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19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs vom 5. Juni 2000 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen A. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 189 Abs. 2 und 190 Abs. 2 StGB in Verbindung mit Art. 28 StGB; Art. 181 StGB; sexuelle Nötigung und Vergewaltigung in der Ehe; Strafantrag. | |
Sachverhalt | |
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Sie trennte sich am 28. März 1998 von ihm und erhob am 20. Juli 1998 Strafklage wegen Drohung, Tätlichkeit und sexueller Nötigung.
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B.- Das Kantonsgericht St. Gallen sprach am 2. Dezember 1999 (im Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Bezirksgerichts St. Gallen vom 8. Dezember 1998) A. frei von den Anklagen der mehrfachen Nötigung und der mehrfachen Drohung (vor dem 20. Juli 1998). Es erklärte ihn schuldig der mehrfachen Vergewaltigung, der Drohung und der Tätlichkeit. Es verurteilte ihn zu 18 Monaten Zuchthaus und 5 Jahren Landesverweisung, jeweils mit Aufschub des Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren. Es verpflichtete ihn, B. Fr. 3'000.- Schadenersatz und Fr. 10'000.- Genugtuung zu zahlen.
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Das Bundesgericht weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Die Ehegattin hatte am 28. März 1998 die gemeinsame Wohnung verlassen und am 20. Juli 1998 Strafklage unter anderem wegen sexueller Nötigung erhoben. Dieser Strafantrag erfasste somit die sechs Monate vor dem 20. Juli 1998. Für den Zeitraum zwischen dem 20. Januar und dem 28. März 1998 wurde der Beschwerdegegner daher der mehrfachen Vergewaltigung schuldig gesprochen. Für die angeklagten sexuellen Nötigungen zwischen September 1996 und Januar 1998 nahm das Bezirksgericht an, mit dem Strafantrag wegen Vergewaltigung in der Ehe habe das Opfer seinen Willen zur Strafverfolgung geäussert. Anders als im Falle eines fehlenden Strafantrags bestehe hier kein Grund, die Strafverfolgung wegen Nötigung gemäss Art. 181 StGB auszuschliessen. Entsprechend verurteilte es den Beschwerdegegner wegen eines Vorfalls vor dem Frühsommer 1997 wegen Nötigung gemäss Art. 181 StGB.
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b) Die Vorinstanz hebt diesen Schuldspruch auf mit der Begründung, Vergewaltigung in der Ehe bilde gemäss Art. 190 Abs. 2 StGB ein Antragsdelikt. Das Strafrecht solle nicht gegen den Willen der verletzten Gattin eingreifen und das Zusammenleben der Ehegatten gefährden. Stelle die Gattin keinen Strafantrag oder nehme sie ihn zurück, so dürfe der Täter daher auch nicht wegen Nötigung nach Art. 181 StGB bestraft werden, obwohl es sich dabei um ein Offizialdelikt handle (unter Verweisung auf REHBERG/SCHMID, Strafrecht III, 7. Auflage, Zürich 1997, S. 397 f.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 5. Auflage, 1995, § 8 N. 19; JENNY, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, Bern 1997, Art. 190 N. 14 mit Verweisung auf Art. 189 N. 47; PHILIPP MAIER, Die Nötigungsdelikte im neuen Sexualstrafrecht, Diss. Zürich 1994, ![]() | 8 |
c) Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, bei fehlendem Strafantrag sei ein Rückgriff auf Art. 181 StGB möglich. Die Vorinstanz verkenne den Schutzzweck von Art. 190 Abs. 2 StGB, wonach der Strafrichter nicht gegen den Willen des Opfers eingreifen solle. Vorliegend habe das Opfer mit seinem Strafantrag das Verfahren selber eingeleitet. Es sei deshalb nicht einzusehen, weshalb unter diesen Voraussetzungen eine Bestrafung wegen Nötigung für den gesamten zurückliegenden Zeitraum nicht möglich sein sollte, soweit er nicht gemäss Art. 190 Abs. 2 StGB erfasst werde.
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d) Die Auffassung der Vorinstanz überzeugt. Inzwischen vertritt auch die 4. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern die Auffassung, ein Angeschuldigter dürfe nicht subsidiär gemäss Art. 181 StGB schuldig erklärt werden; aufgrund der Materialien und des Wortlauts von Art. 189 Abs. 2 und Art. 190 Abs. 2 StGB sei vielmehr mit der herrschenden Lehre davon auszugehen, dass der Gesetzgeber sexuelle Handlungen unter Ehegatten abschliessend und mit Ausnahme der qualifizierten Begehungsweise als Antragsdelikte ![]() | 10 |
Dieser Wille der Verletzten ist zu respektieren. Das ist die gesetzliche Konzeption von Art. 189 Abs. 2 und 190 Abs. 2 StGB. Die für die sexuelle Nötigung unter Ehegatten getroffene Sonderregelung verlöre ihren Sinn, wenn sie im Wege der Bestrafung der Tat aus Art. 181 StGB umgangen werden könnte (JENNY, a.a.O.).
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