eine Verbrechensstrafe rechtfertigen. Daher ist auf die Bestimmtheit der Vorschrift besonderes Gewicht zu legen (BBl 1991 II 1061).
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Im vorliegenden Fall geht es um die Tatbestandsvariante der Veräusserung von Vermögenswerten gegen eine Leistung mit offensichtlich geringerem Wert gemäss Art. 164 Ziff. 1 Abs. 3 nStGB. Diese Variante lehnt sich an die "Schenkungspauliana" nach Art. 286 SchKG an (Botschaft a.a.O.).
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Die Veräusserung setzt notwendig den Erwerb durch einen andern voraus. Es ist hier ein Fall gegeben der sog. notwendigen Teilnahme. Darunter versteht man die Erscheinung, dass manche Straftaten einen Tatbestand verwirklichen, der zu seiner Erfüllung notwendig die Beteiligung mehrerer erfordert (CLAUS ROXIN, Leipziger Kommentar, 11. Aufl., 1993, vor § 26 N. 32). Dabei kann es sich nicht nur um Teilnahme, sondern auch um eine mittäterschaftliche Mitwirkung handeln (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 2. Aufl., Bern 1996, § 13 N. 148; JÖRG REHBERG, Strafrecht I, 6. Aufl., Zürich 1996, S. 135). Im zu beurteilenden Fall geht es um ein sog. Begegnungsdelikt. Dabei wirken die verschiedenen Beteiligten auf dasselbe Ziel hin, aber von verschiedenen Seiten her und mit unterschiedlichen Tätigkeitsakten (ROXIN, a.a.O., N. 33; PHILIPPE GRAVEN/BERNHARD STRÄULI, L'infraction pénale punissable, 2. Aufl., Bern 1995, S. 314/5). Beispiele eines Begegnungsdelikts bilden etwa der Wucher (Art. 157 StGB) oder die Gläubigerbevorzugung (Art. 167 StGB). Der Wucherer nimmt die Vermögensvorteile, der Bewucherte gibt sie; der Schuldner zahlt ![]() | 24 |
In Art. 168 Abs. 3 StGB (Bestechung bei Zwangsvollstreckung) hat der Gesetzgeber die notwendige Teilnahme ausdrücklich unter Strafe gestellt. Daraus ist zu schliessen, dass dort, wo das Gesetz zur notwendigen Teilnahme schweigt, der Gesetzgeber diese nicht bestrafen wollte. Dafür sprechen bei Art. 164 nStGB auch die Materialien. Wie dargelegt hat der Gesetzgeber in Art. 164 nStGB die Tathandlungen bewusst abschliessend umschrieben und auf die Bestimmtheit der Vorschrift besonderes Gewicht gelegt. Für die Straflosigkeit des Erwerbs gibt es auch Gründe. Das von Art. 164 nStGB erfasste Unrecht besteht in der Verminderung des Vermögens des Schuldners, und diese Verminderung wird bewirkt durch die Veräusserung. Eine solche Veräusserung vornehmen kann auch der Dritte, wenn er als Vertreter des Schuldners handelt (vgl. PETER ALBRECHT, Kommentar zum schweizerischen Strafgesetzbuch, Besonderer Teil, 2. Band, Bern 1990, Art. 163 N. 16; YANN WERMEILLE, La diminution effective de l'actif au préjudice des créanciers et la ![]() | 25 |
e) Die Vorinstanz stellt nicht fest, dass der Beschwerdeführer Handlungen vorgenommen hätte, die über den Erwerb des Forderungspakets hinausgingen. Dies wurde dem Beschwerdeführer im Übrigen auch gar nicht vorgeworfen. Hat er lediglich das Angebot zum Kauf des Forderungspaketes angenommen, ist er straflos.
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f) Wie hier entscheidet die deutsche Rechtsprechung und Lehre beim Tatbestand des Bankrotts gemäss § 283 dStGB. Verschiedene der in dieser Bestimmung beschriebenen Bankrotthandlungen setzen die Mitwirkung eines Dritten typischerweise, teils sogar begrifflich voraus. Insoweit besteht Einigkeit, dass die Partner jener Geschäfte in den Grenzen der notwendigen Teilnahme straffrei bleiben sollen (WALTER GROPP, Deliktstypen mit Sonderbeteiligung, Tübingen 1992, S. 227/8; SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE, Strafgesetzbuch, Kommentar, 25. Aufl., München 1997, § 283 N. 65 mit Hinweisen).
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g) Die Beschwerde ist in diesem Punkt begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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3. Auf die weiteren Einwände, es fehle am Schaden und die Kostenauferlegung im kantonalen Verfahren verletze das Europäische Auslieferungsübereinkommen, braucht damit nicht mehr eingetreten zu werden, zumal die Sache nun ohnehin verjähren dürfte. Wie dargelegt hat die Vorinstanz das angefochtene Urteil nur 11 Tage vor Eintritt der absoluten Verfolgungsverjährung gefällt. Damit hörte die Verjährung zu laufen auf (BGE 121 IV 64 E. 2). Mit der Eröffnung des vorliegenden Urteils des Bundesgerichts nimmt sie ihren Fortgang (BGE 111 IV 87 E. 3a mit Hinweis).
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